Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.deutschen Verfassung am Schluß des "Blick aus der Zeit aus die Zeit" Uns aber in diesem Land, dieser Stadt, diesem Schloß, wo uns die Er¬
K. W. Nitzsch. Wie deutsche Rechtswissenschaft und die nationale Gesetzgebung. staatsrechtliche und strafrechtliche Erörterungen zu dem amtlichen Entwurf eines Die Staats- und Rechtsentwickelung des norddeutschen Bundes hat er¬ deutschen Verfassung am Schluß des „Blick aus der Zeit aus die Zeit" Uns aber in diesem Land, dieser Stadt, diesem Schloß, wo uns die Er¬
K. W. Nitzsch. Wie deutsche Rechtswissenschaft und die nationale Gesetzgebung. staatsrechtliche und strafrechtliche Erörterungen zu dem amtlichen Entwurf eines Die Staats- und Rechtsentwickelung des norddeutschen Bundes hat er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0380" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123468"/> <p xml:id="ID_1091" prev="#ID_1090"> deutschen Verfassung am Schluß des „Blick aus der Zeit aus die Zeit"<lb/> aussprach.</p><lb/> <p xml:id="ID_1092"> Uns aber in diesem Land, dieser Stadt, diesem Schloß, wo uns die Er¬<lb/> innerung an jene Wunderthaten des „Geheimen und Unbegreiflichen" so un¬<lb/> mittelbar und unwiderstehlich entgegentreten, uns geziemt es, in dem Ge¬<lb/> dächtniß dieses Mannes zugleich und vor Allem die Zuversicht zu dem Beruf<lb/> unseres Staats und Volks zu stärken und zu erneuen und mahnend klingen<lb/> in unser Ohr die Worte eines seiner letzten Gedichte:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Seid stark im Lieben, werdet schwach im Hassen,<lb/> So wird Gott seine Deutschen nicht verlassen.</l> </lg> </quote><lb/> <note type="byline"> K. W. Nitzsch.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Wie deutsche Rechtswissenschaft und die nationale Gesetzgebung.</head><lb/> <p xml:id="ID_1093"> staatsrechtliche und strafrechtliche Erörterungen zu dem amtlichen Entwurf eines<lb/> Strafgesetzbuches für den norddeutschen Bund von Professor Dr. C. F. R. Heinze.<lb/> Leipzig 1870. I. M. Gebhardt's Verlag.</p><lb/> <p xml:id="ID_1094"> Die Staats- und Rechtsentwickelung des norddeutschen Bundes hat er¬<lb/> sichtlich der deutschen Rechtswissenschaft eine nicht gerade beneidenswerthe<lb/> Position geschaffen. Vielleicht würde selbst Professor Zöpfl eher seinen Frie¬<lb/> den mit der jüngsten deutschen Geschichte finden, könnte er auch nur daran<lb/> denken, unser Bundesstaatsrecht in ein „vernünftiges" Compendium unter¬<lb/> zubringen. Aber an einem so verschlungenen Werdeproceß zum nationalen<lb/> Einheitsstaat, wie wir ihn zur Zeit durchleben und durchkämpfen, scheitert<lb/> schließlich jeder doctrinäre -Versuch der Formulirung und Systemattsirung.<lb/> Da ist wenig, was sich begrifflich bestimmen und methodisch ordnen läßt,<lb/> was sich nicht in stetiger Bewegung und Fortbildung befindet. Die Bundes¬<lb/> verfassung mag noch geraume Zeit dieselben fragmentarischen Züge behalten,<lb/> welche ihr der 16. April 1867 verliehen hat: der reale Inhalt der Bundes¬<lb/> gewalt und der particulären Souveränetätsrechte wandelt sich täglich und<lb/> stündlich in bestimmter Richtung vorwärts. Jede Session des Reichstags<lb/> bezeichnet eine neue Phase in der Rechtsgeschichte unseres bundesstaatlichen<lb/> Gesammtlebens, verändert die eigentliche Physiognomie der öffentlichen Dinge.<lb/> „Wie eine Kugel auf scharfer Kante wohl rollen, doch nicht stehen kann, so<lb/> vermag dieser Bund nur durch stetige Fortbewegung sich im Gleichgewicht<lb/> zu erhalten" (Treitschke).</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0380]
deutschen Verfassung am Schluß des „Blick aus der Zeit aus die Zeit"
aussprach.
Uns aber in diesem Land, dieser Stadt, diesem Schloß, wo uns die Er¬
innerung an jene Wunderthaten des „Geheimen und Unbegreiflichen" so un¬
mittelbar und unwiderstehlich entgegentreten, uns geziemt es, in dem Ge¬
dächtniß dieses Mannes zugleich und vor Allem die Zuversicht zu dem Beruf
unseres Staats und Volks zu stärken und zu erneuen und mahnend klingen
in unser Ohr die Worte eines seiner letzten Gedichte:
Seid stark im Lieben, werdet schwach im Hassen,
So wird Gott seine Deutschen nicht verlassen.
K. W. Nitzsch.
Wie deutsche Rechtswissenschaft und die nationale Gesetzgebung.
staatsrechtliche und strafrechtliche Erörterungen zu dem amtlichen Entwurf eines
Strafgesetzbuches für den norddeutschen Bund von Professor Dr. C. F. R. Heinze.
Leipzig 1870. I. M. Gebhardt's Verlag.
Die Staats- und Rechtsentwickelung des norddeutschen Bundes hat er¬
sichtlich der deutschen Rechtswissenschaft eine nicht gerade beneidenswerthe
Position geschaffen. Vielleicht würde selbst Professor Zöpfl eher seinen Frie¬
den mit der jüngsten deutschen Geschichte finden, könnte er auch nur daran
denken, unser Bundesstaatsrecht in ein „vernünftiges" Compendium unter¬
zubringen. Aber an einem so verschlungenen Werdeproceß zum nationalen
Einheitsstaat, wie wir ihn zur Zeit durchleben und durchkämpfen, scheitert
schließlich jeder doctrinäre -Versuch der Formulirung und Systemattsirung.
Da ist wenig, was sich begrifflich bestimmen und methodisch ordnen läßt,
was sich nicht in stetiger Bewegung und Fortbildung befindet. Die Bundes¬
verfassung mag noch geraume Zeit dieselben fragmentarischen Züge behalten,
welche ihr der 16. April 1867 verliehen hat: der reale Inhalt der Bundes¬
gewalt und der particulären Souveränetätsrechte wandelt sich täglich und
stündlich in bestimmter Richtung vorwärts. Jede Session des Reichstags
bezeichnet eine neue Phase in der Rechtsgeschichte unseres bundesstaatlichen
Gesammtlebens, verändert die eigentliche Physiognomie der öffentlichen Dinge.
„Wie eine Kugel auf scharfer Kante wohl rollen, doch nicht stehen kann, so
vermag dieser Bund nur durch stetige Fortbewegung sich im Gleichgewicht
zu erhalten" (Treitschke).
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