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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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auf dem Gebiete der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben das Ministerium
walten läßt , und Steuern erhebt so wie Steuerreformen beschließt, ohne über
das Warum und Wozu den Staatsangehörigen Aufschluß zu geben.

Das Problem, an dessen Lösung unser Feudalstaat seit Gründung des
norddeutschen Bundes sich abmüht, ist die-Reform des Steuerwesens ohne
Einführung des Budgetsystems. An dieser Aufgabe wird also zunächst der
neue Ministerpräsident, welcher in schwieriger Zeit eine hoffnungslose Sache
zu führen unternommen hat, in Gemeinschaft mit dem Finanzminister seine
Kraft zu erproben haben.




Die nationale Partei in den Herzogthümern hat in den jüngsten Wochen
einen Verlust erlitten, der für lange Zeit schwer zu ersetzen sein wird. Der
Abgeordnete für Husum, Amtmann Thomsen (Oldensworth) hat sich aus
Ursachen privater Natur veranlaßt gesehen, sein Mandat für das preußische
Abgeordnetenhaus niederzulegen, und mit ihm verliert die nationale Sache
einen Vorkämpfer, so ausgezeichnet durch Kenntniß der Landesverhältnisse,
Reinheit des Charakters und patriotische Gesinnung, daß der vacante Posten
nicht leicht wieder auszufüllen sein wird. Der Niederlegung des Maubads
folgte eine Zeitungspolemik, welche die Bedeutung des Mannes und die
miserable Verlegenheit seiner Gegner noch einmal hell hervortreten ließ.
Thomsen hatte in einem offnen Briefe von seinen Wählern Abschied genom¬
men, die er durch lange Jahre sowohl in der Schleswig'schen Ständeversamm¬
lung, wie im dänischen Reichsrath vertreten. In der versöhnlichsten, ma߬
vollsten Form warnte er darin vor dem System der Verhetzung gegen Preußen,
das unter der oppositionellen Partei landesüblich, vor dem Mißbrauch mit
den Worten "Steuerdruck" und "Steuerüberbürdung", durch die man sort¬
gesetzt zur Unzufriedenheit aufstachele, betonte das Verkehrte dieses Schmerzens-
schreies und den ganzen Werth der nationalen Errungenschaften. "Für die
Abgabenerleichterung Aller, durch den Uebergang vieler Lasten von den Com¬
munen auf den Staat, durch die Beseitigung vieler Sporteln. durch die Zoll¬
einrichtungen u. s. w. hat Niemand ein Wort. Daß die directen Steuern
aus den Herzogthümern bedeutend mehr betragen, als früher, weiß Jeder;
daß die indirecten Steuern weit über dieses Mehr hinaus weniger betra-


auf dem Gebiete der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben das Ministerium
walten läßt , und Steuern erhebt so wie Steuerreformen beschließt, ohne über
das Warum und Wozu den Staatsangehörigen Aufschluß zu geben.

Das Problem, an dessen Lösung unser Feudalstaat seit Gründung des
norddeutschen Bundes sich abmüht, ist die-Reform des Steuerwesens ohne
Einführung des Budgetsystems. An dieser Aufgabe wird also zunächst der
neue Ministerpräsident, welcher in schwieriger Zeit eine hoffnungslose Sache
zu führen unternommen hat, in Gemeinschaft mit dem Finanzminister seine
Kraft zu erproben haben.




