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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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tes Gebiet zu vertheidigen, das wir nicht dazu einrichten noch befestigen
könnten, das wir ehrlich an den Verträgen festhaltend immer erst nach dem
Eindringen des Gegners betreten würden; dessen zu geschweige", daß unsere
Schützlinge zum größten Theil jenen mil offenen Armen empfangen, unsere
Hilfe dagegen verwünschen würden. Doch genug von derlei Utopien!
Nehmen wir immerhin so wenig, als sich irgend mit unserer Ehre und Si¬
cherheit verträgt; aber was wir nehmen, nehmen wir wirklich, d. h. für uns
und für immer! --




Wie diplomatische Zunft.

"lainWam o vinoulis sei'MvoiimMur."

"Es handelt sich um die Wiedererstehung des deutschen Reichs, welches
fortan dem europäischen Staatensysteme vollkräftiger, im wahren Sinne des
Wortes conservativer Grundstein zu dienen die Bestimmung hat. Die Völ¬
kerschaften Europa's haben ohne Zweifel alle denselben Beruf, nämlich in
wechselseitiger Förderung und friedlicher Arbeit ihre geistige und materielle
Wohlfahrt zu erstreben und zu sichern. Es muß allmählig die Zeit kommen,
wo die Völker mehr und mehr der Kriege überdrüssig und viele Streitig¬
keiten unter sich in einer Ordnung auszutragen bestrebt sein werden, welche
die wahrhafte Civilisation erfordert. Vielleicht ist die Wiederaufrichtung des
nunmehr in verjüngter Gestalt emporstrebenden deutschen Reiches hierzu ein
erster bedeutsamer Schritt." So schreibt Otto Bohlmann (in der staatsrecht-
lich^politischen Literatur bekannt durch eine gründliche Abhandlung über die
Braunschweiger Successionsfrage) in einem dieser Tage erschienenen geist¬
vollen Schriftchen: " Die Friedensbedingungen und ihre Verwerthung"
(Berlin, Heinrich Schindler, 1870), welches wir als eine sehr beachtenswerthe
Erscheinung bezeichnen können, indem wir hinzufügen, daß dasselbe durchaus
nicht, wie ein Berliner Blatt irrig meint, officiell oder officiös ist.

Zwei Mittel, welche Herr Bohlmann nicht erwähnt (denn sie stehen aller¬
dings mit den "Fnedensbedingungen" nicht in unmittelbarem Zusammen¬
hange) würden ohne Zweifel sehr wirksam sein zur Erstrebung dieses Zieles,
nämlich eines gesicherten und dauernden europäischen Friedens. Wir meinen
erstens die Abschaffung der Berufssoldaten (Offiziere natürlich vor- und bei¬
behalten) durch Einführung der wirklichen ausnahmslosen allgemeinen Wehr¬
pflicht bei allen europäischen Nationen, und zweitens die Abschaffung der
bisherigen Diplomatenzunft. Ueber^ das erstere Mittel will ich mich hier


tes Gebiet zu vertheidigen, das wir nicht dazu einrichten noch befestigen
könnten, das wir ehrlich an den Verträgen festhaltend immer erst nach dem
Eindringen des Gegners betreten würden; dessen zu geschweige», daß unsere
Schützlinge zum größten Theil jenen mil offenen Armen empfangen, unsere
Hilfe dagegen verwünschen würden. Doch genug von derlei Utopien!
Nehmen wir immerhin so wenig, als sich irgend mit unserer Ehre und Si¬
cherheit verträgt; aber was wir nehmen, nehmen wir wirklich, d. h. für uns
und für immer! —




Wie diplomatische Zunft.

„lainWam o vinoulis sei'MvoiimMur."

„Es handelt sich um die Wiedererstehung des deutschen Reichs, welches
fortan dem europäischen Staatensysteme vollkräftiger, im wahren Sinne des
Wortes conservativer Grundstein zu dienen die Bestimmung hat. Die Völ¬
kerschaften Europa's haben ohne Zweifel alle denselben Beruf, nämlich in
wechselseitiger Förderung und friedlicher Arbeit ihre geistige und materielle
Wohlfahrt zu erstreben und zu sichern. Es muß allmählig die Zeit kommen,
wo die Völker mehr und mehr der Kriege überdrüssig und viele Streitig¬
keiten unter sich in einer Ordnung auszutragen bestrebt sein werden, welche
die wahrhafte Civilisation erfordert. Vielleicht ist die Wiederaufrichtung des
nunmehr in verjüngter Gestalt emporstrebenden deutschen Reiches hierzu ein
erster bedeutsamer Schritt." So schreibt Otto Bohlmann (in der staatsrecht-
lich^politischen Literatur bekannt durch eine gründliche Abhandlung über die
Braunschweiger Successionsfrage) in einem dieser Tage erschienenen geist¬
vollen Schriftchen: „ Die Friedensbedingungen und ihre Verwerthung"
(Berlin, Heinrich Schindler, 1870), welches wir als eine sehr beachtenswerthe
Erscheinung bezeichnen können, indem wir hinzufügen, daß dasselbe durchaus
nicht, wie ein Berliner Blatt irrig meint, officiell oder officiös ist.

Zwei Mittel, welche Herr Bohlmann nicht erwähnt (denn sie stehen aller¬
dings mit den „Fnedensbedingungen" nicht in unmittelbarem Zusammen¬
hange) würden ohne Zweifel sehr wirksam sein zur Erstrebung dieses Zieles,
nämlich eines gesicherten und dauernden europäischen Friedens. Wir meinen
erstens die Abschaffung der Berufssoldaten (Offiziere natürlich vor- und bei¬
behalten) durch Einführung der wirklichen ausnahmslosen allgemeinen Wehr¬
pflicht bei allen europäischen Nationen, und zweitens die Abschaffung der
bisherigen Diplomatenzunft. Ueber^ das erstere Mittel will ich mich hier


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/413>, abgerufen am 05.07.2024.