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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Das durch ihn begründete Geschlecht blüht noch heute in Estland.
Heinrich Fick's Sohn Timotheus hat als Erzieher des Kaisers Paul, später
als wirklicher Geheimrath und Senateur eine gewisse Rolle gespielt, aber
weder er noch die übrigen Nachkommen haben es zu der Bedeutung ge-
bracht, welche dem Genossen Peters I. und Verschwörer von 1730 nicht ab¬
gesprochen werden kann; die Mehrzahl hat sich damit begnügt, innerhalb des
Landes und Standes, in welchem der Schleswig'sche Ex-Rathsherr seine alten
Tage verlebt. Landwirthschaft und "Landespolttik" zu treiben.




Die Lords und die irische Äirche.

Im Widerspruch mit der allgemeinen, selbst in torystischen Kreisen ge¬
theilten Erwartung, daß das Oberhaus sich dem klar ausgesprochenen Willen
der Nation fügen und die irische Kirchenbill annehmen werde, hat eine von
400 conservativen Peers besuchte Parteiversammlung bei dem Herzog von
Marlborough beschlossen die zweite Lesung zu bekämpfen. Vergebens erhoben
die einsichtigeren Mitglieder der Partei wie Lord Stanhope, Marquis von
Salisbury und Graf Carnarvon ihre Stimmen gegen dies Beginnen, das
nur dem Hause selbst schweren Schaden zufügen könne, aber den Sieg der
Gladstone'schen Politik niemals hindern werde. Auf ihre Vorschläge, daß man
die zweite Lesung gestatten und dann versuchen solle im Comite' die Bill zu
amendiren, erwiderte man, daß Gladstone sich auf keine Abänderung einlassen
wolle, daß man das Princip nicht opfern dürfe und schließlich wenn das
Unterhaus auf seinem Willen bestehe, ja noch nächstes Jahr nachgeben könne;
die große Mehrheit entschied sich für Verwerfung. Die Verantwortlichkeit
hierfür trägt vornehmlich Lord Derby, der bereits unberechenbaren Schaden
über seine eigene Partei gebracht hat, seit der Zeit da er sie im Kampf gegen
die Kornzölle anführte. Als er sich 1867 durch Disraelis Manöver dahin
bringen ließ "den Sprung ins Dunkle" zu thun und das Haushaltswahlrecht
auf die Fahne der Eonservativen zu schreiben, hätte er voraussehen sollen,
daß das Resultat dieses Experiments ein Unterhaus sein werde, dem die
Tory-Majorität im Oberhause sich fügen müsse. Es läßt sich unzweifelhaft
gegen Gladstones irische Politik viel sagen wie das in diesen Blättern schon
früher hervorgehoben ist. aber in der Politik handelt es sich nicht um abstraktes
Recht oder Unrecht, sondern um das relative Beste und die richtige Beurtheilung


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Das durch ihn begründete Geschlecht blüht noch heute in Estland.
Heinrich Fick's Sohn Timotheus hat als Erzieher des Kaisers Paul, später
als wirklicher Geheimrath und Senateur eine gewisse Rolle gespielt, aber
weder er noch die übrigen Nachkommen haben es zu der Bedeutung ge-
bracht, welche dem Genossen Peters I. und Verschwörer von 1730 nicht ab¬
gesprochen werden kann; die Mehrzahl hat sich damit begnügt, innerhalb des
Landes und Standes, in welchem der Schleswig'sche Ex-Rathsherr seine alten
Tage verlebt. Landwirthschaft und „Landespolttik" zu treiben.




Die Lords und die irische Äirche.

