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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Nun kann man dem polnischen Bauer von Haus aus nicht grade
kriegerische Neigung nachsagen. Was ihn zum guten Soldaten macht, ist zu¬
nächst seine natürliche Lenkszmkeit und die harte Schule des Gehorsams, die
er früher in den Zeiten der Leibeigenschaft durchgemacht hat. Aber das reicht
doch lange nicht aus, um die Bereitwilligkeit zu erklären, womit er einer
Fahne folgt, die ihm ursprünglich eine fremde ist. Denn über die Stupidi¬
tät des blinden russischen Gehorsams ist er längst hinaus. Die Erklärung
liegt darin, daß er die preußische Herrschaft, wenn er ihr auch aus eigenem
Antrieb keine eigentliche patriotische Gesinnung entgegenbringt, doch eben
keineswegs als drückendes Joch empfindet. Wie er auch unter der altge¬
wohnten Führung seiner Geistlichen und Edelleute bei den Wahlen zu un¬
seren politischen Körperschaften anscheinendes Mißvergnügen bethätigen möge:
im Innersten ist er mit seiner Lage doch wohlzufrieden und ohne Hinterge¬
danken dient er mit den Waffen dem Staate, welchem er eine sittliche
Heimath, die Möglichkeit menschenwürdiger Entwicklung verdankt. --

Ihr Correspondent steht aufs neue im Begriff, mit seinen Landsgenossen
ins Feld zu ziehen; einem Feinde entgegen, der zu allen Zeiten mit der Sym¬
pathie der Polen gebuhlt und sie zu allen Zeiten ritterlich im Stich gelassen
hat. Kehre ich heim, dann sollen Sie aus der Fortsetzung dieser Skizzen
auch erfahren, ob die alten Locklieder der Franzosen, die vermuthlich wieder
angestimmt werden, noch immer Berführungskraft haben, oder ob -- was ich
voraussehe -- die Erinnerung an die Moral der früheren Versuche Frank¬
reichs unsere braven polnischen Regimenter vielmehr angespornt hat, desto
herzhafter dreinzuschlagen. --




Was zweite Kaiserreich im Lichte der französischen Geschichte
Schreibung.
III. Die Presse.

Die Präfecten, von deren Verwendung bei den Wahlen im zweiten
Kaiserreich wir im vorigen Artikel sprachen, werden von der subventionirten
Presse weidlich unterstützt. Sie können durch dieses saubere Mundstück
Manches sagen, was im officiellen Ukas den Herren Wählern zu Gemüthe
zu führen die "Würde" nicht erlaubt.


bürgen kann -- die erste Ansprache des Herrn L. sei durch lebhafte Angriffe auf seine Feldflasche
und seine Speisevorräthe unterbrochen worden, und der durch seine Jovialität sehr beliebte Herr
habe dem Verlangen nach leiblicher Stärkung auch bereitwillig entsprochen.

Nun kann man dem polnischen Bauer von Haus aus nicht grade
kriegerische Neigung nachsagen. Was ihn zum guten Soldaten macht, ist zu¬
nächst seine natürliche Lenkszmkeit und die harte Schule des Gehorsams, die
er früher in den Zeiten der Leibeigenschaft durchgemacht hat. Aber das reicht
doch lange nicht aus, um die Bereitwilligkeit zu erklären, womit er einer
Fahne folgt, die ihm ursprünglich eine fremde ist. Denn über die Stupidi¬
tät des blinden russischen Gehorsams ist er längst hinaus. Die Erklärung
liegt darin, daß er die preußische Herrschaft, wenn er ihr auch aus eigenem
Antrieb keine eigentliche patriotische Gesinnung entgegenbringt, doch eben
keineswegs als drückendes Joch empfindet. Wie er auch unter der altge¬
wohnten Führung seiner Geistlichen und Edelleute bei den Wahlen zu un¬
seren politischen Körperschaften anscheinendes Mißvergnügen bethätigen möge:
im Innersten ist er mit seiner Lage doch wohlzufrieden und ohne Hinterge¬
danken dient er mit den Waffen dem Staate, welchem er eine sittliche
Heimath, die Möglichkeit menschenwürdiger Entwicklung verdankt. —

