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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Gerichtshofes würde sie vor mancher Willkür schützen und die Trennung der
Justiz und Diplomatie in zwei auch äußerlich getrennte Körperschaften wäre
ein entschiedener Fortschritt, wenn auch die Pläne des Vicekönigs in ein be¬
scheideneres Maaß zurückgeführt werden.

Nicht der kleinste Gewinn wäre endlich, daß durch einen solchen Ge¬
richtshof dem Lande ein Bild der Würde von Recht und Gerechtigkeit ge¬
geben würde, dessen Anblick und segensreiche Folgen auf die Dauer unmög¬
lich ohne Einfluß auf die einheimische Rechtspflege bleiben könnten. Der Ein¬
geborene würde die Rechtsfähigkeit als ein höchst schätzenswerthes Gut an¬
sehen lernen und die Regierung könnte auf die Dauer den elenden Zustand
ihrer Landesgerichte nicht fortbestehen lassen.

Sollten die hier angedeuteten Reformen keine Beachtung finden oder
undurchführbar sein, so müssen wir als das Resultat einer eingehenden
Würdigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse aussprechen, daß es
weit besser sein würde, die jetzigen Zustände, trotz aller ihrer Mängel be¬
stehen zu lassen, als auf eine Reform einzugehen, wie sie die ägyptische Re¬
gierung vorgeschlagen hat.

Denn die Durchführung ihrer Reformpläne wäre gleichbedeutend mit
völliger Vertreibung der Civilisation aus dern Lande.




Althessisch und ncupreußisch.
1.

Ich entspreche gern Ihrer Aufforderung. Ihnen einige Berichte über "die
Zustände und Stimmungen" Kurhesseus zu schreiben. Denn wenn dieselben
auch nicht derartig sind, wie wir in dem Interesse der Sache, der wir die¬
nen, wünschen möchten, so ist es doch besser, wenn die nationale Partei
Uebelstände und Mißstimmungen in den neuen Provinzen beleuchtet und zu¬
gibt, als wenn sie dieselben zu vertuschen und wegzuleugnen sucht. Hier
zu Lande wenigstens, und ich glaube, daß dasselbe für alle neuen Provinzen
gilt -- würde sich unsere Partei sehr rasch verbrauchen und um allen politischen
Einfluß bringen, wenn sie nicht die Mißgriffe und die tendenziöse innere
Parteipolitik unserer neuen Regierung aufs Entschiedenste verurtheilte und
angriffe. Denn der Einfluß, den die nationale Partei hat, beruht doch ledig-


Gerichtshofes würde sie vor mancher Willkür schützen und die Trennung der
Justiz und Diplomatie in zwei auch äußerlich getrennte Körperschaften wäre
ein entschiedener Fortschritt, wenn auch die Pläne des Vicekönigs in ein be¬
scheideneres Maaß zurückgeführt werden.

Nicht der kleinste Gewinn wäre endlich, daß durch einen solchen Ge¬
richtshof dem Lande ein Bild der Würde von Recht und Gerechtigkeit ge¬
geben würde, dessen Anblick und segensreiche Folgen auf die Dauer unmög¬
lich ohne Einfluß auf die einheimische Rechtspflege bleiben könnten. Der Ein¬
geborene würde die Rechtsfähigkeit als ein höchst schätzenswerthes Gut an¬
sehen lernen und die Regierung könnte auf die Dauer den elenden Zustand
ihrer Landesgerichte nicht fortbestehen lassen.

Sollten die hier angedeuteten Reformen keine Beachtung finden oder
undurchführbar sein, so müssen wir als das Resultat einer eingehenden
Würdigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse aussprechen, daß es
weit besser sein würde, die jetzigen Zustände, trotz aller ihrer Mängel be¬
stehen zu lassen, als auf eine Reform einzugehen, wie sie die ägyptische Re¬
gierung vorgeschlagen hat.

Denn die Durchführung ihrer Reformpläne wäre gleichbedeutend mit
völliger Vertreibung der Civilisation aus dern Lande.




Althessisch und ncupreußisch.
1.

Ich entspreche gern Ihrer Aufforderung. Ihnen einige Berichte über „die
Zustände und Stimmungen" Kurhesseus zu schreiben. Denn wenn dieselben
auch nicht derartig sind, wie wir in dem Interesse der Sache, der wir die¬
nen, wünschen möchten, so ist es doch besser, wenn die nationale Partei
Uebelstände und Mißstimmungen in den neuen Provinzen beleuchtet und zu¬
gibt, als wenn sie dieselben zu vertuschen und wegzuleugnen sucht. Hier
zu Lande wenigstens, und ich glaube, daß dasselbe für alle neuen Provinzen
gilt — würde sich unsere Partei sehr rasch verbrauchen und um allen politischen
Einfluß bringen, wenn sie nicht die Mißgriffe und die tendenziöse innere
Parteipolitik unserer neuen Regierung aufs Entschiedenste verurtheilte und
angriffe. Denn der Einfluß, den die nationale Partei hat, beruht doch ledig-


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[0310] Gerichtshofes würde sie vor mancher Willkür schützen und die Trennung der Justiz und Diplomatie in zwei auch äußerlich getrennte Körperschaften wäre ein entschiedener Fortschritt, wenn auch die Pläne des Vicekönigs in ein be¬ scheideneres Maaß zurückgeführt werden. Nicht der kleinste Gewinn wäre endlich, daß durch einen solchen Ge¬ richtshof dem Lande ein Bild der Würde von Recht und Gerechtigkeit ge¬ geben würde, dessen Anblick und segensreiche Folgen auf die Dauer unmög¬ lich ohne Einfluß auf die einheimische Rechtspflege bleiben könnten. Der Ein¬ geborene würde die Rechtsfähigkeit als ein höchst schätzenswerthes Gut an¬ sehen lernen und die Regierung könnte auf die Dauer den elenden Zustand ihrer Landesgerichte nicht fortbestehen lassen. Sollten die hier angedeuteten Reformen keine Beachtung finden oder undurchführbar sein, so müssen wir als das Resultat einer eingehenden Würdigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse aussprechen, daß es weit besser sein würde, die jetzigen Zustände, trotz aller ihrer Mängel be¬ stehen zu lassen, als auf eine Reform einzugehen, wie sie die ägyptische Re¬ gierung vorgeschlagen hat. Denn die Durchführung ihrer Reformpläne wäre gleichbedeutend mit völliger Vertreibung der Civilisation aus dern Lande. Althessisch und ncupreußisch. 1. Ich entspreche gern Ihrer Aufforderung. Ihnen einige Berichte über „die Zustände und Stimmungen" Kurhesseus zu schreiben. Denn wenn dieselben auch nicht derartig sind, wie wir in dem Interesse der Sache, der wir die¬ nen, wünschen möchten, so ist es doch besser, wenn die nationale Partei Uebelstände und Mißstimmungen in den neuen Provinzen beleuchtet und zu¬ gibt, als wenn sie dieselben zu vertuschen und wegzuleugnen sucht. Hier zu Lande wenigstens, und ich glaube, daß dasselbe für alle neuen Provinzen gilt — würde sich unsere Partei sehr rasch verbrauchen und um allen politischen Einfluß bringen, wenn sie nicht die Mißgriffe und die tendenziöse innere Parteipolitik unserer neuen Regierung aufs Entschiedenste verurtheilte und angriffe. Denn der Einfluß, den die nationale Partei hat, beruht doch ledig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/310>, abgerufen am 04.07.2024.