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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Aufwand. Daß es für das Bundesamt mindestens nicht erwünscht, seine
Zuständigkeit ungleich bemessen zu sehen, wird sich bereits ergeben, wenn die
Bundesstaaten die Entscheidung ihrer innerstaatlichen Heimathssachen dem
Bundesamt übertragen.

Der sich nicht von selbst bietende, aber erwägungswerthe Weg wäre die
Beauftragung des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofes. In unsern Gedan¬
ken sind die Schlagbäume zwischen den deutschen Staaten noch so wenig ge¬
fallen, daß der Vorschlag zuerst einer Unmöglichkeit gleichkommen wird. Man
braucht nur nach Thüringen zu blicken, um sich davon zu überzeugen, daß
gemeinschaftliche Einrichtungen, das Bestehen nicht blos eines gemeinsamen
obersten Gerichtshofes, sondern auch eines gemeinsamen Mittelgerichts, mit
der Einzelselbständigkeit wohl verträglich sind. Der sofortige Anschluß wäre
von selbst gegeben, die Beiordnung von Kennern des französischen Verwal¬
tungsrechts, wenn sie überall nöthig, leicht zu bewerkstelligen. Die äußere
Stellung des Karlsruher Gerichtshofs als Verwaltungsgerichtshof für Elsaß-
Lothringen, sowie die andern Formfragen, die sich anknüpften, wären gewiß
ohne große Schwierigkeiten zu regeln, da das bekannte nationale Verhalten
der badischen Regierung auf volles Entgegenkommen Aussicht giebt. Eher
ließe sich aus demselben das Bedenken ableiten, daß die Gründung des deut¬
schen Bundes die Betheiligung Badens am Bundesamt für das Heimaths-
Wesen zur Folge haben, daß der Karlsruher Gerichtshof dadurch einer merk¬
lichen Einschränkung seiner Thätigkeit ausgesetzt wird. Daß die Rückwirkung
auf die Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts sich bedeutend abschwächte,
liegt auf der Hand und wenn diese allgemeine Rücksicht den Ausschlag geben
könnte, wäre die Beauftragung des Bundesamtes für das Heimathswefen
ohne Zweifel vorzuziehen.

Die Organisation der untern Verwaltungsgerichte Elsaß-Lothringens wird
bei Reorganisation seiner innern Verwaltung zur Erwägung gelangen und
dann ihre endgültige Erledigung finden. Die Frage mag angedeutet werden,
ob der Präfecturalrath. der schon die Franzosen nicht befriedigt, in unsern
deutschen Verhältnissen nicht noch weit weniger befriedigen wird. Die Unter-
präfecturen wollen auf den Aussterbeetat gesetzt werden und falls dies wirk¬
lich möglich wäre, bliebe anscheinend nur der Präfect als Verwaltungsunter¬
richter übrig. Sonst ist der Unterpiäfeet unfehlbar die geeignetere Persönlich¬
keit, mag er wie in Baden unter Beiziehung von ständigen bürgerlichen
Beiräthen (Bezirksräthen) entscheiden oder unter Mitwirkung von Schöffen
Recht sprechen.

Von allgemeiner einschneidender Bedeutung ist die Frage, wie Com-
petenzeonflicte behandelt werden sollen, eine Frage, die auch in Baden noch


Aufwand. Daß es für das Bundesamt mindestens nicht erwünscht, seine
Zuständigkeit ungleich bemessen zu sehen, wird sich bereits ergeben, wenn die
Bundesstaaten die Entscheidung ihrer innerstaatlichen Heimathssachen dem
Bundesamt übertragen.

Der sich nicht von selbst bietende, aber erwägungswerthe Weg wäre die
Beauftragung des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofes. In unsern Gedan¬
ken sind die Schlagbäume zwischen den deutschen Staaten noch so wenig ge¬
fallen, daß der Vorschlag zuerst einer Unmöglichkeit gleichkommen wird. Man
braucht nur nach Thüringen zu blicken, um sich davon zu überzeugen, daß
gemeinschaftliche Einrichtungen, das Bestehen nicht blos eines gemeinsamen
obersten Gerichtshofes, sondern auch eines gemeinsamen Mittelgerichts, mit
der Einzelselbständigkeit wohl verträglich sind. Der sofortige Anschluß wäre
von selbst gegeben, die Beiordnung von Kennern des französischen Verwal¬
tungsrechts, wenn sie überall nöthig, leicht zu bewerkstelligen. Die äußere
Stellung des Karlsruher Gerichtshofs als Verwaltungsgerichtshof für Elsaß-
Lothringen, sowie die andern Formfragen, die sich anknüpften, wären gewiß
ohne große Schwierigkeiten zu regeln, da das bekannte nationale Verhalten
der badischen Regierung auf volles Entgegenkommen Aussicht giebt. Eher
ließe sich aus demselben das Bedenken ableiten, daß die Gründung des deut¬
schen Bundes die Betheiligung Badens am Bundesamt für das Heimaths-
Wesen zur Folge haben, daß der Karlsruher Gerichtshof dadurch einer merk¬
lichen Einschränkung seiner Thätigkeit ausgesetzt wird. Daß die Rückwirkung
auf die Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts sich bedeutend abschwächte,
liegt auf der Hand und wenn diese allgemeine Rücksicht den Ausschlag geben
könnte, wäre die Beauftragung des Bundesamtes für das Heimathswefen
ohne Zweifel vorzuziehen.

