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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Das "Journal de Tam" beleuchtet in sehr gelungener Weise das Prin¬
cip der offiziellen Candidaturen. Nach seiner Ansicht verleiht die Designation
der Regierung dem Triumphe der ehrenwerthen Candidaten einen größeren
Glanz. Sie empfangen von der Regierung ihre hauptsächlichste Stärke und
werden die Basalten derselben.

Nachdem der "Memorial de la Creuze" mitgetheilt, daß Se. Excellenz
der Cultusminister der Schule auf Empfehlung des bisherigen Abgeordneten
Herrn Sallandrouze de Lamornaix 3000 Fr. bewilligt hat, spricht er die
süße Zuversicht aus, daß Herr Sallandrouze in wenigen Tagen ein neues
glänzendes Zeugniß des Vertrauens, der Achtung und der Zuneigung seiner
Mitbürger empfangen wird. -- Den Herrn Lescuyer d'Attainville empfiehlt
der "Var" mit Rücksicht auf einen Straßenbau, dem von Seiten der In¬
genieure Hindernisse in den Weg gelegt werden. Aber ein Anwalt, wie der
genannte Herr, werde ohne Zweifel dem Interesse der Bevölkerung den Sieg
verschaffen.

Dem in Ungnade gefallenen Montalembert tritt in der Franche-Comte
der Marquis von Conegltaro gegenüber: nachdem das offizielle Blatt dem
abtrünnigen Montalembert gehörig den Text gelesen, schließt es: "Denen,
welche die Ansprüche des Herrn Marquis von Conegliaro einer Erörterung
unterziehen wollen, werden wir nur das Eine antworten: Wenn man die
Ehre hat, der Enkel des Marschall Moncey zu sein, kann man sich mit Ver¬
trauen den Wählern der Franche-Comte vorstellen."

Herr Braine hat sich den Wählern als unabhängig vorgestellt. In die¬
sem veralteten Beiwort fleht das "Memorial de Lille" eine beleidigende Anti¬
these für seine officiellen Mitbewerber. Ist Herr Braine wirklich ein An¬
hänger der Regierungspolitik, so muß er sich eines Schrittes enthalten, der
einem Oppositionsversuch ähnlich sehen und der Regierung, wenn nicht ernst¬
liche Hindernisse, doch Verlust bereiten muß.

Daß Herr Philippon sür den gesetzgebenden Körper die Initiative für
Gesetzesvorschläge und ein weiteres Feld sür die Discussion fordert, wird als
ein Versuch bezeichnet, uns genau in die gefährliche Lage zurückzuversetzen,
aus welcher der 2. Dezember uns so glücklich befreit hat.

Wehe den Unglücklichen, die im Bewußtsein ihrer Ergebenheit es
wagen, sich den Wählern als Regierungscandidaten vorzustellen, ohne aus¬
drücklich dazu ermächtigt zu sein. Gegen sie kennt die amtliche Presse
keine Schonung und mit der der Größe ihres Vergehens angemessenen Bit¬
terkeit oder in dem pedantisch officiellen Schulmeisterton, der die Feder
des gestrengen Präfecten verräth, werden sie in ihr Nichts zurückgeschleudert
und pflegen nach erhaltener Lection selbst auf ihre Candidatur zu verzichten,


28*

Das „Journal de Tam" beleuchtet in sehr gelungener Weise das Prin¬
cip der offiziellen Candidaturen. Nach seiner Ansicht verleiht die Designation
der Regierung dem Triumphe der ehrenwerthen Candidaten einen größeren
Glanz. Sie empfangen von der Regierung ihre hauptsächlichste Stärke und
werden die Basalten derselben.

Nachdem der „Memorial de la Creuze" mitgetheilt, daß Se. Excellenz
der Cultusminister der Schule auf Empfehlung des bisherigen Abgeordneten
Herrn Sallandrouze de Lamornaix 3000 Fr. bewilligt hat, spricht er die
süße Zuversicht aus, daß Herr Sallandrouze in wenigen Tagen ein neues
glänzendes Zeugniß des Vertrauens, der Achtung und der Zuneigung seiner
Mitbürger empfangen wird. — Den Herrn Lescuyer d'Attainville empfiehlt
der „Var" mit Rücksicht auf einen Straßenbau, dem von Seiten der In¬
genieure Hindernisse in den Weg gelegt werden. Aber ein Anwalt, wie der
genannte Herr, werde ohne Zweifel dem Interesse der Bevölkerung den Sieg
verschaffen.

Dem in Ungnade gefallenen Montalembert tritt in der Franche-Comte
der Marquis von Conegltaro gegenüber: nachdem das offizielle Blatt dem
abtrünnigen Montalembert gehörig den Text gelesen, schließt es: „Denen,
welche die Ansprüche des Herrn Marquis von Conegliaro einer Erörterung
unterziehen wollen, werden wir nur das Eine antworten: Wenn man die
Ehre hat, der Enkel des Marschall Moncey zu sein, kann man sich mit Ver¬
trauen den Wählern der Franche-Comte vorstellen."

