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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Krieg gegen die neuen Heereseinrichtungen im Süden vergegenwärtigt, so
ist der Schluß unvermeidlich, daß die Bande, welche bis jetzt über den
Main geschlagen sind, die Zollvereins- und Allianzverträge, das äußerste Maß
von Einheit sind, das im Augenblick der Süden in seiner Gesammtheit erträgt.
Ob unter der sichtbaren Oberfläche von Mißtrauen, Empfindlichkeit und be¬
schränktem Eigensinn sich doch noch ein gesunder Kern von nationaler Gesin¬
nung erhalten hat, müßte sich erst in einer ernstlichen Krisis zeigen. In¬
zwischen aber ist das Zollparlament mit seinen überaus nüchternen Geschäften
eine ebenso heilsame Schule für den Süden, wie die preußische Wehrversassnng.
Denn jenes bäumt die Gewohnheit der Phrase zurück, wie diese mit der
Zeit ein männliches Geschlecht erziehen und ebenso das verlorene Selbstgefühl
wie das Bewußtsein von der Einheit der Nation wiederherstellen wird.


7-


Bas Concil und die bayrische Regierung.

Es verlautet in der letzten Zeit mehrfach von Schritten, welche die bay¬
rische Regierung bei den katholischen und paritätischen Staaten Europas ge¬
than haben soll, um dieselben zu gemeinsamen Schutzmaßregeln gegen die
Beschlüsse des künstigen Concils zu bewegen. Gefahren, welche dem Staate
von Seiten eines allgemeinen kirchlichen Concils drohen sollen, liegen dem
Geiste des 19. Jahrhunderts etwas fern ab. Mehr als drei Jahrhunderte
sind vergangen seit das langgezogene "anatlrema, 8it" des Concils von
Trient, des letzten allgemeinen (ökumenischen) Concils die im Glauben ge¬
spaltene Welt durchklang und den großen Zwiespalt des 16. Jahrhunderts
besiegelte. Von da ab hören wir nur noch von sporadisch abgehaltenen
Provinzial-Synoden, bis mit Anfang unseres Jahrhunderts auch diese ver¬
schwinden.

Das Concil von Trient war Jahrzehnte lang von der ganzen christ¬
lichen Welt, insbesondere von Kaiser und Reich sehnlichst herbeigewünscht
worden, da man der durch den Religionssrieden von Nürnberg und Passau
und durch das Interim geschaffenen Provisorien müde war. Dagegen
hatten die damaligen Päpste alle Minen springen lassen, um das Zusammen¬
kommen dieser Versammlung zu verhindern. Jetzt will der Papst ein Concil,
während die Laienwelt nicht das geringste Bedürfniß darnach verspürt, ja


Krieg gegen die neuen Heereseinrichtungen im Süden vergegenwärtigt, so
ist der Schluß unvermeidlich, daß die Bande, welche bis jetzt über den
Main geschlagen sind, die Zollvereins- und Allianzverträge, das äußerste Maß
von Einheit sind, das im Augenblick der Süden in seiner Gesammtheit erträgt.
Ob unter der sichtbaren Oberfläche von Mißtrauen, Empfindlichkeit und be¬
schränktem Eigensinn sich doch noch ein gesunder Kern von nationaler Gesin¬
nung erhalten hat, müßte sich erst in einer ernstlichen Krisis zeigen. In¬
zwischen aber ist das Zollparlament mit seinen überaus nüchternen Geschäften
eine ebenso heilsame Schule für den Süden, wie die preußische Wehrversassnng.
Denn jenes bäumt die Gewohnheit der Phrase zurück, wie diese mit der
Zeit ein männliches Geschlecht erziehen und ebenso das verlorene Selbstgefühl
wie das Bewußtsein von der Einheit der Nation wiederherstellen wird.


7-


Bas Concil und die bayrische Regierung.