Die Organisation der untern Verwaltungsgerichte Elsaß-Lothringens wird
bei Reorganisation seiner innern Verwaltung zur Erwägung gelangen und
dann ihre endgültige Erledigung finden. Die Frage mag angedeutet werden,
ob der Präfecturalrath. der schon die Franzosen nicht befriedigt, in unsern
deutschen Verhältnissen nicht noch weit weniger befriedigen wird. Die Unter-
präfecturen wollen auf den Aussterbeetat gesetzt werden und falls dies wirk¬
lich möglich wäre, bliebe anscheinend nur der Präfect als Verwaltungsunter¬
richter übrig. Sonst ist der Unterpiäfeet unfehlbar die geeignetere Persönlich¬
keit, mag er wie in Baden unter Beiziehung von ständigen bürgerlichen
Beiräthen (Bezirksräthen) entscheiden oder unter Mitwirkung von Schöffen
Recht sprechen.

Von allgemeiner einschneidender Bedeutung ist die Frage, wie Com-
petenzeonflicte behandelt werden sollen, eine Frage, die auch in Baden noch


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[0226] Aufwand. Daß es für das Bundesamt mindestens nicht erwünscht, seine Zuständigkeit ungleich bemessen zu sehen, wird sich bereits ergeben, wenn die Bundesstaaten die Entscheidung ihrer innerstaatlichen Heimathssachen dem Bundesamt übertragen. Der sich nicht von selbst bietende, aber erwägungswerthe Weg wäre die Beauftragung des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofes. In unsern Gedan¬ ken sind die Schlagbäume zwischen den deutschen Staaten noch so wenig ge¬ fallen, daß der Vorschlag zuerst einer Unmöglichkeit gleichkommen wird. Man braucht nur nach Thüringen zu blicken, um sich davon zu überzeugen, daß gemeinschaftliche Einrichtungen, das Bestehen nicht blos eines gemeinsamen obersten Gerichtshofes, sondern auch eines gemeinsamen Mittelgerichts, mit der Einzelselbständigkeit wohl verträglich sind. Der sofortige Anschluß wäre von selbst gegeben, die Beiordnung von Kennern des französischen Verwal¬ tungsrechts, wenn sie überall nöthig, leicht zu bewerkstelligen. Die äußere Stellung des Karlsruher Gerichtshofs als Verwaltungsgerichtshof für Elsaß- Lothringen, sowie die andern Formfragen, die sich anknüpften, wären gewiß ohne große Schwierigkeiten zu regeln, da das bekannte nationale Verhalten der badischen Regierung auf volles Entgegenkommen Aussicht giebt. Eher ließe sich aus demselben das Bedenken ableiten, daß die Gründung des deut¬ schen Bundes die Betheiligung Badens am Bundesamt für das Heimaths- Wesen zur Folge haben, daß der Karlsruher Gerichtshof dadurch einer merk¬ lichen Einschränkung seiner Thätigkeit ausgesetzt wird. Daß die Rückwirkung auf die Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts sich bedeutend abschwächte, liegt auf der Hand und wenn diese allgemeine Rücksicht den Ausschlag geben könnte, wäre die Beauftragung des Bundesamtes für das Heimathswefen ohne Zweifel vorzuziehen. Die Organisation der untern Verwaltungsgerichte Elsaß-Lothringens wird bei Reorganisation seiner innern Verwaltung zur Erwägung gelangen und dann ihre endgültige Erledigung finden. Die Frage mag angedeutet werden, ob der Präfecturalrath. der schon die Franzosen nicht befriedigt, in unsern deutschen Verhältnissen nicht noch weit weniger befriedigen wird. Die Unter- präfecturen wollen auf den Aussterbeetat gesetzt werden und falls dies wirk¬ lich möglich wäre, bliebe anscheinend nur der Präfect als Verwaltungsunter¬ richter übrig. Sonst ist der Unterpiäfeet unfehlbar die geeignetere Persönlich¬ keit, mag er wie in Baden unter Beiziehung von ständigen bürgerlichen Beiräthen (Bezirksräthen) entscheiden oder unter Mitwirkung von Schöffen Recht sprechen. Von allgemeiner einschneidender Bedeutung ist die Frage, wie Com- petenzeonflicte behandelt werden sollen, eine Frage, die auch in Baden noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/226>, abgerufen am 22.12.2024.