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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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der Lösung entgegensieht. Es würde aber zu weit führen auf sie näher ein¬
zugehen und wir beschränken uns darauf sie in Erwähnung gebracht zu
h L. aben.




Die Gefreiung junger Theologen vom Militärdienst.

Allerdings hatten wir beim Beginn dieses Krieges keine Zeit, uns um
die Zukunft zu bekümmern, zunächst handelte es sich um die Anspannung
aller Kräfte für die große, die schreckliche und herrliche Gegenwart. Jetzt
aber, wo der Ausblick freier geworden und doch die warme Erregung noch
aus dem Herzen keines Deutschen wieder verflogen ist, läßt sich vielleicht am
wirksamsten der Same für künftige heilsame Entschlüsse ausstreuen. Schön
lange haben patriotische und kirchliche Männer (ich hebe das letztere Prädicat
ausdrücklich hervor) es beklagt, daß unsere jungen Theologen factisch so gut
wie ausnahmslos vom Militärdienst -- wie man sich ausdrückt -- befreit
sind. In diesem großen Jahre macht sich das Beklagenswerthe dieser Ma߬
regel, die durch keine kirchliche Noth irgendwie wirklich motivirt ist, einschnei¬
dend fühlbar. Wenigstens mir ist es persönlich nie so nahe getreten wie
diesmal. Ich erfuhr es mehrfach, wie edlere Jünglinge brannten, an dem
Kampfe Theil zu nehmen, wie sie nur ungern in ein Ersatzbataillon eintra¬
traten, weil sie fürchteten, nach vielwöchentlichem Exerciren nicht mehr in den
Kampf zu kommen. Die Armee kann sie allerdings entbehren, es fehlt un
nicht an Soldaten, und wenn diese Jünglinge, wie es wohl die meisten, die
gesunden und tüchtigen alle gethan, als Krankenpfleger im Heere arbeiten,
so nützen sie, wenn auch die Arbeit weniger lockend ist, doch vielleicht dem
Vaterlande dadurch mehr, als wenn sie ankämpfend vor dem Feinde ständen.
Insofern also könnte man höchstens Theilnahme dafür fühlen, daß diese
Jünglinge einem schönen jugendlichen Enthusiasmus, der das Leben im
Kampfe daran setzen möchte, der sie nach Männerarbeit verlangen läßt, nicht
Folge geben konnten, während doch eine zwar glanzlosere aber nicht weniger
aufopferungsvolle und nöthigere Mitarbeit ihnen offen fleht. Es handelt sich
aber doch dabei um etwas ganz anders, als um ein persönliches Entsagen;
es handelt sich um bleibende Beseitigung einer Maßregel, welche die Ehre
des geistlichen Standes, an der auch dem Vaterlande so viel gelegen sein
muß, aufs tiefste kränkt, vor Allem auch in dem Gefühl dieser jungen
Männer sie kränkt. Es handelt sich um Befreiung edlerer Gewissen innerhalb
dieser Jünglingswelt, und für die Nation auch darum, daß die Geistlichkeit
beider Kirchen in die nationalen Interessen tiefer als bisher hinein-


der Lösung entgegensieht. Es würde aber zu weit führen auf sie näher ein¬
zugehen und wir beschränken uns darauf sie in Erwähnung gebracht zu
h L. aben.




Die Gefreiung junger Theologen vom Militärdienst.

