Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

getaucht und festerhinein gewöhnt werde. Ferner darum, daß sie, diese jungen
Theologen, die Schule eines Lebensjahres in strenger militärischer Zucht, in
unbedingtem Gehorsam, in männlicher Waffenübung und in soldatischem
Selbstgefühl und zugleich in fröhlichem und ernstem Umgange mit Kame¬
raden aller Stände nicht ferner entbehren; eine Schule, deren Bedeutung
gerade für sie nicht hoch genug angeschlagen werden kann und die überhaupt
noch lange nicht genug in ihrer Bedeutung für Alle gewürdigt wird; daß
diese angehenden Geistlichen einmal sehr energisch gezwungen werden, die
Welt um sich her mit andern als blos geistlich-kirchlichen Augen anzusehen,
so wie daß sie äußerlich und innerlich männliche Straffheit gewinnen, statt
der nur zu nahe liegenden Versuchung zu äußerer Gesalbtheit oder zu senti¬
mentaler Weichheit zu verfallen. Gerade in diesem Sommer ist es mir
stärker als je durch mehrfache besondere persönliche Berührungen deutlich ge¬
worden, daß edlere Jünglinge nicht etwa blos jetzt unter der Schmach jener
"Befreiung" leiden, sondern daß das Gefühl, den Commilitonen aus ande¬
ren Facultäten nicht für ebenbürtig zu gelten, schon seit Jahren ein bestän¬
diger Druck gewesen ist. Wenn sie von Patriotismus redeten, wurden sie
abgewiesen, als solche, die kein Recht dazu hätten; junge Philologen deute¬
ten denjenigen unter ihnen, die wahrscheinlich künftig Lehrer werden woll¬
ten, an, sie hätten sich als Theologen einschreiben lassen, nur um nicht dienen
zu müssen. Theologiestudirende dieser Art, die --> meiner Erfahrung nach --
in der Regel nicht zu dem bloßen Mittelgut gehören, die vielmehr aus
Wahrheitsstnn und aus innerer Bescheidenheit von der Aussicht auf Ueber¬
nahme eines geistlichen Amtes in ihren Jahren noch zurückschrecken und die
sich wenigstens erst größere Ausreifung erarbeiten möchten, um dann mit
voller Ueberzeugung das Evangelium predigen zu können, oder die auch
wohl den Lehrerberuf überhaupt festhalten möchten -- eben solche junge
Theologen fühlen sich vielfach in ihrem Gewissen etwas befleckt, wenn sie
jenes sogenannte Beneficium für sich gelten lassen. Nicht alle sind so ge¬
artet, wie ein junger Mann meiner Bekanntschaft, der -- wenn er jetzt auch
als Krankenträger und Krankenpfleger mithilft -- dennoch sein Jahr ad¬
dieren wird, wie es schon Andere vor ihm gethan haben. Wie hatte sich
mein junger Freund geschämt, als ihn z. B. vor einigen Jahren ein Buch¬
binder, dessen Sohn eben eintrat, gefragt hatte, wo e r denn eintreten werde,
oder ihm eine ähnliche Voraussetzung von Anderen entgegengebracht war! --
Meine Erfahrungen -- ich muß das wohl ausdrücklich bemerken -- liegen
in Bezug auf diese Frage nur auf dem Gebiete der evangelischen Kirche.
Zwar gilt was hier über die Nothwendigkeit gesagt ist. die allgemeine Wehr¬
pflicht nicht durch eine Ausnahme zu durchbrechen, die weniger als irgend
eine andere wirklich berechtigt ist, zwar gilt das sür beide Kirchen und für


getaucht und festerhinein gewöhnt werde. Ferner darum, daß sie, diese jungen
Theologen, die Schule eines Lebensjahres in strenger militärischer Zucht, in
unbedingtem Gehorsam, in männlicher Waffenübung und in soldatischem
Selbstgefühl und zugleich in fröhlichem und ernstem Umgange mit Kame¬
raden aller Stände nicht ferner entbehren; eine Schule, deren Bedeutung
gerade für sie nicht hoch genug angeschlagen werden kann und die überhaupt
noch lange nicht genug in ihrer Bedeutung für Alle gewürdigt wird; daß
diese angehenden Geistlichen einmal sehr energisch gezwungen werden, die
Welt um sich her mit andern als blos geistlich-kirchlichen Augen anzusehen,
so wie daß sie äußerlich und innerlich männliche Straffheit gewinnen, statt
der nur zu nahe liegenden Versuchung zu äußerer Gesalbtheit oder zu senti¬
mentaler Weichheit zu verfallen. Gerade in diesem Sommer ist es mir
stärker als je durch mehrfache besondere persönliche Berührungen deutlich ge¬
worden, daß edlere Jünglinge nicht etwa blos jetzt unter der Schmach jener
„Befreiung" leiden, sondern daß das Gefühl, den Commilitonen aus ande¬
