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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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zehn Jahre fast schon dauert das Provisorium, und wie lange noch wird
es dauern, als abschreckendes Beispiel vor verkommenen Zuständen, deren
man sich um so schwerer erwehren kann, je kleiner die Verhältnisse sind, in
denen das Staatsleben sich bewegt. Ein Wind, wie der des Jahres 1848,
thut Noth, um die Luft von diesen Uebeln baldigst zu reinigen; nur dann
ist es möglich, daß gesundes Leben auch in dem Erziehungswesen erwacht.
Dann wird man auch erkennen, daß Gemeinden, welche das Bedürfniß füh¬
len, den Unterricht zu heben und Tausende für Errichtung besserer Schulen
aufwenden, wol auch in der Wahl der Lehrer hierzu den richtigen Weg
einschlagen werden, und des doppelten Gängelbandes der Regierung und
beeinflussender Standesherren nicht mehr bedürfen. Zustände wie die bei der
offenbacher Angelegenheit zu Tage gekommenen lassen die Schädlichkeit eines
solchen Verhältnisses nur zu deutlich erkennen.




K. Mendelssohn^Sartlioldy über den raflattcr Gesandtcmnord.

Der ra flatter Gesandte nmord. Mit Benutzung handschriftlichen Materials
aus den Archiven von Wien und Karlsruhe. Von Karl Mendelssohn-Bartholdy
o. ö. Professor der Geschichte an der Universität Freiburg. Heidelberg 1869 bei
Fr. Bassermann.

Neben dem bis heute räthselhaft gebliebenen Verschwinden des eng¬
lischen LlriH-Ze <1e clöpöekes Sir Benjamin Bathurst zu Perleberg (1807) ist
kein in neuerer Zeit an diplomatischen Personen verübtes Verbrechen so
wenig aufgeklärt worden, wie der Meuchelmord, dem die Vertreter Frank¬
reichs auf dem rastatter Congreß im April 1799 zum Opfer fielen. Der
Titel der vorliegenden Schrift und der demselben beigefügte Hinweis auf
"handschriftliche Materialien aus den Archiven von Wien und Karlsruhe"
ließen hoffen, daß es Herrn Mendelssohn, dem schätzenswerthen Biographen
Capodistria's und Herausgeber des Pilat-Gentzschen Briefwechsels, gelungen
sei, die Schleier zu lüften, welche seit sievenzig Jahren über diesem Verbrechen
ruhen, mindestens neue Gesichtspunkte für die Beurtheilung desselben zu
eröffnen.

Leider sind beide Erwartungen gleich unerfüllt geblieben. Nach einer
sehr hübsch geschriebenen Charakteristik der Verhältnisse, unter denen jener
Congreß zu Stande kam, kommt der Verfasser zu dem Verbrechen selbst und


57*

zehn Jahre fast schon dauert das Provisorium, und wie lange noch wird
es dauern, als abschreckendes Beispiel vor verkommenen Zuständen, deren
man sich um so schwerer erwehren kann, je kleiner die Verhältnisse sind, in
denen das Staatsleben sich bewegt. Ein Wind, wie der des Jahres 1848,
thut Noth, um die Luft von diesen Uebeln baldigst zu reinigen; nur dann
ist es möglich, daß gesundes Leben auch in dem Erziehungswesen erwacht.
Dann wird man auch erkennen, daß Gemeinden, welche das Bedürfniß füh¬
len, den Unterricht zu heben und Tausende für Errichtung besserer Schulen
aufwenden, wol auch in der Wahl der Lehrer hierzu den richtigen Weg
einschlagen werden, und des doppelten Gängelbandes der Regierung und
beeinflussender Standesherren nicht mehr bedürfen. Zustände wie die bei der
offenbacher Angelegenheit zu Tage gekommenen lassen die Schädlichkeit eines
solchen Verhältnisses nur zu deutlich erkennen.




K. Mendelssohn^Sartlioldy über den raflattcr Gesandtcmnord.

Der ra flatter Gesandte nmord. Mit Benutzung handschriftlichen Materials
aus den Archiven von Wien und Karlsruhe. Von Karl Mendelssohn-Bartholdy
o. ö. Professor der Geschichte an der Universität Freiburg. Heidelberg 1869 bei
Fr. Bassermann.

