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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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schien, den Dingen die lange vorbereitete Wendung contra clvmum auKtrmea,in
zu geben!

Die jähe Wendung der kurfürstlichen Politik ist für Preußen die Quelle
glänzender Erfolge, aber auch schwerer Verwickelungen und Gefahren ge¬
wesen. Vor Allem war beklagenswerth, daß das Aufgeben der Unions¬
bestrebungen die unmittelbare Consequenz des Wechsels war. Der Gegensatz
gegen Oestreich trat bald genug wieder hervor. Ihn aber wiederum zum Aus¬
gangspunkt für eine schöpferische deutsche Politik zu machen, blieb dem Kur¬
fürsten in der Folge versagt. Erst seinem großen Urenkel war es vergönnt,
das unterbrochene Werk wieder aufzunehmen. Dennoch stehen wir nicht an,
jenen Wechsel bei der Unzuverlässigkeit Schwedens für eine Nothwendigkeit
zu halten. Daß Waldeck die Sache nicht so ansah, ist erklärlich, und daß er,
um nicht einem in seinen Augen verderblichen System zu dienen, den Dienst
des großen Kurfürsten verließ, legt Zeugniß für die Selbständigkeit seines
Charakters und die Stärke seiner politischen Ueberzeugungen ab. Dennoch
kann man ihn nur mit Bedauern aus den Verhältnissen scheiden sehen, die
einem begabten patriotisch gesinnten Staatsmanne unter allen Umständen
Gelegenheit zur Bethätigung seiner Kräfte boten.

Wir können nur wünschen, daß die weiteren Schicksale und Thaten
Waldecks einen ebenso kundigen und seiner Aufgabe gewachsenen Darsteller
finden mögen, wie seine kurze Laufbahn im Dienste des Kurfürsten in
Erdmannsdörffer gefunden hat. Unser Verfasser bricht seine Erzählung mit
Waldecks Rücktritt ab und erwähnt zum Schlüsse nur noch, wie in den Jah¬
ren 1681 und 168S der Kurfürst und sein ehemaliger Minister noch einmal
sich nahe traten. Waldeck drängte den über die kaiserliche Politik tief ver¬
stimmten und mit Frankreich befreundeten Kurfürsten zum Kriege gegen
Frankreich. Und als nach längerem Zögern 1686 der Kurfürst mit voller
Energie sich zum europäischen Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich rüstete,
wurde Waldeck zu einem der Oberbefehlshaber über die deutschen Bundes¬
truppen erwählt. "So fanden sich am Abend ihres Lebens die beiden
Männer doch noch einmal in der gemeinsamen Richtung auf eine große
nationale Aufgabe zusammen."




Das sprichwörtliche blinde Glück Oestreichs hat viel von seinem Credit
verloren, aber so ganz und gar will es sich doch nicht ins Fabelbuch ver¬
weisen lassen. Ja, die Psaffenorgane im Lande und außer demselben haben


schien, den Dingen die lange vorbereitete Wendung contra clvmum auKtrmea,in
zu geben!

Die jähe Wendung der kurfürstlichen Politik ist für Preußen die Quelle
glänzender Erfolge, aber auch schwerer Verwickelungen und Gefahren ge¬
wesen. Vor Allem war beklagenswerth, daß das Aufgeben der Unions¬
bestrebungen die unmittelbare Consequenz des Wechsels war. Der Gegensatz
gegen Oestreich trat bald genug wieder hervor. Ihn aber wiederum zum Aus¬
gangspunkt für eine schöpferische deutsche Politik zu machen, blieb dem Kur¬
fürsten in der Folge versagt. Erst seinem großen Urenkel war es vergönnt,
das unterbrochene Werk wieder aufzunehmen. Dennoch stehen wir nicht an,
jenen Wechsel bei der Unzuverlässigkeit Schwedens für eine Nothwendigkeit
zu halten. Daß Waldeck die Sache nicht so ansah, ist erklärlich, und daß er,
um nicht einem in seinen Augen verderblichen System zu dienen, den Dienst
des großen Kurfürsten verließ, legt Zeugniß für die Selbständigkeit seines
Charakters und die Stärke seiner politischen Ueberzeugungen ab. Dennoch
kann man ihn nur mit Bedauern aus den Verhältnissen scheiden sehen, die
einem begabten patriotisch gesinnten Staatsmanne unter allen Umständen
Gelegenheit zur Bethätigung seiner Kräfte boten.

