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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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F. L. Stolberg an Kayser.

Bern d. 24. Sept. 1775").

Liebster Kaiser ich habe nicht einen Augenblick aufgehört Sie herzlich zu
lieben, aber das wissen Sie, ohne daß ichs sage. Bitte, bitte um Verzeihung,
daß ich so lange nicht geschrieben, mein Herz konnte keinen Antheil an mei¬
nem Vielschreiben haben.

Mein Brief aus Chiavenno. wo ich Sie bat Salis zu besuchen, haben
Sie doch wol bekommen?

Von Ihnen hab ich keinen seit Marschlins. Ihr letzter muß verloren
sein, das betrübt mich, liebster Freund, entschädigen Sie uns bald wieder
mit einem langen Brief. Von unserm lieben Klinger hab ich nichts gehört,
seit ich aus Marschlinz bin, von Göthe auch nichts. Wegen Ihrer Lieder
ist's zu spät. Schon aus Kopenhagen hat man uns geschrieben, man habe
die ersten Bogen des Allmanachs gelesen. Ich will doch drum schreiben, aber
der Druck kann nicht so langsam gehn, daß mein Brief noch zur Zeit ankäme.

Herrliche Länder hab ich gesehn I O Du liebe Schweiz! Ich könnte nicht
aufhören, wenn ich anfing zu erzählen. Im xais ä<Z Vauä bringen wir die
Zeit der Weinlese zu. ich wolte, Sie freuten sich da mit uns und wir mit
Ihnen zugleich, äßen zugleich Trauben, träncken Most aus einem Becher.

Es ist doch ein Schicksal, wenn man sich nicht immer mit allen, die man
liebt zugleich freuen kann. Umarmen Sie Passeavent herzlich in meinen
Namen. Ich küsse Sie herzlich in Gedanken. Behalten Sie mich immer
lieb, ich werde Sie immer herzlich lieben.


F. L. Stolberg.

Mein Bruder und Haugwitz umarmen Sie. Morgen früh gehn wir auf
die Gletscher und kommen in 4 Tagen wieder.


3.
I. M. Miller an Kayser.

Ulm d, 24. Sept. 177S.


Lieber theurer Kaiser!

Du hast mir durch deine beyden herrliche Briefe und die damit folgenden
Geschenke unendlich viel Vergnügen gemacht. Tausendfacher herzlichen Dank
dafür. Warlich ich liebe Dich von Herzen und unsre Seelen sind vereint.
Göthe und Stolbergs freuen mich unendlich, dich und sie und Klopstok will ich
unter Glas fassen und aushängen, das sollen meine Heilige und Schutzpatronen
seyn. Dein Act an Nelly hat mir nicht gantz gefallen; ich weiß selbst nicht recht,
warum? Es dämmert mir nur, wenn ichs lese und ich möchte Licht sehen. Die
Empfindung ist vielleicht zu ungewöhnlich und zu schwärmerisch, ob ich das



') Ergänzung fiir Dr. Menge's Graf Friedrich Leopold v. Stolberg I. os fs.
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F. L. Stolberg an Kayser.

Bern d. 24. Sept. 1775").

Liebster Kaiser ich habe nicht einen Augenblick aufgehört Sie herzlich zu
lieben, aber das wissen Sie, ohne daß ichs sage. Bitte, bitte um Verzeihung,
daß ich so lange nicht geschrieben, mein Herz konnte keinen Antheil an mei¬
nem Vielschreiben haben.

Mein Brief aus Chiavenno. wo ich Sie bat Salis zu besuchen, haben
Sie doch wol bekommen?

Von Ihnen hab ich keinen seit Marschlins. Ihr letzter muß verloren
sein, das betrübt mich, liebster Freund, entschädigen Sie uns bald wieder
mit einem langen Brief. Von unserm lieben Klinger hab ich nichts gehört,
seit ich aus Marschlinz bin, von Göthe auch nichts. Wegen Ihrer Lieder
ist's zu spät. Schon aus Kopenhagen hat man uns geschrieben, man habe
die ersten Bogen des Allmanachs gelesen. Ich will doch drum schreiben, aber
der Druck kann nicht so langsam gehn, daß mein Brief noch zur Zeit ankäme.

Herrliche Länder hab ich gesehn I O Du liebe Schweiz! Ich könnte nicht
aufhören, wenn ich anfing zu erzählen. Im xais ä<Z Vauä bringen wir die
Zeit der Weinlese zu. ich wolte, Sie freuten sich da mit uns und wir mit
Ihnen zugleich, äßen zugleich Trauben, träncken Most aus einem Becher.

Es ist doch ein Schicksal, wenn man sich nicht immer mit allen, die man
liebt zugleich freuen kann. Umarmen Sie Passeavent herzlich in meinen
Namen. Ich küsse Sie herzlich in Gedanken. Behalten Sie mich immer
lieb, ich werde Sie immer herzlich lieben.


F. L. Stolberg.

Mein Bruder und Haugwitz umarmen Sie. Morgen früh gehn wir auf
die Gletscher und kommen in 4 Tagen wieder.


3.
I. M. Miller an Kayser.

Ulm d, 24. Sept. 177S.


Lieber theurer Kaiser!

Du hast mir durch deine beyden herrliche Briefe und die damit folgenden
Geschenke unendlich viel Vergnügen gemacht. Tausendfacher herzlichen Dank
dafür. Warlich ich liebe Dich von Herzen und unsre Seelen sind vereint.
Göthe und Stolbergs freuen mich unendlich, dich und sie und Klopstok will ich
unter Glas fassen und aushängen, das sollen meine Heilige und Schutzpatronen
seyn. Dein Act an Nelly hat mir nicht gantz gefallen; ich weiß selbst nicht recht,
warum? Es dämmert mir nur, wenn ichs lese und ich möchte Licht sehen. Die
Empfindung ist vielleicht zu ungewöhnlich und zu schwärmerisch, ob ich das



') Ergänzung fiir Dr. Menge's Graf Friedrich Leopold v. Stolberg I. os fs.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/437>, abgerufen am 22.12.2024.