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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Commynes, der doch zu den begünstigen Ministern Ludwigs XI. gehörte
hatte mit seinem staatsmännischen Scharfblick erkannt, daß es rechtmäßig und
äußerst vortheilhaft für den Herrscher sei, die Stände zur Mitwirkung an
den Staatsangelegenheiten zu berufen: die parlamentarischen Institutionen
Englands nannte er uns eliosö Mes et sainets, und in Sachen der Steuer¬
bewilligung, dieses Angelpunktes aller ständischen Gerechtsame, rief er mit
Emphase aus: Steuern eigenmächtig erheben, esse Zrg-ut t^rannio. Und wie
er diese Ideen im französischen Staate zu verwirklichen suchte, haben wir bei
der Erwähnung der Reichsstände vom Jahre 1484 gesehen.

Ludwig XI. hat nun zwar zuweilen in inneren Angelegenheiten sich
den Provinzialständen und vornehmlich den Bürgerschaften äußerst günstig
erwiesen, jedoch nur, um auch auf diese Weise die Macht der großen Va¬
sallen einzuschränken; von reichsständischen Rechten dagegen, die seine politi¬
sche Selbstbestimmung geschmälert hätten, hat er nichts wissen wollen. Er
hat, soviel an ihm lag, die absolutistische Willkürherrschaft des französischen
Königthums begründet und Commynes hat ihn dabei mit Wort und That
unterstützt, hat dieses System trotz seiner Achtung vor ständischen Rechte als
Minister und als Verkündiger jener listigen Staatskunst gefördert.

So sind Ludwig XI. und Commynes für die Gestaltung Frankreichs in
den Hauptrichtungen des staatlichen Lebens überaus wichtig geworden. Denn
trotz manches Vorausgegangenen und manches später Folgenden sind da¬
mals die Hauptschritte geschehen, durch welche das einheitliche und absolu¬
tistische Frankreich begründet worden ist. Hierin liegt sowohl die Stärke
wie die Schwäche der damaligen Entwickelung. Denn das geeinte Frank¬
reich vermochte nun zwar Herrscher von Glanz und Kraft wie Franz I. und
Ludwig XIV. zu erzeugen, aber die launenhafte Willkür und der harte Des¬
potismus, zu denen das französische Königthum in der gleichen Zeit kam,
unterhöhlten den Boden, auf dem dasselbe stand, füllten die Unterthanen
mit wachsender Erbitterung und riefen schließlich gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts jene furchtbare Krisis hervor, deren Nachwehen, in auf- und
abwogenden Revolutionen und Reactionen, noch heute den französischen
Staat erschüttern.




Die Mitrailleur und Gatling-Geschiitze.

Seit dem Feldzuge von 1866 ist ein Bestreben der meisten Staaten,
die Feuerwirkung der Infanterie zu erhöhen und namentlich -- den preußi¬
schen Gewehren gegenüber -- das starke Defensivfeucr des Hinterladers


Commynes, der doch zu den begünstigen Ministern Ludwigs XI. gehörte
hatte mit seinem staatsmännischen Scharfblick erkannt, daß es rechtmäßig und
äußerst vortheilhaft für den Herrscher sei, die Stände zur Mitwirkung an
den Staatsangelegenheiten zu berufen: die parlamentarischen Institutionen
Englands nannte er uns eliosö Mes et sainets, und in Sachen der Steuer¬
bewilligung, dieses Angelpunktes aller ständischen Gerechtsame, rief er mit
Emphase aus: Steuern eigenmächtig erheben, esse Zrg-ut t^rannio. Und wie
er diese Ideen im französischen Staate zu verwirklichen suchte, haben wir bei
der Erwähnung der Reichsstände vom Jahre 1484 gesehen.

Ludwig XI. hat nun zwar zuweilen in inneren Angelegenheiten sich
den Provinzialständen und vornehmlich den Bürgerschaften äußerst günstig
erwiesen, jedoch nur, um auch auf diese Weise die Macht der großen Va¬
sallen einzuschränken; von reichsständischen Rechten dagegen, die seine politi¬
sche Selbstbestimmung geschmälert hätten, hat er nichts wissen wollen. Er
hat, soviel an ihm lag, die absolutistische Willkürherrschaft des französischen
Königthums begründet und Commynes hat ihn dabei mit Wort und That
unterstützt, hat dieses System trotz seiner Achtung vor ständischen Rechte als
Minister und als Verkündiger jener listigen Staatskunst gefördert.

