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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Briefe, durch diesen hoffe ich etwas von Ihnen zu hören. Hier ist noch
alles beim alten, es heißet die Wurmsersche Armee bedaure sehr den ohn¬
überlegten Schritt, den man ihr hat machen lassen: der General machte seiner
Armee weiß, der Herzog tournire die Linien, während er sie von vorne an¬
griff; die Unwahrheit dieses Romans wird ihn hoffentlich in sein rechtes Licht
bey Hofe und bey seinen eigenen Leuten stellen. So geht es in der Welt, wenn
alles bey der Hand ist, um den Endzweck zu erfüllen. so hemmt ein Nichts
die Wirkung aller Kräfte. Das Glück ist ein Weib-----*). Vate.


C. A.
9. Carl August an Carl Friedrich.

Theuerster Freund! Den schmerzhaften Verlust, welchen ich am 6thu dieses
Nachmittags erlitten habe, werden Ew.Durchl. schon zu Edinkhofen**) gehört
haben; mein Bruder starb an der Entkräftung, welche ihm die Ruhr zurück¬
ließ und die ein Nervenfieber hervorbrachte: 'der geschickte Regimentschirur-
gus von Element versuchte umsonst alle Mittel, um ihn zu retten. Alle
Plane, Hoffnungen und Aussichten des Verstorbenen, die durch die jetzigen
Zeitläufe entstanden waren, wurden mit einmal abgeschnitten und mir ein
Verhältniß zerrissen, dessen Zerstörung mir um so mehr empfindlich fiel, da
die Gewohnheit mich an diesen einzigen ganz nahen Verwandten feste ge¬
knüpft hatte: die Folgen dieses Zufalls erschrecken mich, wenn ich sie be¬
trachte, da der Verstorbene zärtlich von meiner Mutter geliebt wurde, die
nicht erwartete, einen ihrer zwei Söhne zu überleben.

Recht sehr bedaure ich, Sie theuerster Freund, in Edinkhoven nicht ge¬
sehen zu haben; ein anderer Augenblick wird mir hoffentlich günstiger sein.
In die Fortdauer Ihrer Freundschaft empfehle ich mich und verbleibe mit
dem Gefühle der reinsten Verehrung und Anhänglichkeit


Ew. Durchl.
treuer Diener und Vetter

Pirmasens d. 10. Sept. 1793.


Carl Aug.
10. Carl August an Carl Friedrich.

Theuerster Freund! Ich sehe vollkommen die bedenkliche Lage ein
in der die Verfassung von Deutschland gegenwärtig schwebt und ich fühle
ganz die Nothwendigkeit, alle Mittel aufzubieten, um Religion. Ordnung
und wahre Freyheit unter dem Schutz der Gesetze zu erhalten. Ich mußte
mich also allerdings über den Inhalt Ihres Schreibens vom 9. Oct., sowie




-) Durchaus nicht mitzutheilende Schilderung des Eigensinns der Fortuna.
-) Edenkoben in der Rheinpfalz.

Briefe, durch diesen hoffe ich etwas von Ihnen zu hören. Hier ist noch
alles beim alten, es heißet die Wurmsersche Armee bedaure sehr den ohn¬
überlegten Schritt, den man ihr hat machen lassen: der General machte seiner
Armee weiß, der Herzog tournire die Linien, während er sie von vorne an¬
griff; die Unwahrheit dieses Romans wird ihn hoffentlich in sein rechtes Licht
bey Hofe und bey seinen eigenen Leuten stellen. So geht es in der Welt, wenn
alles bey der Hand ist, um den Endzweck zu erfüllen. so hemmt ein Nichts
die Wirkung aller Kräfte. Das Glück ist ein Weib-----*). Vate.


C. A.
9. Carl August an Carl Friedrich.

Theuerster Freund! Den schmerzhaften Verlust, welchen ich am 6thu dieses
Nachmittags erlitten habe, werden Ew.Durchl. schon zu Edinkhofen**) gehört
haben; mein Bruder starb an der Entkräftung, welche ihm die Ruhr zurück¬
ließ und die ein Nervenfieber hervorbrachte: 'der geschickte Regimentschirur-
gus von Element versuchte umsonst alle Mittel, um ihn zu retten. Alle
Plane, Hoffnungen und Aussichten des Verstorbenen, die durch die jetzigen
Zeitläufe entstanden waren, wurden mit einmal abgeschnitten und mir ein
Verhältniß zerrissen, dessen Zerstörung mir um so mehr empfindlich fiel, da
die Gewohnheit mich an diesen einzigen ganz nahen Verwandten feste ge¬
knüpft hatte: die Folgen dieses Zufalls erschrecken mich, wenn ich sie be¬
trachte, da der Verstorbene zärtlich von meiner Mutter geliebt wurde, die
nicht erwartete, einen ihrer zwei Söhne zu überleben.

