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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Renan's Paulus.

Rinne par Z?rii<z->t üonan, mombro av l'instiwt. ?aris, N. I^foz' ^rörss, 1869.
Paulus. Von Ernst Renan. Autor, deutsche Uebersetzung. Leipzig, F. A. Brock¬
haus. 1869.

Der dritte Band des Werks, das den Franzosen "die Geschichte der
Anfänge des Christenthums" erzählt, ist dem Apostel Paulus gewidmet.
Sanct-Paulus lautet der Titel, im Anschluß an den populären Sprach¬
gebrauch, aber immerhin auffallend bei einem Werke, das die Geschichte eines
Mannes, nicht die Legende eines Heiligen erzählen will. Es ist als ob
schon der Titel den Leser darauf vorbereiten wollte, daß die Auffassung, die
sich in der katholischen Tradition von dem Apostel gebildet hat, mehr als
billig auch noch diese neueste geschichtliche Darstellung beeinflußt. So gründ¬
lich, so tödtlich möchte man sagen, hat die Kirche selbst das Bild eines ihrer
größten Helden entstellt, daß der Gelehrte des 19. Jahrhunderts, der im
besten Glauben an seine gänzliche Unbefangenheit zu Werke geht, Schritt für
Schritt in die Schlingen sich verwirrt, die der Parteigeist des zweiten.christ¬
lichen Jahrhunderts ersonnen. Ahnungslos tritt er in die künstlich angelegten
Jrrgänge, stets mit vergnügtester Miene versichernd, daß er auf dem rechten
Wege sei.

Und doch ist der begrenzte Zeitraum, den das neue Buch behandelt,
eine verhältnißmäßig geschichtlich klar aufgehellte Zeit, die hellste in der ganzen
Geschichte des Urchristenthums. Es ist nicht die ganze Lebensgeschichte des
Apostels die in diesem Bande erzählt wird. Der Anfang fehlt und das
Ende. Mit der Geschichte der ersten christlichen Kirche zu Jerusalem sind
auch die Anfänge des Paulus, seine Bekehrung, sein Leben bis zur ersten
Missionsreise im vorausgehenden Werke beschrieben. Andererseits wird das
Ende des Paulus, die drei letzten Jahre seines römischen Aufenthalts bis zu
der vermuthlichen Katastrophe, die mit der neronischen Verfolgung zusam¬
menfällt, in einem folgenden Band erzählt werden. Aber gerade die sechzehn
Jahre, die dazwischen liegen, heben sich mit geschichtlicher Bestimmtheit aus
ihrer Umgebung ab. Paulus selbst macht den Eindruck einer scharf aus-


Grenzboten III. 1869. 56

Renan's Paulus.

Rinne par Z?rii<z->t üonan, mombro av l'instiwt. ?aris, N. I^foz' ^rörss, 1869.
Paulus. Von Ernst Renan. Autor, deutsche Uebersetzung. Leipzig, F. A. Brock¬
haus. 1869.

Der dritte Band des Werks, das den Franzosen „die Geschichte der
Anfänge des Christenthums" erzählt, ist dem Apostel Paulus gewidmet.
Sanct-Paulus lautet der Titel, im Anschluß an den populären Sprach¬
gebrauch, aber immerhin auffallend bei einem Werke, das die Geschichte eines
Mannes, nicht die Legende eines Heiligen erzählen will. Es ist als ob
schon der Titel den Leser darauf vorbereiten wollte, daß die Auffassung, die
sich in der katholischen Tradition von dem Apostel gebildet hat, mehr als
billig auch noch diese neueste geschichtliche Darstellung beeinflußt. So gründ¬
lich, so tödtlich möchte man sagen, hat die Kirche selbst das Bild eines ihrer
größten Helden entstellt, daß der Gelehrte des 19. Jahrhunderts, der im
besten Glauben an seine gänzliche Unbefangenheit zu Werke geht, Schritt für
Schritt in die Schlingen sich verwirrt, die der Parteigeist des zweiten.christ¬
lichen Jahrhunderts ersonnen. Ahnungslos tritt er in die künstlich angelegten
Jrrgänge, stets mit vergnügtester Miene versichernd, daß er auf dem rechten
Wege sei.