Wir können nur wünschen, daß die weiteren Schicksale und Thaten
Waldecks einen ebenso kundigen und seiner Aufgabe gewachsenen Darsteller
finden mögen, wie seine kurze Laufbahn im Dienste des Kurfürsten in
Erdmannsdörffer gefunden hat. Unser Verfasser bricht seine Erzählung mit
Waldecks Rücktritt ab und erwähnt zum Schlüsse nur noch, wie in den Jah¬
ren 1681 und 168S der Kurfürst und sein ehemaliger Minister noch einmal
sich nahe traten. Waldeck drängte den über die kaiserliche Politik tief ver¬
stimmten und mit Frankreich befreundeten Kurfürsten zum Kriege gegen
Frankreich. Und als nach längerem Zögern 1686 der Kurfürst mit voller
Energie sich zum europäischen Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich rüstete,
wurde Waldeck zu einem der Oberbefehlshaber über die deutschen Bundes¬
truppen erwählt. „So fanden sich am Abend ihres Lebens die beiden
Männer doch noch einmal in der gemeinsamen Richtung auf eine große
nationale Aufgabe zusammen."




Das sprichwörtliche blinde Glück Oestreichs hat viel von seinem Credit
verloren, aber so ganz und gar will es sich doch nicht ins Fabelbuch ver¬
weisen lassen. Ja, die Psaffenorgane im Lande und außer demselben haben


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[0343] schien, den Dingen die lange vorbereitete Wendung contra clvmum auKtrmea,in zu geben! Die jähe Wendung der kurfürstlichen Politik ist für Preußen die Quelle glänzender Erfolge, aber auch schwerer Verwickelungen und Gefahren ge¬ wesen. Vor Allem war beklagenswerth, daß das Aufgeben der Unions¬ bestrebungen die unmittelbare Consequenz des Wechsels war. Der Gegensatz gegen Oestreich trat bald genug wieder hervor. Ihn aber wiederum zum Aus¬ gangspunkt für eine schöpferische deutsche Politik zu machen, blieb dem Kur¬ fürsten in der Folge versagt. Erst seinem großen Urenkel war es vergönnt, das unterbrochene Werk wieder aufzunehmen. Dennoch stehen wir nicht an, jenen Wechsel bei der Unzuverlässigkeit Schwedens für eine Nothwendigkeit zu halten. Daß Waldeck die Sache nicht so ansah, ist erklärlich, und daß er, um nicht einem in seinen Augen verderblichen System zu dienen, den Dienst des großen Kurfürsten verließ, legt Zeugniß für die Selbständigkeit seines Charakters und die Stärke seiner politischen Ueberzeugungen ab. Dennoch kann man ihn nur mit Bedauern aus den Verhältnissen scheiden sehen, die einem begabten patriotisch gesinnten Staatsmanne unter allen Umständen Gelegenheit zur Bethätigung seiner Kräfte boten. Wir können nur wünschen, daß die weiteren Schicksale und Thaten Waldecks einen ebenso kundigen und seiner Aufgabe gewachsenen Darsteller finden mögen, wie seine kurze Laufbahn im Dienste des Kurfürsten in Erdmannsdörffer gefunden hat. Unser Verfasser bricht seine Erzählung mit Waldecks Rücktritt ab und erwähnt zum Schlüsse nur noch, wie in den Jah¬ ren 1681 und 168S der Kurfürst und sein ehemaliger Minister noch einmal sich nahe traten. Waldeck drängte den über die kaiserliche Politik tief ver¬ stimmten und mit Frankreich befreundeten Kurfürsten zum Kriege gegen Frankreich. Und als nach längerem Zögern 1686 der Kurfürst mit voller Energie sich zum europäischen Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich rüstete, wurde Waldeck zu einem der Oberbefehlshaber über die deutschen Bundes¬ truppen erwählt. „So fanden sich am Abend ihres Lebens die beiden Männer doch noch einmal in der gemeinsamen Richtung auf eine große nationale Aufgabe zusammen." Das sprichwörtliche blinde Glück Oestreichs hat viel von seinem Credit verloren, aber so ganz und gar will es sich doch nicht ins Fabelbuch ver¬ weisen lassen. Ja, die Psaffenorgane im Lande und außer demselben haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/343>, abgerufen am 03.07.2024.