So sind Ludwig XI. und Commynes für die Gestaltung Frankreichs in
den Hauptrichtungen des staatlichen Lebens überaus wichtig geworden. Denn
trotz manches Vorausgegangenen und manches später Folgenden sind da¬
mals die Hauptschritte geschehen, durch welche das einheitliche und absolu¬
tistische Frankreich begründet worden ist. Hierin liegt sowohl die Stärke
wie die Schwäche der damaligen Entwickelung. Denn das geeinte Frank¬
reich vermochte nun zwar Herrscher von Glanz und Kraft wie Franz I. und
Ludwig XIV. zu erzeugen, aber die launenhafte Willkür und der harte Des¬
potismus, zu denen das französische Königthum in der gleichen Zeit kam,
unterhöhlten den Boden, auf dem dasselbe stand, füllten die Unterthanen
mit wachsender Erbitterung und riefen schließlich gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts jene furchtbare Krisis hervor, deren Nachwehen, in auf- und
abwogenden Revolutionen und Reactionen, noch heute den französischen
Staat erschüttern.




Die Mitrailleur und Gatling-Geschiitze.

Seit dem Feldzuge von 1866 ist ein Bestreben der meisten Staaten,
die Feuerwirkung der Infanterie zu erhöhen und namentlich — den preußi¬
schen Gewehren gegenüber — das starke Defensivfeucr des Hinterladers


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[0304] Commynes, der doch zu den begünstigen Ministern Ludwigs XI. gehörte hatte mit seinem staatsmännischen Scharfblick erkannt, daß es rechtmäßig und äußerst vortheilhaft für den Herrscher sei, die Stände zur Mitwirkung an den Staatsangelegenheiten zu berufen: die parlamentarischen Institutionen Englands nannte er uns eliosö Mes et sainets, und in Sachen der Steuer¬ bewilligung, dieses Angelpunktes aller ständischen Gerechtsame, rief er mit Emphase aus: Steuern eigenmächtig erheben, esse Zrg-ut t^rannio. Und wie er diese Ideen im französischen Staate zu verwirklichen suchte, haben wir bei der Erwähnung der Reichsstände vom Jahre 1484 gesehen. Ludwig XI. hat nun zwar zuweilen in inneren Angelegenheiten sich den Provinzialständen und vornehmlich den Bürgerschaften äußerst günstig erwiesen, jedoch nur, um auch auf diese Weise die Macht der großen Va¬ sallen einzuschränken; von reichsständischen Rechten dagegen, die seine politi¬ sche Selbstbestimmung geschmälert hätten, hat er nichts wissen wollen. Er hat, soviel an ihm lag, die absolutistische Willkürherrschaft des französischen Königthums begründet und Commynes hat ihn dabei mit Wort und That unterstützt, hat dieses System trotz seiner Achtung vor ständischen Rechte als Minister und als Verkündiger jener listigen Staatskunst gefördert. So sind Ludwig XI. und Commynes für die Gestaltung Frankreichs in den Hauptrichtungen des staatlichen Lebens überaus wichtig geworden. Denn trotz manches Vorausgegangenen und manches später Folgenden sind da¬ mals die Hauptschritte geschehen, durch welche das einheitliche und absolu¬ tistische Frankreich begründet worden ist. Hierin liegt sowohl die Stärke wie die Schwäche der damaligen Entwickelung. Denn das geeinte Frank¬ reich vermochte nun zwar Herrscher von Glanz und Kraft wie Franz I. und Ludwig XIV. zu erzeugen, aber die launenhafte Willkür und der harte Des¬ potismus, zu denen das französische Königthum in der gleichen Zeit kam, unterhöhlten den Boden, auf dem dasselbe stand, füllten die Unterthanen mit wachsender Erbitterung und riefen schließlich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts jene furchtbare Krisis hervor, deren Nachwehen, in auf- und abwogenden Revolutionen und Reactionen, noch heute den französischen Staat erschüttern. Die Mitrailleur und Gatling-Geschiitze. Seit dem Feldzuge von 1866 ist ein Bestreben der meisten Staaten, die Feuerwirkung der Infanterie zu erhöhen und namentlich — den preußi¬ schen Gewehren gegenüber — das starke Defensivfeucr des Hinterladers

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/304>, abgerufen am 26.06.2024.