ren Facultäten nicht für ebenbürtig zu gelten, schon seit Jahren ein bestän¬
diger Druck gewesen ist. Wenn sie von Patriotismus redeten, wurden sie
abgewiesen, als solche, die kein Recht dazu hätten; junge Philologen deute¬
ten denjenigen unter ihnen, die wahrscheinlich künftig Lehrer werden woll¬
ten, an, sie hätten sich als Theologen einschreiben lassen, nur um nicht dienen
zu müssen. Theologiestudirende dieser Art, die —> meiner Erfahrung nach —
in der Regel nicht zu dem bloßen Mittelgut gehören, die vielmehr aus
Wahrheitsstnn und aus innerer Bescheidenheit von der Aussicht auf Ueber¬
nahme eines geistlichen Amtes in ihren Jahren noch zurückschrecken und die
sich wenigstens erst größere Ausreifung erarbeiten möchten, um dann mit
voller Ueberzeugung das Evangelium predigen zu können, oder die auch
wohl den Lehrerberuf überhaupt festhalten möchten — eben solche junge
Theologen fühlen sich vielfach in ihrem Gewissen etwas befleckt, wenn sie
jenes sogenannte Beneficium für sich gelten lassen. Nicht alle sind so ge¬
artet, wie ein junger Mann meiner Bekanntschaft, der — wenn er jetzt auch
als Krankenträger und Krankenpfleger mithilft — dennoch sein Jahr ad¬
dieren wird, wie es schon Andere vor ihm gethan haben. Wie hatte sich
mein junger Freund geschämt, als ihn z. B. vor einigen Jahren ein Buch¬
binder, dessen Sohn eben eintrat, gefragt hatte, wo e r denn eintreten werde,
oder ihm eine ähnliche Voraussetzung von Anderen entgegengebracht war! —
Meine Erfahrungen — ich muß das wohl ausdrücklich bemerken — liegen
in Bezug auf diese Frage nur auf dem Gebiete der evangelischen Kirche.
Zwar gilt was hier über die Nothwendigkeit gesagt ist. die allgemeine Wehr¬
pflicht nicht durch eine Ausnahme zu durchbrechen, die weniger als irgend
eine andere wirklich berechtigt ist, zwar gilt das sür beide Kirchen und für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124934"/>
          <p xml:id="ID_687" prev="#ID_686" next="#ID_688"> getaucht und festerhinein gewöhnt werde. Ferner darum, daß sie, diese jungen<lb/>
Theologen, die Schule eines Lebensjahres in strenger militärischer Zucht, in<lb/>
unbedingtem Gehorsam, in männlicher Waffenübung und in soldatischem<lb/>
Selbstgefühl und zugleich in fröhlichem und ernstem Umgange mit Kame¬<lb/>
raden aller Stände nicht ferner entbehren; eine Schule, deren Bedeutung<lb/>
gerade für sie nicht hoch genug angeschlagen werden kann und die überhaupt<lb/>
noch lange nicht genug in ihrer Bedeutung für Alle gewürdigt wird; daß<lb/>
diese angehenden Geistlichen einmal sehr energisch gezwungen werden, die<lb/>
Welt um sich her mit andern als blos geistlich-kirchlichen Augen anzusehen,<lb/>
so wie daß sie äußerlich und innerlich männliche Straffheit gewinnen, statt<lb/>
der nur zu nahe liegenden Versuchung zu äußerer Gesalbtheit oder zu senti¬<lb/>
mentaler Weichheit zu verfallen. Gerade in diesem Sommer ist es mir<lb/>
stärker als je durch mehrfache besondere persönliche Berührungen deutlich ge¬<lb/>
worden, daß edlere Jünglinge nicht etwa blos jetzt unter der Schmach jener<lb/>
&#x201E;Befreiung" leiden, sondern daß das Gefühl, den Commilitonen aus ande¬<lb/>
ren Facultäten nicht für ebenbürtig zu gelten, schon seit Jahren ein bestän¬<lb/>
diger Druck gewesen ist. Wenn sie von Patriotismus redeten, wurden sie<lb/>
abgewiesen, als solche, die kein Recht dazu hätten; junge Philologen deute¬<lb/>
ten denjenigen unter ihnen, die wahrscheinlich künftig Lehrer werden woll¬<lb/>
ten, an, sie hätten sich als Theologen einschreiben lassen, nur um nicht dienen<lb/>
zu müssen. Theologiestudirende dieser Art, die &#x2014;&gt; meiner Erfahrung nach &#x2014;<lb/>
in der Regel nicht zu dem bloßen Mittelgut gehören, die vielmehr aus<lb/>
Wahrheitsstnn und aus innerer Bescheidenheit von der Aussicht auf Ueber¬<lb/>
nahme eines geistlichen Amtes in ihren Jahren noch zurückschrecken und die<lb/>
sich wenigstens erst größere Ausreifung erarbeiten möchten, um dann mit<lb/>
voller Ueberzeugung das Evangelium predigen zu können, oder die auch<lb/>
wohl den Lehrerberuf überhaupt festhalten möchten &#x2014; eben solche junge<lb/>
Theologen fühlen sich vielfach in ihrem Gewissen etwas befleckt, wenn sie<lb/>
