Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.selten; aber Deutschland ging dem Bürger von Straßburg über alle fran¬ Als nachher eintrat, was Sleidanus abzuwenden an seinem Theile red¬ Ed. Böhmer. Uordschlesung. Die Nation scheint darüber einig zu sein, daß Elsaß und Deutsch- Etwas anders jedoch, als um den Widerstand gegen den erklärten all¬ selten; aber Deutschland ging dem Bürger von Straßburg über alle fran¬ Als nachher eintrat, was Sleidanus abzuwenden an seinem Theile red¬ Ed. Böhmer. Uordschlesung. Die Nation scheint darüber einig zu sein, daß Elsaß und Deutsch- Etwas anders jedoch, als um den Widerstand gegen den erklärten all¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124814"/> <p xml:id="ID_345" prev="#ID_344"> selten; aber Deutschland ging dem Bürger von Straßburg über alle fran¬<lb/> zösischen Sympathien.</p><lb/> <p xml:id="ID_346"> Als nachher eintrat, was Sleidanus abzuwenden an seinem Theile red¬<lb/> lich bemüht war, der Verfall des deutschen Reichs, da mußte der kräftige<lb/> französische Einheitsstaat auf das Grenzland eine Anziehung ausüben, die<lb/> nunmehr hoffentlich durch die unvergleichlich stärkere eines wiedergeborenen<lb/> Deutschlands endgiltig überwunden ist.</p><lb/> <note type="byline"> Ed. Böhmer.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Uordschlesung.</head><lb/> <p xml:id="ID_347"> Die Nation scheint darüber einig zu sein, daß Elsaß und Deutsch-<lb/> Lothringen bei der gegenwärtigen Veranlassung von den Franzosen zurück¬<lb/> genommen werden sollen. Die Parteien in Paris versichern freilich um die<lb/> Wette, um den Preis einer Gebietsabtretung niemals Frieden schließen zu<lb/> wollen, und die französischen Diplomaten, wie Fürst Latour d'Auvergne, ver¬<lb/> weigern einem Vertrage dieses Inhalts ihre Unterschrift, noch ehe man sie<lb/> darum ersucht hat. Allein solche Stimmungen sind wandelbar, und gar<lb/> manches hochmüthige Niemals wird dermalen von seinem Sprecher herunter¬<lb/> gewürgt, ohne daß er nur dabei das Gesicht verzöge. Nicht viel gefährlicher<lb/> wohl wird es um die Abgunst der neutralen Mächte stehen. Die Flamme,<lb/> welche Frankreichs Kriegserklärung so tollkühner Weise entzündet hat, flackert<lb/> zu stark und ist zu gut unterhalten, um sie nicht fürchten zu lassen, sich die<lb/> Finger zu verbrennen, wenn sie sich ihr unvorsichtig blasend näherten. Die<lb/> Einverleibung des einst geraubten, deutsch gebliebenen Gebiets kann also,<lb/> falls Gott uns ferner Sieg verleiht, fast schon so gut wie für vollzogen gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_348" next="#ID_349"> Etwas anders jedoch, als um den Widerstand gegen den erklärten all¬<lb/> gemeinen Nationalwillen steht es um die Beurtheilung dieses Acts in der<lb/> übrigen Welt. Ueber jenen mögen wir getrosten Fußes hinwegschreiten:<lb/> diese müssen wir mit Sorgfalt berücksichtigen, denn sie wird lange und nach<lb/> allen Richtungen hin nachwirken. Es läßt sich nicht leugnen, daß es mit<lb/> dem französischen Raube jener alten Reichsgebiete schon leidlich lange her ist,<lb/> und daß die Elsässer und Deutsch-Lothringer mit ganz verschwindenden<lb/> namenlosen Ausnahmen gute Franzosen sind. Ihre deutsche Mundart wird<lb/> daher schwerlich hinreichen, unbetheiligte Ausländer zu überzeugen, daß es in<lb/> Kraft des Nationalitätsprincips geschieht, wenn wir sie nöthigen, in Zu-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
selten; aber Deutschland ging dem Bürger von Straßburg über alle fran¬
zösischen Sympathien.
Als nachher eintrat, was Sleidanus abzuwenden an seinem Theile red¬
lich bemüht war, der Verfall des deutschen Reichs, da mußte der kräftige
französische Einheitsstaat auf das Grenzland eine Anziehung ausüben, die
nunmehr hoffentlich durch die unvergleichlich stärkere eines wiedergeborenen
Deutschlands endgiltig überwunden ist.
Ed. Böhmer.
Uordschlesung.
Die Nation scheint darüber einig zu sein, daß Elsaß und Deutsch-
Lothringen bei der gegenwärtigen Veranlassung von den Franzosen zurück¬
genommen werden sollen. Die Parteien in Paris versichern freilich um die
Wette, um den Preis einer Gebietsabtretung niemals Frieden schließen zu
wollen, und die französischen Diplomaten, wie Fürst Latour d'Auvergne, ver¬
weigern einem Vertrage dieses Inhalts ihre Unterschrift, noch ehe man sie
darum ersucht hat. Allein solche Stimmungen sind wandelbar, und gar
manches hochmüthige Niemals wird dermalen von seinem Sprecher herunter¬
gewürgt, ohne daß er nur dabei das Gesicht verzöge. Nicht viel gefährlicher
wohl wird es um die Abgunst der neutralen Mächte stehen. Die Flamme,
welche Frankreichs Kriegserklärung so tollkühner Weise entzündet hat, flackert
zu stark und ist zu gut unterhalten, um sie nicht fürchten zu lassen, sich die
Finger zu verbrennen, wenn sie sich ihr unvorsichtig blasend näherten. Die
Einverleibung des einst geraubten, deutsch gebliebenen Gebiets kann also,
falls Gott uns ferner Sieg verleiht, fast schon so gut wie für vollzogen gelten.
Etwas anders jedoch, als um den Widerstand gegen den erklärten all¬
gemeinen Nationalwillen steht es um die Beurtheilung dieses Acts in der
übrigen Welt. Ueber jenen mögen wir getrosten Fußes hinwegschreiten:
diese müssen wir mit Sorgfalt berücksichtigen, denn sie wird lange und nach
allen Richtungen hin nachwirken. Es läßt sich nicht leugnen, daß es mit
dem französischen Raube jener alten Reichsgebiete schon leidlich lange her ist,
und daß die Elsässer und Deutsch-Lothringer mit ganz verschwindenden
namenlosen Ausnahmen gute Franzosen sind. Ihre deutsche Mundart wird
daher schwerlich hinreichen, unbetheiligte Ausländer zu überzeugen, daß es in
Kraft des Nationalitätsprincips geschieht, wenn wir sie nöthigen, in Zu-
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