Neben dem bis heute räthselhaft gebliebenen Verschwinden des eng¬
lischen LlriH-Ze <1e clöpöekes Sir Benjamin Bathurst zu Perleberg (1807) ist
kein in neuerer Zeit an diplomatischen Personen verübtes Verbrechen so
wenig aufgeklärt worden, wie der Meuchelmord, dem die Vertreter Frank¬
reichs auf dem rastatter Congreß im April 1799 zum Opfer fielen. Der
Titel der vorliegenden Schrift und der demselben beigefügte Hinweis auf
„handschriftliche Materialien aus den Archiven von Wien und Karlsruhe"
ließen hoffen, daß es Herrn Mendelssohn, dem schätzenswerthen Biographen
Capodistria's und Herausgeber des Pilat-Gentzschen Briefwechsels, gelungen
sei, die Schleier zu lüften, welche seit sievenzig Jahren über diesem Verbrechen
ruhen, mindestens neue Gesichtspunkte für die Beurtheilung desselben zu
eröffnen.

Leider sind beide Erwartungen gleich unerfüllt geblieben. Nach einer
sehr hübsch geschriebenen Charakteristik der Verhältnisse, unter denen jener
Congreß zu Stande kam, kommt der Verfasser zu dem Verbrechen selbst und


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[0463] zehn Jahre fast schon dauert das Provisorium, und wie lange noch wird es dauern, als abschreckendes Beispiel vor verkommenen Zuständen, deren man sich um so schwerer erwehren kann, je kleiner die Verhältnisse sind, in denen das Staatsleben sich bewegt. Ein Wind, wie der des Jahres 1848, thut Noth, um die Luft von diesen Uebeln baldigst zu reinigen; nur dann ist es möglich, daß gesundes Leben auch in dem Erziehungswesen erwacht. Dann wird man auch erkennen, daß Gemeinden, welche das Bedürfniß füh¬ len, den Unterricht zu heben und Tausende für Errichtung besserer Schulen aufwenden, wol auch in der Wahl der Lehrer hierzu den richtigen Weg einschlagen werden, und des doppelten Gängelbandes der Regierung und beeinflussender Standesherren nicht mehr bedürfen. Zustände wie die bei der offenbacher Angelegenheit zu Tage gekommenen lassen die Schädlichkeit eines solchen Verhältnisses nur zu deutlich erkennen. K. Mendelssohn^Sartlioldy über den raflattcr Gesandtcmnord. Der ra flatter Gesandte nmord. Mit Benutzung handschriftlichen Materials aus den Archiven von Wien und Karlsruhe. Von Karl Mendelssohn-Bartholdy o. ö. Professor der Geschichte an der Universität Freiburg. Heidelberg 1869 bei Fr. Bassermann. Neben dem bis heute räthselhaft gebliebenen Verschwinden des eng¬ lischen LlriH-Ze <1e clöpöekes Sir Benjamin Bathurst zu Perleberg (1807) ist kein in neuerer Zeit an diplomatischen Personen verübtes Verbrechen so wenig aufgeklärt worden, wie der Meuchelmord, dem die Vertreter Frank¬ reichs auf dem rastatter Congreß im April 1799 zum Opfer fielen. Der Titel der vorliegenden Schrift und der demselben beigefügte Hinweis auf „handschriftliche Materialien aus den Archiven von Wien und Karlsruhe" ließen hoffen, daß es Herrn Mendelssohn, dem schätzenswerthen Biographen Capodistria's und Herausgeber des Pilat-Gentzschen Briefwechsels, gelungen sei, die Schleier zu lüften, welche seit sievenzig Jahren über diesem Verbrechen ruhen, mindestens neue Gesichtspunkte für die Beurtheilung desselben zu eröffnen. Leider sind beide Erwartungen gleich unerfüllt geblieben. Nach einer sehr hübsch geschriebenen Charakteristik der Verhältnisse, unter denen jener Congreß zu Stande kam, kommt der Verfasser zu dem Verbrechen selbst und 57*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/463>, abgerufen am 28.09.2024.