Es verlautet in der letzten Zeit mehrfach von Schritten, welche die bay¬
rische Regierung bei den katholischen und paritätischen Staaten Europas ge¬
than haben soll, um dieselben zu gemeinsamen Schutzmaßregeln gegen die
Beschlüsse des künstigen Concils zu bewegen. Gefahren, welche dem Staate
von Seiten eines allgemeinen kirchlichen Concils drohen sollen, liegen dem
Geiste des 19. Jahrhunderts etwas fern ab. Mehr als drei Jahrhunderte
sind vergangen seit das langgezogene „anatlrema, 8it" des Concils von
Trient, des letzten allgemeinen (ökumenischen) Concils die im Glauben ge¬
spaltene Welt durchklang und den großen Zwiespalt des 16. Jahrhunderts
besiegelte. Von da ab hören wir nur noch von sporadisch abgehaltenen
Provinzial-Synoden, bis mit Anfang unseres Jahrhunderts auch diese ver¬
schwinden.

Das Concil von Trient war Jahrzehnte lang von der ganzen christ¬
lichen Welt, insbesondere von Kaiser und Reich sehnlichst herbeigewünscht
worden, da man der durch den Religionssrieden von Nürnberg und Passau
und durch das Interim geschaffenen Provisorien müde war. Dagegen
hatten die damaligen Päpste alle Minen springen lassen, um das Zusammen¬
kommen dieser Versammlung zu verhindern. Jetzt will der Papst ein Concil,
während die Laienwelt nicht das geringste Bedürfniß darnach verspürt, ja


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[0070] Krieg gegen die neuen Heereseinrichtungen im Süden vergegenwärtigt, so ist der Schluß unvermeidlich, daß die Bande, welche bis jetzt über den Main geschlagen sind, die Zollvereins- und Allianzverträge, das äußerste Maß von Einheit sind, das im Augenblick der Süden in seiner Gesammtheit erträgt. Ob unter der sichtbaren Oberfläche von Mißtrauen, Empfindlichkeit und be¬ schränktem Eigensinn sich doch noch ein gesunder Kern von nationaler Gesin¬ nung erhalten hat, müßte sich erst in einer ernstlichen Krisis zeigen. In¬ zwischen aber ist das Zollparlament mit seinen überaus nüchternen Geschäften eine ebenso heilsame Schule für den Süden, wie die preußische Wehrversassnng. Denn jenes bäumt die Gewohnheit der Phrase zurück, wie diese mit der Zeit ein männliches Geschlecht erziehen und ebenso das verlorene Selbstgefühl wie das Bewußtsein von der Einheit der Nation wiederherstellen wird. 7- Bas Concil und die bayrische Regierung. Es verlautet in der letzten Zeit mehrfach von Schritten, welche die bay¬ rische Regierung bei den katholischen und paritätischen Staaten Europas ge¬ than haben soll, um dieselben zu gemeinsamen Schutzmaßregeln gegen die Beschlüsse des künstigen Concils zu bewegen. Gefahren, welche dem Staate von Seiten eines allgemeinen kirchlichen Concils drohen sollen, liegen dem Geiste des 19. Jahrhunderts etwas fern ab. Mehr als drei Jahrhunderte sind vergangen seit das langgezogene „anatlrema, 8it" des Concils von Trient, des letzten allgemeinen (ökumenischen) Concils die im Glauben ge¬ spaltene Welt durchklang und den großen Zwiespalt des 16. Jahrhunderts besiegelte. Von da ab hören wir nur noch von sporadisch abgehaltenen Provinzial-Synoden, bis mit Anfang unseres Jahrhunderts auch diese ver¬ schwinden. Das Concil von Trient war Jahrzehnte lang von der ganzen christ¬ lichen Welt, insbesondere von Kaiser und Reich sehnlichst herbeigewünscht worden, da man der durch den Religionssrieden von Nürnberg und Passau und durch das Interim geschaffenen Provisorien müde war. Dagegen hatten die damaligen Päpste alle Minen springen lassen, um das Zusammen¬ kommen dieser Versammlung zu verhindern. Jetzt will der Papst ein Concil, während die Laienwelt nicht das geringste Bedürfniß darnach verspürt, ja

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/70>, abgerufen am 28.06.2024.