Und doch ist der begrenzte Zeitraum, den das neue Buch behandelt,
eine verhältnißmäßig geschichtlich klar aufgehellte Zeit, die hellste in der ganzen
Geschichte des Urchristenthums. Es ist nicht die ganze Lebensgeschichte des
Apostels die in diesem Bande erzählt wird. Der Anfang fehlt und das
Ende. Mit der Geschichte der ersten christlichen Kirche zu Jerusalem sind
auch die Anfänge des Paulus, seine Bekehrung, sein Leben bis zur ersten
Missionsreise im vorausgehenden Werke beschrieben. Andererseits wird das
Ende des Paulus, die drei letzten Jahre seines römischen Aufenthalts bis zu
der vermuthlichen Katastrophe, die mit der neronischen Verfolgung zusam¬
menfällt, in einem folgenden Band erzählt werden. Aber gerade die sechzehn
Jahre, die dazwischen liegen, heben sich mit geschichtlicher Bestimmtheit aus
ihrer Umgebung ab. Paulus selbst macht den Eindruck einer scharf aus-


Grenzboten III. 1869. 56
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[0449] Renan's Paulus. Rinne par Z?rii<z->t üonan, mombro av l'instiwt. ?aris, N. I^foz' ^rörss, 1869. Paulus. Von Ernst Renan. Autor, deutsche Uebersetzung. Leipzig, F. A. Brock¬ haus. 1869. Der dritte Band des Werks, das den Franzosen „die Geschichte der Anfänge des Christenthums" erzählt, ist dem Apostel Paulus gewidmet. Sanct-Paulus lautet der Titel, im Anschluß an den populären Sprach¬ gebrauch, aber immerhin auffallend bei einem Werke, das die Geschichte eines Mannes, nicht die Legende eines Heiligen erzählen will. Es ist als ob schon der Titel den Leser darauf vorbereiten wollte, daß die Auffassung, die sich in der katholischen Tradition von dem Apostel gebildet hat, mehr als billig auch noch diese neueste geschichtliche Darstellung beeinflußt. So gründ¬ lich, so tödtlich möchte man sagen, hat die Kirche selbst das Bild eines ihrer größten Helden entstellt, daß der Gelehrte des 19. Jahrhunderts, der im besten Glauben an seine gänzliche Unbefangenheit zu Werke geht, Schritt für Schritt in die Schlingen sich verwirrt, die der Parteigeist des zweiten.christ¬ lichen Jahrhunderts ersonnen. Ahnungslos tritt er in die künstlich angelegten Jrrgänge, stets mit vergnügtester Miene versichernd, daß er auf dem rechten Wege sei. Und doch ist der begrenzte Zeitraum, den das neue Buch behandelt, eine verhältnißmäßig geschichtlich klar aufgehellte Zeit, die hellste in der ganzen Geschichte des Urchristenthums. Es ist nicht die ganze Lebensgeschichte des Apostels die in diesem Bande erzählt wird. Der Anfang fehlt und das Ende. Mit der Geschichte der ersten christlichen Kirche zu Jerusalem sind auch die Anfänge des Paulus, seine Bekehrung, sein Leben bis zur ersten Missionsreise im vorausgehenden Werke beschrieben. Andererseits wird das Ende des Paulus, die drei letzten Jahre seines römischen Aufenthalts bis zu der vermuthlichen Katastrophe, die mit der neronischen Verfolgung zusam¬ menfällt, in einem folgenden Band erzählt werden. Aber gerade die sechzehn Jahre, die dazwischen liegen, heben sich mit geschichtlicher Bestimmtheit aus ihrer Umgebung ab. Paulus selbst macht den Eindruck einer scharf aus- Grenzboten III. 1869. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/449>, abgerufen am 22.07.2024.