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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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darum handeln, eine genaue Kenntniß der päpstlichen Vorlagen zu erlangen und
zunächst einmal den status causas et eontroveiÄae genauer festzustellen, als
dies bisher möglich war. Es werden hierauf Verhandlungen zwischen den
Staaten untereinander stattzufinden haben, um die gemeinsamen Beschwerde¬
puncte zu eruiren, und der Schluß wird darin bestehen, diese der päpstlichen
Curie kunvzugeben und mit ihr in Unterhandlungen zu treten. Auch wird
es am Platze sein, diejenigen Schritte jetzt schon ins Auge zu fassen, welche
sich als durch das eventuelle Scheitern dieser Verhandlungen nothwendig gewor¬
den herausstellen würden. Allerdings könnten die Staaten, gestützt auf viele
Präcedenzfälle verlangen, daß ihren Abgesandten berathende Stimme auf dem
Concil eingeräumt werde. Allein es ist kaum glaublich, daß irgend eine
Regierung von diesem unbestreitbaren Rechte Gebrauch machen werde, weil
dies eine Anerkennung und Unterordnung unter das Concil wäre und einer
Assimilirung zu ähnlich sähe. Der gewöhnliche diplomatische Weg wird sich,
vorausgesetzt, daß eine gemeinsame Aaron der Regierungen überhaupt zu
Stande kommt, wohl als hinreichend erweisen.

Von diesen Gesichtspuncten aus dürften die Schritte des bayrischen Mi¬
nisteriums der ultramontanen Presse nicht mehr so lächerlich wie vor einigen
Wochen vorkommen, denn Preußen und Italien haben ihre Zustimmung
in der Hauptsache bereits erklärt. Allerdings wird sich ein vollständiger Erfolg
nur dann hoffen lassen, wenn Frankreich von der Partie ist: nicht nur weil
Napoleon durch die Occupation den größten Einfluß aus Rom hat, sondern
weil der Papst in ihm noch immer den mächtigsten und ergebensten Sohn
der Kirche erblickt. Der Kaiser hat gelegentlich des Jahrestages der Schlacht
von Solferino zu seinen Soldaten gesagt: Unsere Kriege sind die Fortschritte
der Civilisation gewesen. Nun, der Felezug gegen die Uebergriffe der päpst¬
lichen Curie und gegen den dort herrschenden Jesuitismus wäre so gewiß ein
Fortschritt in der Civilisation, wie die Säuberung Italiens von den
Oestreichern!




Das Oberhaus und die irische Kirche.

Die große Debatte des Oberhauses über die Zukunft der irischen Staats-
kirche hat nicht nur den oratorischen Ruhm der Lords auf die höchste Stufe
erhoben, sondern auch ihre politische Bedeutung aufs Neue in das vortheil¬
hafteste Licht gestellt. Nach der vorigjährigen Verwerfung der susnensor?
Lili und der Erklärung der Parteiversammlungen conservativer Peers, glaubte


darum handeln, eine genaue Kenntniß der päpstlichen Vorlagen zu erlangen und
zunächst einmal den status causas et eontroveiÄae genauer festzustellen, als
dies bisher möglich war. Es werden hierauf Verhandlungen zwischen den
Staaten untereinander stattzufinden haben, um die gemeinsamen Beschwerde¬
puncte zu eruiren, und der Schluß wird darin bestehen, diese der päpstlichen
Curie kunvzugeben und mit ihr in Unterhandlungen zu treten. Auch wird
es am Platze sein, diejenigen Schritte jetzt schon ins Auge zu fassen, welche
sich als durch das eventuelle Scheitern dieser Verhandlungen nothwendig gewor¬
den herausstellen würden. Allerdings könnten die Staaten, gestützt auf viele
Präcedenzfälle verlangen, daß ihren Abgesandten berathende Stimme auf dem
Concil eingeräumt werde. Allein es ist kaum glaublich, daß irgend eine
Regierung von diesem unbestreitbaren Rechte Gebrauch machen werde, weil
dies eine Anerkennung und Unterordnung unter das Concil wäre und einer
Assimilirung zu ähnlich sähe. Der gewöhnliche diplomatische Weg wird sich,
vorausgesetzt, daß eine gemeinsame Aaron der Regierungen überhaupt zu
Stande kommt, wohl als hinreichend erweisen.

Von diesen Gesichtspuncten aus dürften die Schritte des bayrischen Mi¬
nisteriums der ultramontanen Presse nicht mehr so lächerlich wie vor einigen
Wochen vorkommen, denn Preußen und Italien haben ihre Zustimmung
in der Hauptsache bereits erklärt. Allerdings wird sich ein vollständiger Erfolg
nur dann hoffen lassen, wenn Frankreich von der Partie ist: nicht nur weil
Napoleon durch die Occupation den größten Einfluß aus Rom hat, sondern
weil der Papst in ihm noch immer den mächtigsten und ergebensten Sohn
der Kirche erblickt. Der Kaiser hat gelegentlich des Jahrestages der Schlacht
von Solferino zu seinen Soldaten gesagt: Unsere Kriege sind die Fortschritte
der Civilisation gewesen. Nun, der Felezug gegen die Uebergriffe der päpst¬
lichen Curie und gegen den dort herrschenden Jesuitismus wäre so gewiß ein
Fortschritt in der Civilisation, wie die Säuberung Italiens von den
Oestreichern!




Das Oberhaus und die irische Kirche.

Die große Debatte des Oberhauses über die Zukunft der irischen Staats-
kirche hat nicht nur den oratorischen Ruhm der Lords auf die höchste Stufe
erhoben, sondern auch ihre politische Bedeutung aufs Neue in das vortheil¬
hafteste Licht gestellt. Nach der vorigjährigen Verwerfung der susnensor?
Lili und der Erklärung der Parteiversammlungen conservativer Peers, glaubte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/74>, abgerufen am 28.06.2024.