Im Widerspruch mit der allgemeinen, selbst in torystischen Kreisen ge¬
theilten Erwartung, daß das Oberhaus sich dem klar ausgesprochenen Willen
der Nation fügen und die irische Kirchenbill annehmen werde, hat eine von
400 conservativen Peers besuchte Parteiversammlung bei dem Herzog von
Marlborough beschlossen die zweite Lesung zu bekämpfen. Vergebens erhoben
die einsichtigeren Mitglieder der Partei wie Lord Stanhope, Marquis von
Salisbury und Graf Carnarvon ihre Stimmen gegen dies Beginnen, das
nur dem Hause selbst schweren Schaden zufügen könne, aber den Sieg der
Gladstone'schen Politik niemals hindern werde. Auf ihre Vorschläge, daß man
die zweite Lesung gestatten und dann versuchen solle im Comite' die Bill zu
amendiren, erwiderte man, daß Gladstone sich auf keine Abänderung einlassen
wolle, daß man das Princip nicht opfern dürfe und schließlich wenn das
Unterhaus auf seinem Willen bestehe, ja noch nächstes Jahr nachgeben könne;
die große Mehrheit entschied sich für Verwerfung. Die Verantwortlichkeit
hierfür trägt vornehmlich Lord Derby, der bereits unberechenbaren Schaden
über seine eigene Partei gebracht hat, seit der Zeit da er sie im Kampf gegen
die Kornzölle anführte. Als er sich 1867 durch Disraelis Manöver dahin
bringen ließ „den Sprung ins Dunkle" zu thun und das Haushaltswahlrecht
auf die Fahne der Eonservativen zu schreiben, hätte er voraussehen sollen,
daß das Resultat dieses Experiments ein Unterhaus sein werde, dem die
Tory-Majorität im Oberhause sich fügen müsse. Es läßt sich unzweifelhaft
gegen Gladstones irische Politik viel sagen wie das in diesen Blättern schon
früher hervorgehoben ist. aber in der Politik handelt es sich nicht um abstraktes
Recht oder Unrecht, sondern um das relative Beste und die richtige Beurtheilung


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[0483] Das durch ihn begründete Geschlecht blüht noch heute in Estland. Heinrich Fick's Sohn Timotheus hat als Erzieher des Kaisers Paul, später als wirklicher Geheimrath und Senateur eine gewisse Rolle gespielt, aber weder er noch die übrigen Nachkommen haben es zu der Bedeutung ge- bracht, welche dem Genossen Peters I. und Verschwörer von 1730 nicht ab¬ gesprochen werden kann; die Mehrzahl hat sich damit begnügt, innerhalb des Landes und Standes, in welchem der Schleswig'sche Ex-Rathsherr seine alten Tage verlebt. Landwirthschaft und „Landespolttik" zu treiben. Die Lords und die irische Äirche. Im Widerspruch mit der allgemeinen, selbst in torystischen Kreisen ge¬ theilten Erwartung, daß das Oberhaus sich dem klar ausgesprochenen Willen der Nation fügen und die irische Kirchenbill annehmen werde, hat eine von 400 conservativen Peers besuchte Parteiversammlung bei dem Herzog von Marlborough beschlossen die zweite Lesung zu bekämpfen. Vergebens erhoben die einsichtigeren Mitglieder der Partei wie Lord Stanhope, Marquis von Salisbury und Graf Carnarvon ihre Stimmen gegen dies Beginnen, das nur dem Hause selbst schweren Schaden zufügen könne, aber den Sieg der Gladstone'schen Politik niemals hindern werde. Auf ihre Vorschläge, daß man die zweite Lesung gestatten und dann versuchen solle im Comite' die Bill zu amendiren, erwiderte man, daß Gladstone sich auf keine Abänderung einlassen wolle, daß man das Princip nicht opfern dürfe und schließlich wenn das Unterhaus auf seinem Willen bestehe, ja noch nächstes Jahr nachgeben könne; die große Mehrheit entschied sich für Verwerfung. Die Verantwortlichkeit hierfür trägt vornehmlich Lord Derby, der bereits unberechenbaren Schaden über seine eigene Partei gebracht hat, seit der Zeit da er sie im Kampf gegen die Kornzölle anführte. Als er sich 1867 durch Disraelis Manöver dahin bringen ließ „den Sprung ins Dunkle" zu thun und das Haushaltswahlrecht auf die Fahne der Eonservativen zu schreiben, hätte er voraussehen sollen, daß das Resultat dieses Experiments ein Unterhaus sein werde, dem die Tory-Majorität im Oberhause sich fügen müsse. Es läßt sich unzweifelhaft gegen Gladstones irische Politik viel sagen wie das in diesen Blättern schon früher hervorgehoben ist. aber in der Politik handelt es sich nicht um abstraktes Recht oder Unrecht, sondern um das relative Beste und die richtige Beurtheilung 60*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/483>, abgerufen am 04.07.2024.