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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Ein Blick auf die Geschichte der Stadt Metz.

Für die meisten unter uns lag noch vor wenigen Monaten der Name
der Stadt Metz ebenso fern, wie der Mailands oder Veronas, von denen
man ja auch weiß, daß sie einst zum römischen Reiche gehörten: ein ver¬
blaßtes Andenken an alte Unbilden, ein längst verschmerztes Gut, von dessen
unwiederbringlichen Verluste man nicht gern redete. Jetzt birgt er für alle
eine Fülle von glänzenden und ruhmvollen, wie von schmerzlichen und tief
ergreifenden Erinnerungen, und unter den Ehrentagen unseres Volkes werden
fortan neben Fehrbellin und Leuthen, neben Leipzig und Waterloo die Kämpfe
um Metz auf das hellste hervorleuchten. Doch nicht auf die noch unabge¬
schlossene Gegenwart, auf die Vergangenheit dieser Stadt vielmehr will ich
heute hinweisen, eine Vergangenheit, so reich an Wechselfällen, an Thaten
und Leiden, wie diesseits der Alpen nicht viele Städte sich ihrer zu rühmen
haben.

Das alte Divodurum -- so lautet der ursprüngliche Name, der fast bis
in die Zeiten von Christi Geburt hinaufreicht -- der Hauptort der gallischen
Mediomatriker, wird nach den letzteren seit dem fünften Jahrhunderte in ab¬
gekürzter Form Metis genannt, woraus die neuere Benennung Metz oder
Meth (daher Messins), wie die Franzosen sagen, sich entwickelt hat. Als
römische Provinzialstadt empfing Metz seinen vollen Antheil an der hochge¬
steigerten Cultur der Römer; es hatte sein Amphitheater, seine Bäder und
seinen Circus, und noch jetzt stehen einige Bogen der großartigen Wasser¬
leitung, die über die Mosel hinweg die klaren Fluten des Gorzebaches in
die Stadt führten. Als das Christenthum in den gallischen Landen zur all¬
gemeinen Herrschaft gelangte, ^wurde Metz ein christlicher Bischofssitz, dessen
Anfänge fromme Dichtung bis auf unmittelbare Schüler der Apostel Petrus
und Johannes zurückzuleiten suchte. Ohne schweren Kampf siegte der neue
Glaube, denn die Stadt, obgleich sie viele Reliquien besaß, rühmte sich später,
nie das Blut eines Märtyrers vergossen zu haben. Die Schrecken der Völ¬
kerwanderung, welche durch Zertrümmerung des altrömischen Wesens Raum
für neue Schöpfungen gab, traten an Metz heran in Gestalt einer Plünderung


Grenzboten IV. 1870. 61
Ein Blick auf die Geschichte der Stadt Metz.

Für die meisten unter uns lag noch vor wenigen Monaten der Name
der Stadt Metz ebenso fern, wie der Mailands oder Veronas, von denen
man ja auch weiß, daß sie einst zum römischen Reiche gehörten: ein ver¬
blaßtes Andenken an alte Unbilden, ein längst verschmerztes Gut, von dessen
unwiederbringlichen Verluste man nicht gern redete. Jetzt birgt er für alle
eine Fülle von glänzenden und ruhmvollen, wie von schmerzlichen und tief
ergreifenden Erinnerungen, und unter den Ehrentagen unseres Volkes werden
fortan neben Fehrbellin und Leuthen, neben Leipzig und Waterloo die Kämpfe
um Metz auf das hellste hervorleuchten. Doch nicht auf die noch unabge¬
schlossene Gegenwart, auf die Vergangenheit dieser Stadt vielmehr will ich
heute hinweisen, eine Vergangenheit, so reich an Wechselfällen, an Thaten
und Leiden, wie diesseits der Alpen nicht viele Städte sich ihrer zu rühmen
haben.

