Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Schäfer's Geschichte des siebenjährigen Krieges.

Arnold Schäfer: Geschichte des siebenjährigen Krieges. I. Bd. 1867. II. Bd.
1. Abth. 1870. Berlin bei Wilhelm Hertz.

Als Johannes von Müller noch bei Lebzeiten Friedrich's II. sich selbst
mit dem Gedanken trug, eine Geschichte des großen Königs, oder doch wenig¬
stens des siebenjährigen Krieges zu verfassen, glaubte er prophezeien zu
dürfen, daß es an Herolden so großer Thaten nicht fehlen werde: auf jeden
wahren Historiker, meinte er, müsse jene Zeit eine unwiderstehliche An¬
ziehungskraft ausüben. Müller's Weissagung hat sich nur zum kleinsten
Theil erfüllt; es fehlt wie für jeden Abschnitt der preußischen Geschichte, so
auch für diesen an Monographien. Es ist hier nicht der Ort, zu unter¬
suchen, weswegen die Forschung in der preußischen Geschichte überhaupt nicht
florirt; daß aber selbst jene großartige Periode ihren adäquaten Darsteller
noch nicht gefunden hat, könnte Manchem auffallen, der die Schwierigkeit
der Aufgabe nicht richtig zu schätzen vermag. Wer diese aber kennt, wird
jeden Versuch, eine Lücke auszufüllen, das Vorhandene zu ergänzen oder zu
berichtigen, mit aufrichtiger Dankbarkeit begrüßen.

Es war durchaus an der Zeit, die Geschichte des siebenjährigen Krie¬
ges einer sorgfältigen Revision zu unterwerfen. Das Material war ge¬
wachsen, die Forschung ruhte: auch Schöning's sogenannte Geschichte des
siebenjährigen Krieges kann mit Fug und Recht nur für eine Sammlung
des Stoffes gelten: Archivalten waren in auch nur entfernt hinreichender
Quantität oder Qualität von Niemand benutzt worden: eine gewisse Libe¬
ralität für die Benutzung derselben ließ sich wenigstens an einigen Orten
voraussetzen. Der gelehrte Vorkämpfer der östreichischen Historiker, der als
Forscher wie als Beförderer der Forschung gleich liebenswürdige Arneth
hatte durch seine Darstellung der ersten Regierungsjahre Maria Theresia's
ein glänzendes, wohl unübertroffenes Beispiel prononcirt östreichischer und
doch nicht geradezu parteiischer Geschichtschreibung gegeben; wie sollten sich


Grenzboten IV. 1370. 51
Schäfer's Geschichte des siebenjährigen Krieges.

Arnold Schäfer: Geschichte des siebenjährigen Krieges. I. Bd. 1867. II. Bd.
1. Abth. 1870. Berlin bei Wilhelm Hertz.

Als Johannes von Müller noch bei Lebzeiten Friedrich's II. sich selbst
mit dem Gedanken trug, eine Geschichte des großen Königs, oder doch wenig¬
stens des siebenjährigen Krieges zu verfassen, glaubte er prophezeien zu
dürfen, daß es an Herolden so großer Thaten nicht fehlen werde: auf jeden
wahren Historiker, meinte er, müsse jene Zeit eine unwiderstehliche An¬
ziehungskraft ausüben. Müller's Weissagung hat sich nur zum kleinsten
Theil erfüllt; es fehlt wie für jeden Abschnitt der preußischen Geschichte, so
auch für diesen an Monographien. Es ist hier nicht der Ort, zu unter¬
suchen, weswegen die Forschung in der preußischen Geschichte überhaupt nicht
florirt; daß aber selbst jene großartige Periode ihren adäquaten Darsteller
noch nicht gefunden hat, könnte Manchem auffallen, der die Schwierigkeit
der Aufgabe nicht richtig zu schätzen vermag. Wer diese aber kennt, wird
jeden Versuch, eine Lücke auszufüllen, das Vorhandene zu ergänzen oder zu
berichtigen, mit aufrichtiger Dankbarkeit begrüßen.

Es war durchaus an der Zeit, die Geschichte des siebenjährigen Krie¬
ges einer sorgfältigen Revision zu unterwerfen. Das Material war ge¬
wachsen, die Forschung ruhte: auch Schöning's sogenannte Geschichte des
siebenjährigen Krieges kann mit Fug und Recht nur für eine Sammlung
des Stoffes gelten: Archivalten waren in auch nur entfernt hinreichender
Quantität oder Qualität von Niemand benutzt worden: eine gewisse Libe¬
ralität für die Benutzung derselben ließ sich wenigstens an einigen Orten
voraussetzen. Der gelehrte Vorkämpfer der östreichischen Historiker, der als
Forscher wie als Beförderer der Forschung gleich liebenswürdige Arneth
hatte durch seine Darstellung der ersten Regierungsjahre Maria Theresia's
ein glänzendes, wohl unübertroffenes Beispiel prononcirt östreichischer und
doch nicht geradezu parteiischer Geschichtschreibung gegeben; wie sollten sich