jenes sogenannte Beneficium für sich gelten lassen. Nicht alle sind so ge¬<lb/>
artet, wie ein junger Mann meiner Bekanntschaft, der &#x2014; wenn er jetzt auch<lb/>
als Krankenträger und Krankenpfleger mithilft &#x2014; dennoch sein Jahr ad¬<lb/>
dieren wird, wie es schon Andere vor ihm gethan haben. Wie hatte sich<lb/>
mein junger Freund geschämt, als ihn z. B. vor einigen Jahren ein Buch¬<lb/>
binder, dessen Sohn eben eintrat, gefragt hatte, wo e r denn eintreten werde,<lb/>
oder ihm eine ähnliche Voraussetzung von Anderen entgegengebracht war! &#x2014;<lb/>
Meine Erfahrungen &#x2014; ich muß das wohl ausdrücklich bemerken &#x2014; liegen<lb/>
in Bezug auf diese Frage nur auf dem Gebiete der evangelischen Kirche.<lb/>
Zwar gilt was hier über die Nothwendigkeit gesagt ist. die allgemeine Wehr¬<lb/>
pflicht nicht durch eine Ausnahme zu durchbrechen, die weniger als irgend<lb/>
eine andere wirklich berechtigt ist, zwar gilt das sür beide Kirchen und für</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0228] getaucht und festerhinein gewöhnt werde. Ferner darum, daß sie, diese jungen Theologen, die Schule eines Lebensjahres in strenger militärischer Zucht, in unbedingtem Gehorsam, in männlicher Waffenübung und in soldatischem Selbstgefühl und zugleich in fröhlichem und ernstem Umgange mit Kame¬ raden aller Stände nicht ferner entbehren; eine Schule, deren Bedeutung gerade für sie nicht hoch genug angeschlagen werden kann und die überhaupt noch lange nicht genug in ihrer Bedeutung für Alle gewürdigt wird; daß diese angehenden Geistlichen einmal sehr energisch gezwungen werden, die Welt um sich her mit andern als blos geistlich-kirchlichen Augen anzusehen, so wie daß sie äußerlich und innerlich männliche Straffheit gewinnen, statt der nur zu nahe liegenden Versuchung zu äußerer Gesalbtheit oder zu senti¬ mentaler Weichheit zu verfallen. Gerade in diesem Sommer ist es mir stärker als je durch mehrfache besondere persönliche Berührungen deutlich ge¬ worden, daß edlere Jünglinge nicht etwa blos jetzt unter der Schmach jener „Befreiung" leiden, sondern daß das Gefühl, den Commilitonen aus ande¬ ren Facultäten nicht für ebenbürtig zu gelten, schon seit Jahren ein bestän¬ diger Druck gewesen ist. Wenn sie von Patriotismus redeten, wurden sie abgewiesen, als solche, die kein Recht dazu hätten; junge Philologen deute¬ ten denjenigen unter ihnen, die wahrscheinlich künftig Lehrer werden woll¬ ten, an, sie hätten sich als Theologen einschreiben lassen, nur um nicht dienen zu müssen. Theologiestudirende dieser Art, die —> meiner Erfahrung nach — in der Regel nicht zu dem bloßen Mittelgut gehören, die vielmehr aus Wahrheitsstnn und aus innerer Bescheidenheit von der Aussicht auf Ueber¬ nahme eines geistlichen Amtes in ihren Jahren noch zurückschrecken und die sich wenigstens erst größere Ausreifung erarbeiten möchten, um dann mit voller Ueberzeugung das Evangelium predigen zu können, oder die auch wohl den Lehrerberuf überhaupt festhalten möchten — eben solche junge Theologen fühlen sich vielfach in ihrem Gewissen etwas befleckt, wenn sie jenes sogenannte Beneficium für sich gelten lassen. Nicht alle sind so ge¬ artet, wie ein junger Mann meiner Bekanntschaft, der — wenn er jetzt auch als Krankenträger und Krankenpfleger mithilft — dennoch sein Jahr ad¬ dieren wird, wie es schon Andere vor ihm gethan haben. Wie hatte sich mein junger Freund geschämt, als ihn z. B. vor einigen Jahren ein Buch¬ binder, dessen Sohn eben eintrat, gefragt hatte, wo e r denn eintreten werde, oder ihm eine ähnliche Voraussetzung von Anderen entgegengebracht war! — Meine Erfahrungen — ich muß das wohl ausdrücklich bemerken — liegen in Bezug auf diese Frage nur auf dem Gebiete der evangelischen Kirche. Zwar gilt was hier über die Nothwendigkeit gesagt ist. die allgemeine Wehr¬ pflicht nicht durch eine Ausnahme zu durchbrechen, die weniger als irgend eine andere wirklich berechtigt ist, zwar gilt das sür beide Kirchen und für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/228
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/228>, abgerufen am 22.12.2024.