Recht sehr bedaure ich, Sie theuerster Freund, in Edinkhoven nicht ge¬
sehen zu haben; ein anderer Augenblick wird mir hoffentlich günstiger sein.
In die Fortdauer Ihrer Freundschaft empfehle ich mich und verbleibe mit
dem Gefühle der reinsten Verehrung und Anhänglichkeit


Ew. Durchl.
treuer Diener und Vetter

Pirmasens d. 10. Sept. 1793.


Carl Aug.
10. Carl August an Carl Friedrich.

Theuerster Freund! Ich sehe vollkommen die bedenkliche Lage ein
in der die Verfassung von Deutschland gegenwärtig schwebt und ich fühle
ganz die Nothwendigkeit, alle Mittel aufzubieten, um Religion. Ordnung
und wahre Freyheit unter dem Schutz der Gesetze zu erhalten. Ich mußte
mich also allerdings über den Inhalt Ihres Schreibens vom 9. Oct., sowie




-) Durchaus nicht mitzutheilende Schilderung des Eigensinns der Fortuna.
-) Edenkoben in der Rheinpfalz.
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[0055] Briefe, durch diesen hoffe ich etwas von Ihnen zu hören. Hier ist noch alles beim alten, es heißet die Wurmsersche Armee bedaure sehr den ohn¬ überlegten Schritt, den man ihr hat machen lassen: der General machte seiner Armee weiß, der Herzog tournire die Linien, während er sie von vorne an¬ griff; die Unwahrheit dieses Romans wird ihn hoffentlich in sein rechtes Licht bey Hofe und bey seinen eigenen Leuten stellen. So geht es in der Welt, wenn alles bey der Hand ist, um den Endzweck zu erfüllen. so hemmt ein Nichts die Wirkung aller Kräfte. Das Glück ist ein Weib-----*). Vate. C. A. 9. Carl August an Carl Friedrich. Theuerster Freund! Den schmerzhaften Verlust, welchen ich am 6thu dieses Nachmittags erlitten habe, werden Ew.Durchl. schon zu Edinkhofen**) gehört haben; mein Bruder starb an der Entkräftung, welche ihm die Ruhr zurück¬ ließ und die ein Nervenfieber hervorbrachte: 'der geschickte Regimentschirur- gus von Element versuchte umsonst alle Mittel, um ihn zu retten. Alle Plane, Hoffnungen und Aussichten des Verstorbenen, die durch die jetzigen Zeitläufe entstanden waren, wurden mit einmal abgeschnitten und mir ein Verhältniß zerrissen, dessen Zerstörung mir um so mehr empfindlich fiel, da die Gewohnheit mich an diesen einzigen ganz nahen Verwandten feste ge¬ knüpft hatte: die Folgen dieses Zufalls erschrecken mich, wenn ich sie be¬ trachte, da der Verstorbene zärtlich von meiner Mutter geliebt wurde, die nicht erwartete, einen ihrer zwei Söhne zu überleben. Recht sehr bedaure ich, Sie theuerster Freund, in Edinkhoven nicht ge¬ sehen zu haben; ein anderer Augenblick wird mir hoffentlich günstiger sein. In die Fortdauer Ihrer Freundschaft empfehle ich mich und verbleibe mit dem Gefühle der reinsten Verehrung und Anhänglichkeit Ew. Durchl. treuer Diener und Vetter Pirmasens d. 10. Sept. 1793. Carl Aug. 10. Carl August an Carl Friedrich. Theuerster Freund! Ich sehe vollkommen die bedenkliche Lage ein in der die Verfassung von Deutschland gegenwärtig schwebt und ich fühle ganz die Nothwendigkeit, alle Mittel aufzubieten, um Religion. Ordnung und wahre Freyheit unter dem Schutz der Gesetze zu erhalten. Ich mußte mich also allerdings über den Inhalt Ihres Schreibens vom 9. Oct., sowie -) Durchaus nicht mitzutheilende Schilderung des Eigensinns der Fortuna. -) Edenkoben in der Rheinpfalz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/55>, abgerufen am 28.06.2024.