Grenzboten IV. 1370. 51
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0409" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125115"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schäfer's Geschichte des siebenjährigen Krieges.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1229"> Arnold Schäfer: Geschichte des siebenjährigen Krieges.  I. Bd. 1867.  II. Bd.<lb/>
1. Abth.  1870.  Berlin bei Wilhelm Hertz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1230"> Als Johannes von Müller noch bei Lebzeiten Friedrich's II. sich selbst<lb/>
mit dem Gedanken trug, eine Geschichte des großen Königs, oder doch wenig¬<lb/>
stens des siebenjährigen Krieges zu verfassen, glaubte er prophezeien zu<lb/>
dürfen, daß es an Herolden so großer Thaten nicht fehlen werde: auf jeden<lb/>
wahren Historiker, meinte er, müsse jene Zeit eine unwiderstehliche An¬<lb/>
ziehungskraft ausüben. Müller's Weissagung hat sich nur zum kleinsten<lb/>
Theil erfüllt; es fehlt wie für jeden Abschnitt der preußischen Geschichte, so<lb/>
auch für diesen an Monographien. Es ist hier nicht der Ort, zu unter¬<lb/>
suchen, weswegen die Forschung in der preußischen Geschichte überhaupt nicht<lb/>
florirt; daß aber selbst jene großartige Periode ihren adäquaten Darsteller<lb/>
noch nicht gefunden hat, könnte Manchem auffallen, der die Schwierigkeit<lb/>
der Aufgabe nicht richtig zu schätzen vermag. Wer diese aber kennt, wird<lb/>
jeden Versuch, eine Lücke auszufüllen, das Vorhandene zu ergänzen oder zu<lb/>
berichtigen, mit aufrichtiger Dankbarkeit begrüßen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1231" next="#ID_1232"> Es war durchaus an der Zeit, die Geschichte des siebenjährigen Krie¬<lb/>
ges einer sorgfältigen Revision zu unterwerfen. Das Material war ge¬<lb/>
wachsen, die Forschung ruhte: auch Schöning's sogenannte Geschichte des<lb/>
siebenjährigen Krieges kann mit Fug und Recht nur für eine Sammlung<lb/>
des Stoffes gelten: Archivalten waren in auch nur entfernt hinreichender<lb/>
Quantität oder Qualität von Niemand benutzt worden: eine gewisse Libe¬<lb/>
ralität für die Benutzung derselben ließ sich wenigstens an einigen Orten<lb/>
voraussetzen. Der gelehrte Vorkämpfer der östreichischen Historiker, der als<lb/>
Forscher wie als Beförderer der Forschung gleich liebenswürdige Arneth<lb/>
hatte durch seine Darstellung der ersten Regierungsjahre Maria Theresia's<lb/>
ein glänzendes, wohl unübertroffenes Beispiel prononcirt östreichischer und<lb/>
doch nicht geradezu parteiischer Geschichtschreibung gegeben; wie sollten sich</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1370. 51</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0409] Schäfer's Geschichte des siebenjährigen Krieges. Arnold Schäfer: Geschichte des siebenjährigen Krieges. I. Bd. 1867. II. Bd. 1. Abth. 1870. Berlin bei Wilhelm Hertz. Als Johannes von Müller noch bei Lebzeiten Friedrich's II. sich selbst mit dem Gedanken trug, eine Geschichte des großen Königs, oder doch wenig¬ stens des siebenjährigen Krieges zu verfassen, glaubte er prophezeien zu dürfen, daß es an Herolden so großer Thaten nicht fehlen werde: auf jeden wahren Historiker, meinte er, müsse jene Zeit eine unwiderstehliche An¬ ziehungskraft ausüben. Müller's Weissagung hat sich nur zum kleinsten Theil erfüllt; es fehlt wie für jeden Abschnitt der preußischen Geschichte, so auch für diesen an Monographien. Es ist hier nicht der Ort, zu unter¬ suchen, weswegen die Forschung in der preußischen Geschichte überhaupt nicht florirt; daß aber selbst jene großartige Periode ihren adäquaten Darsteller noch nicht gefunden hat, könnte Manchem auffallen, der die Schwierigkeit der Aufgabe nicht richtig zu schätzen vermag. Wer diese aber kennt, wird jeden Versuch, eine Lücke auszufüllen, das Vorhandene zu ergänzen oder zu berichtigen, mit aufrichtiger Dankbarkeit begrüßen. Es war durchaus an der Zeit, die Geschichte des siebenjährigen Krie¬ ges einer sorgfältigen Revision zu unterwerfen. Das Material war ge¬ wachsen, die Forschung ruhte: auch Schöning's sogenannte Geschichte des siebenjährigen Krieges kann mit Fug und Recht nur für eine Sammlung des Stoffes gelten: Archivalten waren in auch nur entfernt hinreichender Quantität oder Qualität von Niemand benutzt worden: eine gewisse Libe¬ ralität für die Benutzung derselben ließ sich wenigstens an einigen Orten voraussetzen. Der gelehrte Vorkämpfer der östreichischen Historiker, der als Forscher wie als Beförderer der Forschung gleich liebenswürdige Arneth hatte durch seine Darstellung der ersten Regierungsjahre Maria Theresia's ein glänzendes, wohl unübertroffenes Beispiel prononcirt östreichischer und doch nicht geradezu parteiischer Geschichtschreibung gegeben; wie sollten sich Grenzboten IV. 1370. 51

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/409
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/409>, abgerufen am 22.12.2024.