Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein preußischer Staatsmann des 17. Jahrhunderts.

Bernhard E rd in ni um s d ö rffer: Graf Georg Friedrich von Waldeck. Ein
preußischer Staatsmann im siebzehnten Jahrhundert. Berlin, Georg Reimer 1869.

In Dr. Erdmannsdörffers Monographie über den Grafen Waldeck er¬
halten wir einen so werthvollen und bedeutenden Beitrag zur Geschichte der
Periode, während welcher die Heldenkraft des großen Kurfürsten unter
fortwährendem Ringen den brandenburgisch-preußischen Staat von neuem
gründete und zugleich die Keime des deutschen Staates der Zukunft legte,
daß es uns um so mehr Pflicht scheint, den Resultaten dieser Arbeit nach¬
zugehen, als der Stoff an sich überraschende Analogien mit Menschen und
Dingen der allerneuesten Tage darbietet. Nur kurze Zeit -- von 1621
bis 68 -- hat Georg Friedrich von Waldeck Brandenburg seine Dienste ge¬
widmet, aber in diesen sieben Jahren -- das geht aus Erdmannsdörffers
Darstellung unzweifelhaft hervor -- war er entschieden der einflußreichste
unter den Rathgebern des Kurfürsten und zugleich derjenige unter den bran¬
denburgischen Staatsmännern, der zuerst mit klarem Bewußtsein in der
Reichspolitik die Richtung zu .finden und einzuschlagen bemüht war, in deren
allerdings oft und auf lange Zeiten unterbrochener Verfolgung der preußische
Staat sich zum deutschen Staat heraufarbeiten sollte.

Die Periode unmittelbar nach dem dreißigjährigen Kriege war eine Zeit
der maßlosesten Verwirrung und des Verwickeltesten Jntriguensviels. Von
einer traditionellen, eine nur annähernd sichere Berechnung gestaltenden Po¬
litik wurden damals eigentlich nur das spanisch - östreichische Haus und Frank¬
reich geleitet. Der Gegensatz zwischen diesen beiden Mächten war gewisser¬
maßen das Band, welches den Zusammenhang zwischen der zweiten Hälfte
des siebzehnten und dem sechszehnten Jahrhundert erkennen läßt. Aber welch'
eine Fülle neuer Gestaltungen gruppirte sich um diesen Gegensatz und suchte
Stellung zu demselben zu nehmen! England, nachdem es in gewaltsamer An¬
spannung aller Kräfte die Schwäche der ersten Stuartschen Periode über¬
wunden, sing unter Cromwell's energischer Leitung wieder an, sich als eine


Grenzboten III. 18t>!>. 41
Ein preußischer Staatsmann des 17. Jahrhunderts.

Bernhard E rd in ni um s d ö rffer: Graf Georg Friedrich von Waldeck. Ein
preußischer Staatsmann im siebzehnten Jahrhundert. Berlin, Georg Reimer 1869.

In Dr. Erdmannsdörffers Monographie über den Grafen Waldeck er¬
halten wir einen so werthvollen und bedeutenden Beitrag zur Geschichte der
Periode, während welcher die Heldenkraft des großen Kurfürsten unter
fortwährendem Ringen den brandenburgisch-preußischen Staat von neuem
gründete und zugleich die Keime des deutschen Staates der Zukunft legte,
daß es uns um so mehr Pflicht scheint, den Resultaten dieser Arbeit nach¬
zugehen, als der Stoff an sich überraschende Analogien mit Menschen und
Dingen der allerneuesten Tage darbietet. Nur kurze Zeit — von 1621
bis 68 — hat Georg Friedrich von Waldeck Brandenburg seine Dienste ge¬
widmet, aber in diesen sieben Jahren — das geht aus Erdmannsdörffers
Darstellung unzweifelhaft hervor — war er entschieden der einflußreichste
unter den Rathgebern des Kurfürsten und zugleich derjenige unter den bran¬
denburgischen Staatsmännern, der zuerst mit klarem Bewußtsein in der
Reichspolitik die Richtung zu .finden und einzuschlagen bemüht war, in deren
allerdings oft und auf lange Zeiten unterbrochener Verfolgung der preußische
Staat sich zum deutschen Staat heraufarbeiten sollte.

Die Periode unmittelbar nach dem dreißigjährigen Kriege war eine Zeit
der maßlosesten Verwirrung und des Verwickeltesten Jntriguensviels. Von
einer traditionellen, eine nur annähernd sichere Berechnung gestaltenden Po¬
litik wurden damals eigentlich nur das spanisch - östreichische Haus und Frank¬
reich geleitet. Der Gegensatz zwischen diesen beiden Mächten war gewisser¬
maßen das Band, welches den Zusammenhang zwischen der zweiten Hälfte
des siebzehnten und dem sechszehnten Jahrhundert erkennen läßt. Aber welch'
eine Fülle neuer Gestaltungen gruppirte sich um diesen Gegensatz und suchte
Stellung zu demselben zu nehmen! England, nachdem es in gewaltsamer An¬
spannung aller Kräfte die Schwäche der ersten Stuartschen Periode über¬
wunden, sing unter Cromwell's energischer Leitung wieder an, sich als eine