Das alte Divodurum — so lautet der ursprüngliche Name, der fast bis
in die Zeiten von Christi Geburt hinaufreicht — der Hauptort der gallischen
Mediomatriker, wird nach den letzteren seit dem fünften Jahrhunderte in ab¬
gekürzter Form Metis genannt, woraus die neuere Benennung Metz oder
Meth (daher Messins), wie die Franzosen sagen, sich entwickelt hat. Als
römische Provinzialstadt empfing Metz seinen vollen Antheil an der hochge¬
steigerten Cultur der Römer; es hatte sein Amphitheater, seine Bäder und
seinen Circus, und noch jetzt stehen einige Bogen der großartigen Wasser¬
leitung, die über die Mosel hinweg die klaren Fluten des Gorzebaches in
die Stadt führten. Als das Christenthum in den gallischen Landen zur all¬
gemeinen Herrschaft gelangte, ^wurde Metz ein christlicher Bischofssitz, dessen
Anfänge fromme Dichtung bis auf unmittelbare Schüler der Apostel Petrus
und Johannes zurückzuleiten suchte. Ohne schweren Kampf siegte der neue
Glaube, denn die Stadt, obgleich sie viele Reliquien besaß, rühmte sich später,
nie das Blut eines Märtyrers vergossen zu haben. Die Schrecken der Völ¬
kerwanderung, welche durch Zertrümmerung des altrömischen Wesens Raum
für neue Schöpfungen gab, traten an Metz heran in Gestalt einer Plünderung


Grenzboten IV. 1870. 61
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[0489] Ein Blick auf die Geschichte der Stadt Metz. Für die meisten unter uns lag noch vor wenigen Monaten der Name der Stadt Metz ebenso fern, wie der Mailands oder Veronas, von denen man ja auch weiß, daß sie einst zum römischen Reiche gehörten: ein ver¬ blaßtes Andenken an alte Unbilden, ein längst verschmerztes Gut, von dessen unwiederbringlichen Verluste man nicht gern redete. Jetzt birgt er für alle eine Fülle von glänzenden und ruhmvollen, wie von schmerzlichen und tief ergreifenden Erinnerungen, und unter den Ehrentagen unseres Volkes werden fortan neben Fehrbellin und Leuthen, neben Leipzig und Waterloo die Kämpfe um Metz auf das hellste hervorleuchten. Doch nicht auf die noch unabge¬ schlossene Gegenwart, auf die Vergangenheit dieser Stadt vielmehr will ich heute hinweisen, eine Vergangenheit, so reich an Wechselfällen, an Thaten und Leiden, wie diesseits der Alpen nicht viele Städte sich ihrer zu rühmen haben. Das alte Divodurum — so lautet der ursprüngliche Name, der fast bis in die Zeiten von Christi Geburt hinaufreicht — der Hauptort der gallischen Mediomatriker, wird nach den letzteren seit dem fünften Jahrhunderte in ab¬ gekürzter Form Metis genannt, woraus die neuere Benennung Metz oder Meth (daher Messins), wie die Franzosen sagen, sich entwickelt hat. Als römische Provinzialstadt empfing Metz seinen vollen Antheil an der hochge¬ steigerten Cultur der Römer; es hatte sein Amphitheater, seine Bäder und seinen Circus, und noch jetzt stehen einige Bogen der großartigen Wasser¬ leitung, die über die Mosel hinweg die klaren Fluten des Gorzebaches in die Stadt führten. Als das Christenthum in den gallischen Landen zur all¬ gemeinen Herrschaft gelangte, ^wurde Metz ein christlicher Bischofssitz, dessen Anfänge fromme Dichtung bis auf unmittelbare Schüler der Apostel Petrus und Johannes zurückzuleiten suchte. Ohne schweren Kampf siegte der neue Glaube, denn die Stadt, obgleich sie viele Reliquien besaß, rühmte sich später, nie das Blut eines Märtyrers vergossen zu haben. Die Schrecken der Völ¬ kerwanderung, welche durch Zertrümmerung des altrömischen Wesens Raum für neue Schöpfungen gab, traten an Metz heran in Gestalt einer Plünderung Grenzboten IV. 1870. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/489>, abgerufen am 22.12.2024.