Die nationale Partei in den Herzogthümern hat in den jüngsten Wochen
einen Verlust erlitten, der für lange Zeit schwer zu ersetzen sein wird. Der
Abgeordnete für Husum, Amtmann Thomsen (Oldensworth) hat sich aus
Ursachen privater Natur veranlaßt gesehen, sein Mandat für das preußische
Abgeordnetenhaus niederzulegen, und mit ihm verliert die nationale Sache
einen Vorkämpfer, so ausgezeichnet durch Kenntniß der Landesverhältnisse,
Reinheit des Charakters und patriotische Gesinnung, daß der vacante Posten
nicht leicht wieder auszufüllen sein wird. Der Niederlegung des Maubads
folgte eine Zeitungspolemik, welche die Bedeutung des Mannes und die
miserable Verlegenheit seiner Gegner noch einmal hell hervortreten ließ.
Thomsen hatte in einem offnen Briefe von seinen Wählern Abschied genom¬
men, die er durch lange Jahre sowohl in der Schleswig'schen Ständeversamm¬
lung, wie im dänischen Reichsrath vertreten. In der versöhnlichsten, ma߬
vollsten Form warnte er darin vor dem System der Verhetzung gegen Preußen,
das unter der oppositionellen Partei landesüblich, vor dem Mißbrauch mit
den Worten „Steuerdruck" und „Steuerüberbürdung", durch die man sort¬
gesetzt zur Unzufriedenheit aufstachele, betonte das Verkehrte dieses Schmerzens-
schreies und den ganzen Werth der nationalen Errungenschaften. „Für die
Abgabenerleichterung Aller, durch den Uebergang vieler Lasten von den Com¬
munen auf den Staat, durch die Beseitigung vieler Sporteln. durch die Zoll¬
einrichtungen u. s. w. hat Niemand ein Wort. Daß die directen Steuern
aus den Herzogthümern bedeutend mehr betragen, als früher, weiß Jeder;
daß die indirecten Steuern weit über dieses Mehr hinaus weniger betra-


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[0277] auf dem Gebiete der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben das Ministerium walten läßt , und Steuern erhebt so wie Steuerreformen beschließt, ohne über das Warum und Wozu den Staatsangehörigen Aufschluß zu geben. Das Problem, an dessen Lösung unser Feudalstaat seit Gründung des norddeutschen Bundes sich abmüht, ist die-Reform des Steuerwesens ohne Einführung des Budgetsystems. An dieser Aufgabe wird also zunächst der neue Ministerpräsident, welcher in schwieriger Zeit eine hoffnungslose Sache zu führen unternommen hat, in Gemeinschaft mit dem Finanzminister seine Kraft zu erproben haben. Die nationale Partei in den Herzogthümern hat in den jüngsten Wochen einen Verlust erlitten, der für lange Zeit schwer zu ersetzen sein wird. Der Abgeordnete für Husum, Amtmann Thomsen (Oldensworth) hat sich aus Ursachen privater Natur veranlaßt gesehen, sein Mandat für das preußische Abgeordnetenhaus niederzulegen, und mit ihm verliert die nationale Sache einen Vorkämpfer, so ausgezeichnet durch Kenntniß der Landesverhältnisse, Reinheit des Charakters und patriotische Gesinnung, daß der vacante Posten nicht leicht wieder auszufüllen sein wird. Der Niederlegung des Maubads folgte eine Zeitungspolemik, welche die Bedeutung des Mannes und die miserable Verlegenheit seiner Gegner noch einmal hell hervortreten ließ. Thomsen hatte in einem offnen Briefe von seinen Wählern Abschied genom¬ men, die er durch lange Jahre sowohl in der Schleswig'schen Ständeversamm¬ lung, wie im dänischen Reichsrath vertreten. In der versöhnlichsten, ma߬ vollsten Form warnte er darin vor dem System der Verhetzung gegen Preußen, das unter der oppositionellen Partei landesüblich, vor dem Mißbrauch mit den Worten „Steuerdruck" und „Steuerüberbürdung", durch die man sort¬ gesetzt zur Unzufriedenheit aufstachele, betonte das Verkehrte dieses Schmerzens- schreies und den ganzen Werth der nationalen Errungenschaften. „Für die Abgabenerleichterung Aller, durch den Uebergang vieler Lasten von den Com¬ munen auf den Staat, durch die Beseitigung vieler Sporteln. durch die Zoll¬ einrichtungen u. s. w. hat Niemand ein Wort. Daß die directen Steuern aus den Herzogthümern bedeutend mehr betragen, als früher, weiß Jeder; daß die indirecten Steuern weit über dieses Mehr hinaus weniger betra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/277>, abgerufen am 28.06.2024.