Grenzboten III. 18t>!>. 41
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0329" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121550"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein preußischer Staatsmann des 17. Jahrhunderts.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1037"> Bernhard E rd in ni um s d ö rffer: Graf Georg Friedrich von Waldeck. Ein<lb/>
preußischer Staatsmann im siebzehnten Jahrhundert. Berlin, Georg Reimer 1869.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1038"> In Dr. Erdmannsdörffers Monographie über den Grafen Waldeck er¬<lb/>
halten wir einen so werthvollen und bedeutenden Beitrag zur Geschichte der<lb/>
Periode, während welcher die Heldenkraft des großen Kurfürsten unter<lb/>
fortwährendem Ringen den brandenburgisch-preußischen Staat von neuem<lb/>
gründete und zugleich die Keime des deutschen Staates der Zukunft legte,<lb/>
daß es uns um so mehr Pflicht scheint, den Resultaten dieser Arbeit nach¬<lb/>
zugehen, als der Stoff an sich überraschende Analogien mit Menschen und<lb/>
Dingen der allerneuesten Tage darbietet. Nur kurze Zeit &#x2014; von 1621<lb/>
bis 68 &#x2014; hat Georg Friedrich von Waldeck Brandenburg seine Dienste ge¬<lb/>
widmet, aber in diesen sieben Jahren &#x2014; das geht aus Erdmannsdörffers<lb/>
Darstellung unzweifelhaft hervor &#x2014; war er entschieden der einflußreichste<lb/>
unter den Rathgebern des Kurfürsten und zugleich derjenige unter den bran¬<lb/>
denburgischen Staatsmännern, der zuerst mit klarem Bewußtsein in der<lb/>
Reichspolitik die Richtung zu .finden und einzuschlagen bemüht war, in deren<lb/>
allerdings oft und auf lange Zeiten unterbrochener Verfolgung der preußische<lb/>
Staat sich zum deutschen Staat heraufarbeiten sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1039" next="#ID_1040"> Die Periode unmittelbar nach dem dreißigjährigen Kriege war eine Zeit<lb/>
der maßlosesten Verwirrung und des Verwickeltesten Jntriguensviels. Von<lb/>
einer traditionellen, eine nur annähernd sichere Berechnung gestaltenden Po¬<lb/>
litik wurden damals eigentlich nur das spanisch - östreichische Haus und Frank¬<lb/>
reich geleitet. Der Gegensatz zwischen diesen beiden Mächten war gewisser¬<lb/>
maßen das Band, welches den Zusammenhang zwischen der zweiten Hälfte<lb/>
des siebzehnten und dem sechszehnten Jahrhundert erkennen läßt. Aber welch'<lb/>
eine Fülle neuer Gestaltungen gruppirte sich um diesen Gegensatz und suchte<lb/>
Stellung zu demselben zu nehmen! England, nachdem es in gewaltsamer An¬<lb/>
spannung aller Kräfte die Schwäche der ersten Stuartschen Periode über¬<lb/>
wunden, sing unter Cromwell's energischer Leitung wieder an, sich als eine</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 18t&gt;!&gt;. 41</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0329] Ein preußischer Staatsmann des 17. Jahrhunderts. Bernhard E rd in ni um s d ö rffer: Graf Georg Friedrich von Waldeck. Ein preußischer Staatsmann im siebzehnten Jahrhundert. Berlin, Georg Reimer 1869. In Dr. Erdmannsdörffers Monographie über den Grafen Waldeck er¬ halten wir einen so werthvollen und bedeutenden Beitrag zur Geschichte der Periode, während welcher die Heldenkraft des großen Kurfürsten unter fortwährendem Ringen den brandenburgisch-preußischen Staat von neuem gründete und zugleich die Keime des deutschen Staates der Zukunft legte, daß es uns um so mehr Pflicht scheint, den Resultaten dieser Arbeit nach¬ zugehen, als der Stoff an sich überraschende Analogien mit Menschen und Dingen der allerneuesten Tage darbietet. Nur kurze Zeit — von 1621 bis 68 — hat Georg Friedrich von Waldeck Brandenburg seine Dienste ge¬ widmet, aber in diesen sieben Jahren — das geht aus Erdmannsdörffers Darstellung unzweifelhaft hervor — war er entschieden der einflußreichste unter den Rathgebern des Kurfürsten und zugleich derjenige unter den bran¬ denburgischen Staatsmännern, der zuerst mit klarem Bewußtsein in der Reichspolitik die Richtung zu .finden und einzuschlagen bemüht war, in deren allerdings oft und auf lange Zeiten unterbrochener Verfolgung der preußische Staat sich zum deutschen Staat heraufarbeiten sollte. Die Periode unmittelbar nach dem dreißigjährigen Kriege war eine Zeit der maßlosesten Verwirrung und des Verwickeltesten Jntriguensviels. Von einer traditionellen, eine nur annähernd sichere Berechnung gestaltenden Po¬ litik wurden damals eigentlich nur das spanisch - östreichische Haus und Frank¬ reich geleitet. Der Gegensatz zwischen diesen beiden Mächten war gewisser¬ maßen das Band, welches den Zusammenhang zwischen der zweiten Hälfte des siebzehnten und dem sechszehnten Jahrhundert erkennen läßt. Aber welch' eine Fülle neuer Gestaltungen gruppirte sich um diesen Gegensatz und suchte Stellung zu demselben zu nehmen! England, nachdem es in gewaltsamer An¬ spannung aller Kräfte die Schwäche der ersten Stuartschen Periode über¬ wunden, sing unter Cromwell's energischer Leitung wieder an, sich als eine Grenzboten III. 18t>!>. 41

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/329
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/329>, abgerufen am 03.07.2024.