Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.Das Hazardspiel in Rumänien. Seit einigen Jahren ist eine fieberhafte Spielwuth an Stelle der glück¬ Das Gesetz verbietet das Spiel öffentlich zu betreiben; aber die ru¬ Das Hazardspiel ist wie in den europäischen Staaten so auch in der Das Hazardspiel in Rumänien. Seit einigen Jahren ist eine fieberhafte Spielwuth an Stelle der glück¬ Das Gesetz verbietet das Spiel öffentlich zu betreiben; aber die ru¬ Das Hazardspiel ist wie in den europäischen Staaten so auch in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123432"/> </div> <div n="1"> <head> Das Hazardspiel in Rumänien. </head><lb/> <p xml:id="ID_951"> Seit einigen Jahren ist eine fieberhafte Spielwuth an Stelle der glück¬<lb/> lich überwundenen Pestepidemie hier eingebürgert, und hebt die auf Mäßig¬<lb/> keit angelegte rumänische Natur aus ihrem Gleichgewichte. Was in andern<lb/> Ländern das Börsen- und Lottospiel, das ist hier das Kartenspiel, dem alles<lb/> ohne Unterschied des Geschlechtes. Standes und Alters fröhnt. das alles<lb/> geistige Leben ertödtet und die fürchterlichsten Verheerungen unter den Fa¬<lb/> milien anrichtet. Es ist dieses Uebel in Mark und Blut der Rumänen über¬<lb/> gangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_952"> Das Gesetz verbietet das Spiel öffentlich zu betreiben; aber die ru¬<lb/> mänischen Gesetze sind zum großen Theile bloße Kundgebungen, die als<lb/> Cabinetsstücke in den Archiven unbeachtet liegen. Wer sollte sie denn auch<lb/> vollziehen? Der rumänische Beamte gewiß nicht. Wie die Erfahrung lehrt<lb/> sind gerade die Organe, welche über das Spiel zu wachen haben, diejenigen,<lb/> die daraus den größtmöglichster Nutzen für sich zu ziehen suchen, — die also<lb/> das Uebel nur noch fördern. Die deutsche Regierung vielleicht? Die jetzige<lb/> Judenverfolgung, die überraschend auf die frühere Toleranz gefolgt ist, kann<lb/> dieser deutschen Regierung den Maßstab geben, was sie hier zu erwarten<lb/> hat. Man nimmt das nationale Element angeblich gegen die Juden in<lb/> Schutz, d. h. man zeigt an den Juden, wie man es mit den eingewanderten<lb/> Ausländern überhaupt hält. Wie jene nach gethanener Arbeit fortgeschickt<lb/> werden, so bedient man sich der letztern und läßt sie gewähren, weil man sie<lb/> noch braucht und weil man gegen diese nicht so wie gegen jene freie Hand<lb/> hat; aber man stellt das nationale Element ihnen feindlich gegenüber, und da¬<lb/> gegen wird die deutsche Regierung, wie in Griechenland, nichts vermögen. Die<lb/> Deutschen werden aus privaten Wegen allerdings mit der Zeit gewisse Re¬<lb/> sultate erzielen, in ostensibler Weise aber sich an der Regierung nicht be¬<lb/> sonders betheiligen dürfen; so wird das nationale Element mit allen seinen<lb/> Eigenthümlichkeiten sich selbständig entwickeln, um eine der sonderbarsten In¬<lb/> dividualitäten in der großen europäischen Völkerfamilie zu bilden.</p><lb/> <p xml:id="ID_953" next="#ID_954"> Das Hazardspiel ist wie in den europäischen Staaten so auch in der<lb/> Türkei strengstens verpönt, und man muß es der türkischen Polizei nach¬<lb/> sagen, daß sie in Constantinopel wie in allen größeren Emporien der Levante<lb/> diesem Uebel mit vollem Erfolge begegnet. In der türkischen Hauptstadt ver¬<lb/> kriecht sich das Spiel in die fränkischen außerhalb der eigentlichen Stadt liegen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
Das Hazardspiel in Rumänien.
Seit einigen Jahren ist eine fieberhafte Spielwuth an Stelle der glück¬
lich überwundenen Pestepidemie hier eingebürgert, und hebt die auf Mäßig¬
keit angelegte rumänische Natur aus ihrem Gleichgewichte. Was in andern
Ländern das Börsen- und Lottospiel, das ist hier das Kartenspiel, dem alles
ohne Unterschied des Geschlechtes. Standes und Alters fröhnt. das alles
geistige Leben ertödtet und die fürchterlichsten Verheerungen unter den Fa¬
milien anrichtet. Es ist dieses Uebel in Mark und Blut der Rumänen über¬
gangen.
Das Gesetz verbietet das Spiel öffentlich zu betreiben; aber die ru¬
mänischen Gesetze sind zum großen Theile bloße Kundgebungen, die als
Cabinetsstücke in den Archiven unbeachtet liegen. Wer sollte sie denn auch
vollziehen? Der rumänische Beamte gewiß nicht. Wie die Erfahrung lehrt
sind gerade die Organe, welche über das Spiel zu wachen haben, diejenigen,
die daraus den größtmöglichster Nutzen für sich zu ziehen suchen, — die also
das Uebel nur noch fördern. Die deutsche Regierung vielleicht? Die jetzige
Judenverfolgung, die überraschend auf die frühere Toleranz gefolgt ist, kann
dieser deutschen Regierung den Maßstab geben, was sie hier zu erwarten
hat. Man nimmt das nationale Element angeblich gegen die Juden in
Schutz, d. h. man zeigt an den Juden, wie man es mit den eingewanderten
Ausländern überhaupt hält. Wie jene nach gethanener Arbeit fortgeschickt
werden, so bedient man sich der letztern und läßt sie gewähren, weil man sie
noch braucht und weil man gegen diese nicht so wie gegen jene freie Hand
hat; aber man stellt das nationale Element ihnen feindlich gegenüber, und da¬
gegen wird die deutsche Regierung, wie in Griechenland, nichts vermögen. Die
Deutschen werden aus privaten Wegen allerdings mit der Zeit gewisse Re¬
sultate erzielen, in ostensibler Weise aber sich an der Regierung nicht be¬
sonders betheiligen dürfen; so wird das nationale Element mit allen seinen
Eigenthümlichkeiten sich selbständig entwickeln, um eine der sonderbarsten In¬
dividualitäten in der großen europäischen Völkerfamilie zu bilden.
Das Hazardspiel ist wie in den europäischen Staaten so auch in der
Türkei strengstens verpönt, und man muß es der türkischen Polizei nach¬
sagen, daß sie in Constantinopel wie in allen größeren Emporien der Levante
diesem Uebel mit vollem Erfolge begegnet. In der türkischen Hauptstadt ver¬
kriecht sich das Spiel in die fränkischen außerhalb der eigentlichen Stadt liegen-
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