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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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um die Deutschen nicht allzusehr gegen die Fremden zu benachtheiligen. Auch
hierin ist der Entwurf ein mühsamer Compromiß aus einem harten Kampf
entgegenstehender Interessen und in allen Hauptsachen unendlich besser, als
die ungenügenden Bestimmungen, welche bis jetzt den Musikalien- und Kunst¬
handel fast rechtlos machten.

Die Annahme des unveränderten Gesetzentwurfs durch den Reichstag
wäre für das gesammte Verkehrswesen der Literatur und Kunst ein sehr
großer Gewinn, ein Amendiren einzelner Bestimmungen würde wahrschein¬
lich den ganzen systematischen Aufbau verderben. Deshalb wird hier in ge¬
ziemendem Respect der innige Wunsch ausgesprochen, daß es dem Reichstag
gefallen möge, ausnahmsweise einmal den Entwurf, sowie er vorliegt zum
,
G. F. Gesetz machen zu helfen,




Die badische Frage vor dem Reichstag.

In den ersten Wochen wollte es dem Reichstage nicht recht glücken.
Auf einem großen Theil der Versammlung.lastete in Folge der übermäßigen
Anstrengung durch den preußischen Landtag die Ermüdung. Es war nicht
zu verwundern, daß die Mitglieder nicht sogleich in beschlußfähiger Anzahl
erschienen, denn viele, welche den Winter über im Landtage gearbeitet hatten,
benutzten die Eröffnungswoche, um für einige Tage für Familie und Privat¬
interessen zu sorgen. Die Zumuthungen, welche der neue Staat seinen poli¬
schen Männern stellt, überschreiten zur Zeit noch das Maß gewöhnlicher guter
Leistungsfähigkeit. Und wir blicken mit einer Theilnahme, die nicht ohne
Besorgniß ist, auf die Gefahren, welche durch die unablässige Beschäftigung
mit den verschiedensten Materien der Gesetzgebung auch starker Lebenskraft
bereitet werden. Die frische Production der Redner, Sammlung der Be¬
rathenden und eingehende Würdigung des Details werden kaum noch durch¬
gesetzt. Wir sind freilich auch ebenso innig überzeugt, daß alle diese Arbeit
doch gethan werden muß, und daß jede Stockung in dem System der Bundes¬
gesetzgebung ein ungeheurer Schade für den Staat wäre.

Auch der Antrag Lasters, welcher bezweckte, der badischen Regierung
Anerkennung ihrer bundesmäßigen Haltung auszusprechen und die Aufnahme
Badens in den Bund zu fördern, fand nicht die Behandlung, welche bei einer
politischen Frage von so eminenter Bedeutung zu wünschen war, ja es steht
zu besorgen, daß das Resultat für die badische Regierung selbst nachtheilig
werden wird. Wollte man nur einer bundesfreundlichen Regierung wohl¬
thun, so mußte man, wie die Persönlichkeit unseres Bundeskanzlers einmal
ist, denselben vorher von dem Antrage in Kenntniß setzen; wollte man den
Bundeskanzler selbst in der Mainsrage vorwärts zu drängen suchen, so mußte
man ebenfalls sorgfältig vermeiden, was sein Selbstgefühl kränken und seine
große Reizbarkeit herausfordern konnte; wollte man endlich eine ernsthafte
Kritik seiner Politik üben, so mußte man, auf alle Folgen vorbereitet, mit
größeren Mitteln und besseren Argumenten ins Feld ziehen. Graf Bismarck
ist nicht durch kleine Nadelstiche von seinem Wege abzuführen. In jedem
Falle durste am Ende der Debatte nicht der ganze Antrag, nur der letzte
Theil zurückgezogen werden, das Resultat der Verhandlung mußte ein Dank¬
votum des Reichstags für die bundestreue Haltung Badens werden.


um die Deutschen nicht allzusehr gegen die Fremden zu benachtheiligen. Auch
hierin ist der Entwurf ein mühsamer Compromiß aus einem harten Kampf
entgegenstehender Interessen und in allen Hauptsachen unendlich besser, als
die ungenügenden Bestimmungen, welche bis jetzt den Musikalien- und Kunst¬
handel fast rechtlos machten.

Die Annahme des unveränderten Gesetzentwurfs durch den Reichstag
wäre für das gesammte Verkehrswesen der Literatur und Kunst ein sehr
großer Gewinn, ein Amendiren einzelner Bestimmungen würde wahrschein¬
lich den ganzen systematischen Aufbau verderben. Deshalb wird hier in ge¬
ziemendem Respect der innige Wunsch ausgesprochen, daß es dem Reichstag
gefallen möge, ausnahmsweise einmal den Entwurf, sowie er vorliegt zum
,
G. F. Gesetz machen zu helfen,




Die badische Frage vor dem Reichstag.

In den ersten Wochen wollte es dem Reichstage nicht recht glücken.
Auf einem großen Theil der Versammlung.lastete in Folge der übermäßigen
Anstrengung durch den preußischen Landtag die Ermüdung. Es war nicht
zu verwundern, daß die Mitglieder nicht sogleich in beschlußfähiger Anzahl
erschienen, denn viele, welche den Winter über im Landtage gearbeitet hatten,
benutzten die Eröffnungswoche, um für einige Tage für Familie und Privat¬
interessen zu sorgen. Die Zumuthungen, welche der neue Staat seinen poli¬
schen Männern stellt, überschreiten zur Zeit noch das Maß gewöhnlicher guter
Leistungsfähigkeit. Und wir blicken mit einer Theilnahme, die nicht ohne
Besorgniß ist, auf die Gefahren, welche durch die unablässige Beschäftigung
mit den verschiedensten Materien der Gesetzgebung auch starker Lebenskraft
bereitet werden. Die frische Production der Redner, Sammlung der Be¬
rathenden und eingehende Würdigung des Details werden kaum noch durch¬
gesetzt. Wir sind freilich auch ebenso innig überzeugt, daß alle diese Arbeit
doch gethan werden muß, und daß jede Stockung in dem System der Bundes¬
gesetzgebung ein ungeheurer Schade für den Staat wäre.

Auch der Antrag Lasters, welcher bezweckte, der badischen Regierung
Anerkennung ihrer bundesmäßigen Haltung auszusprechen und die Aufnahme
Badens in den Bund zu fördern, fand nicht die Behandlung, welche bei einer
politischen Frage von so eminenter Bedeutung zu wünschen war, ja es steht
zu besorgen, daß das Resultat für die badische Regierung selbst nachtheilig
werden wird. Wollte man nur einer bundesfreundlichen Regierung wohl¬
thun, so mußte man, wie die Persönlichkeit unseres Bundeskanzlers einmal
ist, denselben vorher von dem Antrage in Kenntniß setzen; wollte man den
Bundeskanzler selbst in der Mainsrage vorwärts zu drängen suchen, so mußte
man ebenfalls sorgfältig vermeiden, was sein Selbstgefühl kränken und seine
große Reizbarkeit herausfordern konnte; wollte man endlich eine ernsthafte
Kritik seiner Politik üben, so mußte man, auf alle Folgen vorbereitet, mit
größeren Mitteln und besseren Argumenten ins Feld ziehen. Graf Bismarck
ist nicht durch kleine Nadelstiche von seinem Wege abzuführen. In jedem
Falle durste am Ende der Debatte nicht der ganze Antrag, nur der letzte
Theil zurückgezogen werden, das Resultat der Verhandlung mußte ein Dank¬
votum des Reichstags für die bundestreue Haltung Badens werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/404>, abgerufen am 26.06.2024.