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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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unsrer Voiliebe für diese herrlichen Früchte noch erinnert haben. Wenn ich
sie so dastehn sehe, ist mirs als müßte ich Herrn Voigt sehr beneiden; wo
schickt denn Donizetti oder Pacini jemals einem Collegen*) so was Gutes?
Nichts als Arien, die oft gar nicht gut schmecken, mit Würmern darin, keine
guten frischen Aepfel dabei. Nochmals schönsten Dank; den meinigen u. den
meiner Frau; heut oder morgen hoffe ich Ihnen noch mündlich dasselbe zu
wiederholen.


Felix Mendelssohn Bartholdy. Stets Ihr ergebener

Leipzig, d. 8. Nov. 1838. ,


8.

Horchheim bei Coblenz den 6. Aug. 1839.


Hochgeehrte Frau

Diesen Morgen empfing ich durch einen Freundesbrief von Leipzig die
Nachricht, daß Sie so leidend und von Krankheit heimgesucht wären, und
deshalb ein Bad besuchen müßten. Ich weiß nun zwar kaum, ob diese
Zeilen Sie wieder dort treffen, doch kann ichs mir nicht versagen dieselben
an Sie zu richten, um Ihnen zu sagen, wie sehr herzlich leid mir die unver-
muthete Botschaft von Ihrer Krankheit thut, wie ich Ihnen Besserung und
Rückkehr Ihrer vorigen guten Gesundheit von Herzen wünsche. Ich war
vor einigen Tagen in Ems und als ich da alle die Badegäste auf und ab
spazieren sah, habe ich mir gedacht, wie langweilig ein solcher Aufenthalt
für einen lebendigen Geist sein muß, und'dennoch waren die Leute zufrieden,
wenn damit Genesung erkauft werden konnte; so bin ich auch überzeugt, daß
Ihr jetziger Aufenthalt für Sie zwar ein sehr unangenehmer sein muß, indeß
wenn er Ihnen die Gesundheit wieder bringt, und Sie neu kräftigt u.
stärkt, dann lassen Sie sich gewiß die Lange und längste Weile dabei nicht
leid werden. Können Sie denn wenigstens Clavier spielen? Das müßte die
größte Entbehrung sür Sie sein, wenn Ihnen auch dieser Genuß versagt
wäre. Und doch weiß ich nicht, ob Sie nicht vielleicht besser thäten, ihn sich
für eine Zeitlang zu versagen, da es doch wohl sehr angreift und gerade bei
einer Badekur nicht zuträglich sein kann, wenn man sich so ganz und gar
in eine Sache vertieft und dafür begeistert. Dazu sind ja wohl die Gesell¬
schaften und Conversationen in den Bädern erfunden, wo von Vertiefung
ebensowenig die Rede ist, als von Begeisterung; vom Wetter schon mehr.
Um dem Beispiel zu folgen , will ich aber den Sommer loben, u. sagen, daß
ich mich wenig so ununterbrochen herrlicher erinnre. Können Sie denn
die schönen Tage und Abende wenigstens im Freien genießen? Wir haben
hier am Rhein, u. die beiden vorigen Monate in Frankfurt uns recht in



^ Die Aepfel warm dem Geber von einem Geschäftsfreunde aus Italien zugeschickt worden.

unsrer Voiliebe für diese herrlichen Früchte noch erinnert haben. Wenn ich
sie so dastehn sehe, ist mirs als müßte ich Herrn Voigt sehr beneiden; wo
schickt denn Donizetti oder Pacini jemals einem Collegen*) so was Gutes?
Nichts als Arien, die oft gar nicht gut schmecken, mit Würmern darin, keine
guten frischen Aepfel dabei. Nochmals schönsten Dank; den meinigen u. den
meiner Frau; heut oder morgen hoffe ich Ihnen noch mündlich dasselbe zu
wiederholen.


Felix Mendelssohn Bartholdy. Stets Ihr ergebener

Leipzig, d. 8. Nov. 1838. ,


8.

Horchheim bei Coblenz den 6. Aug. 1839.