Ihr Correspondent steht aufs neue im Begriff, mit seinen Landsgenossen
ins Feld zu ziehen; einem Feinde entgegen, der zu allen Zeiten mit der Sym¬
pathie der Polen gebuhlt und sie zu allen Zeiten ritterlich im Stich gelassen
hat. Kehre ich heim, dann sollen Sie aus der Fortsetzung dieser Skizzen
auch erfahren, ob die alten Locklieder der Franzosen, die vermuthlich wieder
angestimmt werden, noch immer Berführungskraft haben, oder ob — was ich
voraussehe — die Erinnerung an die Moral der früheren Versuche Frank¬
reichs unsere braven polnischen Regimenter vielmehr angespornt hat, desto
herzhafter dreinzuschlagen. —




Was zweite Kaiserreich im Lichte der französischen Geschichte
Schreibung.
III. Die Presse.

Die Präfecten, von deren Verwendung bei den Wahlen im zweiten
Kaiserreich wir im vorigen Artikel sprachen, werden von der subventionirten
Presse weidlich unterstützt. Sie können durch dieses saubere Mundstück
Manches sagen, was im officiellen Ukas den Herren Wählern zu Gemüthe
zu führen die „Würde" nicht erlaubt.


bürgen kann — die erste Ansprache des Herrn L. sei durch lebhafte Angriffe auf seine Feldflasche
und seine Speisevorräthe unterbrochen worden, und der durch seine Jovialität sehr beliebte Herr
habe dem Verlangen nach leiblicher Stärkung auch bereitwillig entsprochen.
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[0222] Nun kann man dem polnischen Bauer von Haus aus nicht grade kriegerische Neigung nachsagen. Was ihn zum guten Soldaten macht, ist zu¬ nächst seine natürliche Lenkszmkeit und die harte Schule des Gehorsams, die er früher in den Zeiten der Leibeigenschaft durchgemacht hat. Aber das reicht doch lange nicht aus, um die Bereitwilligkeit zu erklären, womit er einer Fahne folgt, die ihm ursprünglich eine fremde ist. Denn über die Stupidi¬ tät des blinden russischen Gehorsams ist er längst hinaus. Die Erklärung liegt darin, daß er die preußische Herrschaft, wenn er ihr auch aus eigenem Antrieb keine eigentliche patriotische Gesinnung entgegenbringt, doch eben keineswegs als drückendes Joch empfindet. Wie er auch unter der altge¬ wohnten Führung seiner Geistlichen und Edelleute bei den Wahlen zu un¬ seren politischen Körperschaften anscheinendes Mißvergnügen bethätigen möge: im Innersten ist er mit seiner Lage doch wohlzufrieden und ohne Hinterge¬ danken dient er mit den Waffen dem Staate, welchem er eine sittliche Heimath, die Möglichkeit menschenwürdiger Entwicklung verdankt. — Ihr Correspondent steht aufs neue im Begriff, mit seinen Landsgenossen ins Feld zu ziehen; einem Feinde entgegen, der zu allen Zeiten mit der Sym¬ pathie der Polen gebuhlt und sie zu allen Zeiten ritterlich im Stich gelassen hat. Kehre ich heim, dann sollen Sie aus der Fortsetzung dieser Skizzen auch erfahren, ob die alten Locklieder der Franzosen, die vermuthlich wieder angestimmt werden, noch immer Berführungskraft haben, oder ob — was ich voraussehe — die Erinnerung an die Moral der früheren Versuche Frank¬ reichs unsere braven polnischen Regimenter vielmehr angespornt hat, desto herzhafter dreinzuschlagen. — Was zweite Kaiserreich im Lichte der französischen Geschichte Schreibung. III. Die Presse. Die Präfecten, von deren Verwendung bei den Wahlen im zweiten Kaiserreich wir im vorigen Artikel sprachen, werden von der subventionirten Presse weidlich unterstützt. Sie können durch dieses saubere Mundstück Manches sagen, was im officiellen Ukas den Herren Wählern zu Gemüthe zu führen die „Würde" nicht erlaubt. bürgen kann — die erste Ansprache des Herrn L. sei durch lebhafte Angriffe auf seine Feldflasche und seine Speisevorräthe unterbrochen worden, und der durch seine Jovialität sehr beliebte Herr habe dem Verlangen nach leiblicher Stärkung auch bereitwillig entsprochen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/222>, abgerufen am 05.07.2024.