Herr Braine hat sich den Wählern als unabhängig vorgestellt. In die¬
sem veralteten Beiwort fleht das „Memorial de Lille" eine beleidigende Anti¬
these für seine officiellen Mitbewerber. Ist Herr Braine wirklich ein An¬
hänger der Regierungspolitik, so muß er sich eines Schrittes enthalten, der
einem Oppositionsversuch ähnlich sehen und der Regierung, wenn nicht ernst¬
liche Hindernisse, doch Verlust bereiten muß.

Daß Herr Philippon sür den gesetzgebenden Körper die Initiative für
Gesetzesvorschläge und ein weiteres Feld sür die Discussion fordert, wird als
ein Versuch bezeichnet, uns genau in die gefährliche Lage zurückzuversetzen,
aus welcher der 2. Dezember uns so glücklich befreit hat.

Wehe den Unglücklichen, die im Bewußtsein ihrer Ergebenheit es
wagen, sich den Wählern als Regierungscandidaten vorzustellen, ohne aus¬
drücklich dazu ermächtigt zu sein. Gegen sie kennt die amtliche Presse
keine Schonung und mit der der Größe ihres Vergehens angemessenen Bit¬
terkeit oder in dem pedantisch officiellen Schulmeisterton, der die Feder
des gestrengen Präfecten verräth, werden sie in ihr Nichts zurückgeschleudert
und pflegen nach erhaltener Lection selbst auf ihre Candidatur zu verzichten,


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[0223] Das „Journal de Tam" beleuchtet in sehr gelungener Weise das Prin¬ cip der offiziellen Candidaturen. Nach seiner Ansicht verleiht die Designation der Regierung dem Triumphe der ehrenwerthen Candidaten einen größeren Glanz. Sie empfangen von der Regierung ihre hauptsächlichste Stärke und werden die Basalten derselben. Nachdem der „Memorial de la Creuze" mitgetheilt, daß Se. Excellenz der Cultusminister der Schule auf Empfehlung des bisherigen Abgeordneten Herrn Sallandrouze de Lamornaix 3000 Fr. bewilligt hat, spricht er die süße Zuversicht aus, daß Herr Sallandrouze in wenigen Tagen ein neues glänzendes Zeugniß des Vertrauens, der Achtung und der Zuneigung seiner Mitbürger empfangen wird. — Den Herrn Lescuyer d'Attainville empfiehlt der „Var" mit Rücksicht auf einen Straßenbau, dem von Seiten der In¬ genieure Hindernisse in den Weg gelegt werden. Aber ein Anwalt, wie der genannte Herr, werde ohne Zweifel dem Interesse der Bevölkerung den Sieg verschaffen. Dem in Ungnade gefallenen Montalembert tritt in der Franche-Comte der Marquis von Conegltaro gegenüber: nachdem das offizielle Blatt dem abtrünnigen Montalembert gehörig den Text gelesen, schließt es: „Denen, welche die Ansprüche des Herrn Marquis von Conegliaro einer Erörterung unterziehen wollen, werden wir nur das Eine antworten: Wenn man die Ehre hat, der Enkel des Marschall Moncey zu sein, kann man sich mit Ver¬ trauen den Wählern der Franche-Comte vorstellen." Herr Braine hat sich den Wählern als unabhängig vorgestellt. In die¬ sem veralteten Beiwort fleht das „Memorial de Lille" eine beleidigende Anti¬ these für seine officiellen Mitbewerber. Ist Herr Braine wirklich ein An¬ hänger der Regierungspolitik, so muß er sich eines Schrittes enthalten, der einem Oppositionsversuch ähnlich sehen und der Regierung, wenn nicht ernst¬ liche Hindernisse, doch Verlust bereiten muß. Daß Herr Philippon sür den gesetzgebenden Körper die Initiative für Gesetzesvorschläge und ein weiteres Feld sür die Discussion fordert, wird als ein Versuch bezeichnet, uns genau in die gefährliche Lage zurückzuversetzen, aus welcher der 2. Dezember uns so glücklich befreit hat. Wehe den Unglücklichen, die im Bewußtsein ihrer Ergebenheit es wagen, sich den Wählern als Regierungscandidaten vorzustellen, ohne aus¬ drücklich dazu ermächtigt zu sein. Gegen sie kennt die amtliche Presse keine Schonung und mit der der Größe ihres Vergehens angemessenen Bit¬ terkeit oder in dem pedantisch officiellen Schulmeisterton, der die Feder des gestrengen Präfecten verräth, werden sie in ihr Nichts zurückgeschleudert und pflegen nach erhaltener Lection selbst auf ihre Candidatur zu verzichten, 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/223>, abgerufen am 05.07.2024.