Allerdings hatten wir beim Beginn dieses Krieges keine Zeit, uns um
die Zukunft zu bekümmern, zunächst handelte es sich um die Anspannung
aller Kräfte für die große, die schreckliche und herrliche Gegenwart. Jetzt
aber, wo der Ausblick freier geworden und doch die warme Erregung noch
aus dem Herzen keines Deutschen wieder verflogen ist, läßt sich vielleicht am
wirksamsten der Same für künftige heilsame Entschlüsse ausstreuen. Schön
lange haben patriotische und kirchliche Männer (ich hebe das letztere Prädicat
ausdrücklich hervor) es beklagt, daß unsere jungen Theologen factisch so gut
wie ausnahmslos vom Militärdienst — wie man sich ausdrückt — befreit
sind. In diesem großen Jahre macht sich das Beklagenswerthe dieser Ma߬
regel, die durch keine kirchliche Noth irgendwie wirklich motivirt ist, einschnei¬
dend fühlbar. Wenigstens mir ist es persönlich nie so nahe getreten wie
diesmal. Ich erfuhr es mehrfach, wie edlere Jünglinge brannten, an dem
Kampfe Theil zu nehmen, wie sie nur ungern in ein Ersatzbataillon eintra¬
traten, weil sie fürchteten, nach vielwöchentlichem Exerciren nicht mehr in den
Kampf zu kommen. Die Armee kann sie allerdings entbehren, es fehlt un
nicht an Soldaten, und wenn diese Jünglinge, wie es wohl die meisten, die
gesunden und tüchtigen alle gethan, als Krankenpfleger im Heere arbeiten,
so nützen sie, wenn auch die Arbeit weniger lockend ist, doch vielleicht dem
Vaterlande dadurch mehr, als wenn sie ankämpfend vor dem Feinde ständen.
Insofern also könnte man höchstens Theilnahme dafür fühlen, daß diese
Jünglinge einem schönen jugendlichen Enthusiasmus, der das Leben im
Kampfe daran setzen möchte, der sie nach Männerarbeit verlangen läßt, nicht
Folge geben konnten, während doch eine zwar glanzlosere aber nicht weniger
aufopferungsvolle und nöthigere Mitarbeit ihnen offen fleht. Es handelt sich
aber doch dabei um etwas ganz anders, als um ein persönliches Entsagen;
es handelt sich um bleibende Beseitigung einer Maßregel, welche die Ehre
des geistlichen Standes, an der auch dem Vaterlande so viel gelegen sein
muß, aufs tiefste kränkt, vor Allem auch in dem Gefühl dieser jungen
Männer sie kränkt. Es handelt sich um Befreiung edlerer Gewissen innerhalb
dieser Jünglingswelt, und für die Nation auch darum, daß die Geistlichkeit
beider Kirchen in die nationalen Interessen tiefer als bisher hinein-


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[0227] der Lösung entgegensieht. Es würde aber zu weit führen auf sie näher ein¬ zugehen und wir beschränken uns darauf sie in Erwähnung gebracht zu h L. aben. Die Gefreiung junger Theologen vom Militärdienst. Allerdings hatten wir beim Beginn dieses Krieges keine Zeit, uns um die Zukunft zu bekümmern, zunächst handelte es sich um die Anspannung aller Kräfte für die große, die schreckliche und herrliche Gegenwart. Jetzt aber, wo der Ausblick freier geworden und doch die warme Erregung noch aus dem Herzen keines Deutschen wieder verflogen ist, läßt sich vielleicht am wirksamsten der Same für künftige heilsame Entschlüsse ausstreuen. Schön lange haben patriotische und kirchliche Männer (ich hebe das letztere Prädicat ausdrücklich hervor) es beklagt, daß unsere jungen Theologen factisch so gut wie ausnahmslos vom Militärdienst — wie man sich ausdrückt — befreit sind. In diesem großen Jahre macht sich das Beklagenswerthe dieser Ma߬ regel, die durch keine kirchliche Noth irgendwie wirklich motivirt ist, einschnei¬ dend fühlbar. Wenigstens mir ist es persönlich nie so nahe getreten wie diesmal. Ich erfuhr es mehrfach, wie edlere Jünglinge brannten, an dem Kampfe Theil zu nehmen, wie sie nur ungern in ein Ersatzbataillon eintra¬ traten, weil sie fürchteten, nach vielwöchentlichem Exerciren nicht mehr in den Kampf zu kommen. Die Armee kann sie allerdings entbehren, es fehlt un nicht an Soldaten, und wenn diese Jünglinge, wie es wohl die meisten, die gesunden und tüchtigen alle gethan, als Krankenpfleger im Heere arbeiten, so nützen sie, wenn auch die Arbeit weniger lockend ist, doch vielleicht dem Vaterlande dadurch mehr, als wenn sie ankämpfend vor dem Feinde ständen. Insofern also könnte man höchstens Theilnahme dafür fühlen, daß diese Jünglinge einem schönen jugendlichen Enthusiasmus, der das Leben im Kampfe daran setzen möchte, der sie nach Männerarbeit verlangen läßt, nicht Folge geben konnten, während doch eine zwar glanzlosere aber nicht weniger aufopferungsvolle und nöthigere Mitarbeit ihnen offen fleht. Es handelt sich aber doch dabei um etwas ganz anders, als um ein persönliches Entsagen; es handelt sich um bleibende Beseitigung einer Maßregel, welche die Ehre des geistlichen Standes, an der auch dem Vaterlande so viel gelegen sein muß, aufs tiefste kränkt, vor Allem auch in dem Gefühl dieser jungen Männer sie kränkt. Es handelt sich um Befreiung edlerer Gewissen innerhalb dieser Jünglingswelt, und für die Nation auch darum, daß die Geistlichkeit beider Kirchen in die nationalen Interessen tiefer als bisher hinein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/227>, abgerufen am 22.12.2024.