Hochgeehrte Frau

Diesen Morgen empfing ich durch einen Freundesbrief von Leipzig die
Nachricht, daß Sie so leidend und von Krankheit heimgesucht wären, und
deshalb ein Bad besuchen müßten. Ich weiß nun zwar kaum, ob diese
Zeilen Sie wieder dort treffen, doch kann ichs mir nicht versagen dieselben
an Sie zu richten, um Ihnen zu sagen, wie sehr herzlich leid mir die unver-
muthete Botschaft von Ihrer Krankheit thut, wie ich Ihnen Besserung und
Rückkehr Ihrer vorigen guten Gesundheit von Herzen wünsche. Ich war
vor einigen Tagen in Ems und als ich da alle die Badegäste auf und ab
spazieren sah, habe ich mir gedacht, wie langweilig ein solcher Aufenthalt
für einen lebendigen Geist sein muß, und'dennoch waren die Leute zufrieden,
wenn damit Genesung erkauft werden konnte; so bin ich auch überzeugt, daß
Ihr jetziger Aufenthalt für Sie zwar ein sehr unangenehmer sein muß, indeß
wenn er Ihnen die Gesundheit wieder bringt, und Sie neu kräftigt u.
stärkt, dann lassen Sie sich gewiß die Lange und längste Weile dabei nicht
leid werden. Können Sie denn wenigstens Clavier spielen? Das müßte die
größte Entbehrung sür Sie sein, wenn Ihnen auch dieser Genuß versagt
wäre. Und doch weiß ich nicht, ob Sie nicht vielleicht besser thäten, ihn sich
für eine Zeitlang zu versagen, da es doch wohl sehr angreift und gerade bei
einer Badekur nicht zuträglich sein kann, wenn man sich so ganz und gar
in eine Sache vertieft und dafür begeistert. Dazu sind ja wohl die Gesell¬
schaften und Conversationen in den Bädern erfunden, wo von Vertiefung
ebensowenig die Rede ist, als von Begeisterung; vom Wetter schon mehr.
Um dem Beispiel zu folgen , will ich aber den Sommer loben, u. sagen, daß
ich mich wenig so ununterbrochen herrlicher erinnre. Können Sie denn
die schönen Tage und Abende wenigstens im Freien genießen? Wir haben
hier am Rhein, u. die beiden vorigen Monate in Frankfurt uns recht in



^ Die Aepfel warm dem Geber von einem Geschäftsfreunde aus Italien zugeschickt worden.
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[0358] unsrer Voiliebe für diese herrlichen Früchte noch erinnert haben. Wenn ich sie so dastehn sehe, ist mirs als müßte ich Herrn Voigt sehr beneiden; wo schickt denn Donizetti oder Pacini jemals einem Collegen*) so was Gutes? Nichts als Arien, die oft gar nicht gut schmecken, mit Würmern darin, keine guten frischen Aepfel dabei. Nochmals schönsten Dank; den meinigen u. den meiner Frau; heut oder morgen hoffe ich Ihnen noch mündlich dasselbe zu wiederholen. Felix Mendelssohn Bartholdy. Stets Ihr ergebener Leipzig, d. 8. Nov. 1838. , 8. Horchheim bei Coblenz den 6. Aug. 1839. Hochgeehrte Frau Diesen Morgen empfing ich durch einen Freundesbrief von Leipzig die Nachricht, daß Sie so leidend und von Krankheit heimgesucht wären, und deshalb ein Bad besuchen müßten. Ich weiß nun zwar kaum, ob diese Zeilen Sie wieder dort treffen, doch kann ichs mir nicht versagen dieselben an Sie zu richten, um Ihnen zu sagen, wie sehr herzlich leid mir die unver- muthete Botschaft von Ihrer Krankheit thut, wie ich Ihnen Besserung und Rückkehr Ihrer vorigen guten Gesundheit von Herzen wünsche. Ich war vor einigen Tagen in Ems und als ich da alle die Badegäste auf und ab spazieren sah, habe ich mir gedacht, wie langweilig ein solcher Aufenthalt für einen lebendigen Geist sein muß, und'dennoch waren die Leute zufrieden, wenn damit Genesung erkauft werden konnte; so bin ich auch überzeugt, daß Ihr jetziger Aufenthalt für Sie zwar ein sehr unangenehmer sein muß, indeß wenn er Ihnen die Gesundheit wieder bringt, und Sie neu kräftigt u. stärkt, dann lassen Sie sich gewiß die Lange und längste Weile dabei nicht leid werden. Können Sie denn wenigstens Clavier spielen? Das müßte die größte Entbehrung sür Sie sein, wenn Ihnen auch dieser Genuß versagt wäre. Und doch weiß ich nicht, ob Sie nicht vielleicht besser thäten, ihn sich für eine Zeitlang zu versagen, da es doch wohl sehr angreift und gerade bei einer Badekur nicht zuträglich sein kann, wenn man sich so ganz und gar in eine Sache vertieft und dafür begeistert. Dazu sind ja wohl die Gesell¬ schaften und Conversationen in den Bädern erfunden, wo von Vertiefung ebensowenig die Rede ist, als von Begeisterung; vom Wetter schon mehr. Um dem Beispiel zu folgen , will ich aber den Sommer loben, u. sagen, daß ich mich wenig so ununterbrochen herrlicher erinnre. Können Sie denn die schönen Tage und Abende wenigstens im Freien genießen? Wir haben hier am Rhein, u. die beiden vorigen Monate in Frankfurt uns recht in ^ Die Aepfel warm dem Geber von einem Geschäftsfreunde aus Italien zugeschickt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/358>, abgerufen am 22.12.2024.