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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Freiheiten und Einheitskriege.

Von allen Erinnerungen, welche dies Jubeljahr unseres Volkes in seiner
Seele wachgerufen hat, ist keine so deutlich und keine so mächtig gewesen,
wie die an 1813. Als der Aufruf zu den Fahnen erscholl, da wurden die
alten Lieder lebendig, vergessene Bilder und vergilbte Kupferstiche tauchten
ans Licht hervor, aus allen Reden erklang laut das Andenken an den hei¬
ligen Volkskrieg. Die Augen der Greise, welche die gnadenreiche Stunde
unserer Erlösung einst noch erschaut hatten, glühten wieder auf wie im Abend-
glanze eines heiter endenden Tages, die jungen Freiwilligen kamen herbei
mit dem verlangenden Gelübde, es den rühmlichen Werken der Väter und
Großväter gleichzuthun. Galt es doch abermals König und Vaterland
Hausehre und Heimathssitte zu vertheidigen gegen dieselbe Nation, die fort
und fort bemüht ist, sich das verdiente Erbtheil unseres Volkshasses zu be¬
wahren und zu mehren. Trug man uns doch Feldzeichen und Namen des¬
selben Eroberers entgegen, dessen finsteres Bild in deutschen Bürgerhäusern
und Bauernhütten noch aufrecht steht mit allen seinen Schrecken. Nur ver¬
gaß der Schwächling, der da wähnte, auch uns wie einst seine Landsleute
mit der todten Riesenmaske einzuschüchtern, daß neben dem gespenstischen
Bilde Napoleons I. unser Volk auch die Kreuzlein noch aufbewahrt, mit
denen es gelang, den bösen Geist zu verscheuchen. Es geschah Jedermann
zu Danke, als König Wilhelm, in dem die eigenen Jugendempfindungen sich
frisch und warm zu regen begannen, jenes schlichte Ehrenzeichen aus eisernen
Tagen der Noth zu neuem Preise für alte Tapferkeit wieder einweihte.

Hernach dann, als wir es vermochten, mit siegender Eile die Abwehr
in Ansturm zu verwandeln, als über Frankreichs Hügel und Ströme, durch
Frankreichs Dörfer und Städte unser Heereszug unaufhaltsam dahinging, da
gemahnte uns der fremde Boden wiederum mehr an die Jahre 14 und 13,
denen wir verdanken, daß er, wie man ihn auch umgestaltet habe, für un¬
sere Feldherren doch kein fremder Boden mehr ist. Nun aber treten wir


Grenzboten IV. 1870. 11
Freiheiten und Einheitskriege.

Von allen Erinnerungen, welche dies Jubeljahr unseres Volkes in seiner
Seele wachgerufen hat, ist keine so deutlich und keine so mächtig gewesen,
wie die an 1813. Als der Aufruf zu den Fahnen erscholl, da wurden die
alten Lieder lebendig, vergessene Bilder und vergilbte Kupferstiche tauchten
ans Licht hervor, aus allen Reden erklang laut das Andenken an den hei¬
ligen Volkskrieg. Die Augen der Greise, welche die gnadenreiche Stunde
unserer Erlösung einst noch erschaut hatten, glühten wieder auf wie im Abend-
glanze eines heiter endenden Tages, die jungen Freiwilligen kamen herbei
mit dem verlangenden Gelübde, es den rühmlichen Werken der Väter und
Großväter gleichzuthun. Galt es doch abermals König und Vaterland
Hausehre und Heimathssitte zu vertheidigen gegen dieselbe Nation, die fort
und fort bemüht ist, sich das verdiente Erbtheil unseres Volkshasses zu be¬
wahren und zu mehren. Trug man uns doch Feldzeichen und Namen des¬
selben Eroberers entgegen, dessen finsteres Bild in deutschen Bürgerhäusern
und Bauernhütten noch aufrecht steht mit allen seinen Schrecken. Nur ver¬
gaß der Schwächling, der da wähnte, auch uns wie einst seine Landsleute
mit der todten Riesenmaske einzuschüchtern, daß neben dem gespenstischen
Bilde Napoleons I. unser Volk auch die Kreuzlein noch aufbewahrt, mit
denen es gelang, den bösen Geist zu verscheuchen. Es geschah Jedermann
zu Danke, als König Wilhelm, in dem die eigenen Jugendempfindungen sich
frisch und warm zu regen begannen, jenes schlichte Ehrenzeichen aus eisernen
Tagen der Noth zu neuem Preise für alte Tapferkeit wieder einweihte.

Hernach dann, als wir es vermochten, mit siegender Eile die Abwehr
in Ansturm zu verwandeln, als über Frankreichs Hügel und Ströme, durch
Frankreichs Dörfer und Städte unser Heereszug unaufhaltsam dahinging, da
gemahnte uns der fremde Boden wiederum mehr an die Jahre 14 und 13,
denen wir verdanken, daß er, wie man ihn auch umgestaltet habe, für un¬
sere Feldherren doch kein fremder Boden mehr ist. Nun aber treten wir


Grenzboten IV. 1870. 11
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[0089] Freiheiten und Einheitskriege. Von allen Erinnerungen, welche dies Jubeljahr unseres Volkes in seiner Seele wachgerufen hat, ist keine so deutlich und keine so mächtig gewesen, wie die an 1813. Als der Aufruf zu den Fahnen erscholl, da wurden die alten Lieder lebendig, vergessene Bilder und vergilbte Kupferstiche tauchten ans Licht hervor, aus allen Reden erklang laut das Andenken an den hei¬ ligen Volkskrieg. Die Augen der Greise, welche die gnadenreiche Stunde unserer Erlösung einst noch erschaut hatten, glühten wieder auf wie im Abend- glanze eines heiter endenden Tages, die jungen Freiwilligen kamen herbei mit dem verlangenden Gelübde, es den rühmlichen Werken der Väter und Großväter gleichzuthun. Galt es doch abermals König und Vaterland Hausehre und Heimathssitte zu vertheidigen gegen dieselbe Nation, die fort und fort bemüht ist, sich das verdiente Erbtheil unseres Volkshasses zu be¬ wahren und zu mehren. Trug man uns doch Feldzeichen und Namen des¬ selben Eroberers entgegen, dessen finsteres Bild in deutschen Bürgerhäusern und Bauernhütten noch aufrecht steht mit allen seinen Schrecken. Nur ver¬ gaß der Schwächling, der da wähnte, auch uns wie einst seine Landsleute mit der todten Riesenmaske einzuschüchtern, daß neben dem gespenstischen Bilde Napoleons I. unser Volk auch die Kreuzlein noch aufbewahrt, mit denen es gelang, den bösen Geist zu verscheuchen. Es geschah Jedermann zu Danke, als König Wilhelm, in dem die eigenen Jugendempfindungen sich frisch und warm zu regen begannen, jenes schlichte Ehrenzeichen aus eisernen Tagen der Noth zu neuem Preise für alte Tapferkeit wieder einweihte. Hernach dann, als wir es vermochten, mit siegender Eile die Abwehr in Ansturm zu verwandeln, als über Frankreichs Hügel und Ströme, durch Frankreichs Dörfer und Städte unser Heereszug unaufhaltsam dahinging, da gemahnte uns der fremde Boden wiederum mehr an die Jahre 14 und 13, denen wir verdanken, daß er, wie man ihn auch umgestaltet habe, für un¬ sere Feldherren doch kein fremder Boden mehr ist. Nun aber treten wir Grenzboten IV. 1870. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/89>, abgerufen am 22.12.2024.