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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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vom 24. Juni 1861, bei Offenlassung des Rechtsweges für den Fürsten von
Jsenburg zu beantragen.

Die Berathung über diesen Antrag fand in der zweiten Kammer am
4. März l. I. statt. Bei solchen Berathungen glänzt in der Regel die gro߬
herzogliche Regierung durch ihre Abwesenheit. Es lassen sich nur wenige
Fälle auffinden, in denen die Regierung an Berathungen Theil nahm, bei wel¬
che" nicht Regierungspropositionen, sondern Anträge von Abgeordneten oder
Beschwerden behandelt wurden. Mit Recht findet man darin vielfach eine
Geringschätzung, es ist jedoch das ein der hessischen Negierung charakteristi¬
sches Benehmen. Heute aber, wo es sich um den Präsentationsanspruch des
Fürsten von Jsenburg handelte, erschien ein Regierungskommissär in der
Kammer, um diesen Anspruch zu vertheidigen; er wiederholte die schon
schriftlich vorgebrachten schwachen Gründe. Dazu kam denn noch der für
die Negierung ungünstige Umstand, daß die ersten Redner für die Regierung
drei Mitglieder der Kammer waren, welchen man entschiedenste Parteinahme
für die Ultramontanen, denen sie ihre Wahl verdanken, nicht absprechen kann.
In religiösen Dingen zeigt sich manchmal noch eine Empfindlichkeit der Mehr¬
heit der zweiten Kammer.

Man konnte der Regierung leicht widerlegen. Es war klar, daß es
sich hier um ein angeblich aus einem Vertrage entspringendes Recht han¬
delte, über das, wenn es bestritten wurde, nur der Richter entscheiden kann.
Das Einspruchsrecht der Stadt Offenbach war schon formell begründet, da
sie beim Vertragsabschluß von 1834 mitgewirkt hatte. Eine freiwillige Auf¬
gabe oder Beengung eines Staatshoheitsrechts, wie die Anstellung der Be¬
amten ist, steht der Negierung nicht zu, und das Interesse der Stadt Offen¬
bach, bei der von ihr allein sundirten Schule fremden Einfluß abzuwehren,
namentlich die reformirte Gemeinde vor den ultramontanen Beeinflussungen
zu schützen, liegt offen zu Tag. So kam es denn, daß nach einer sehr be¬
wegten Debatte die zweite Kammer sich einmüthig -- abgesehen von den
drei ultramontanen Mitgliedern und dem Schwiegervater des Einen dersel¬
ben -- gegen die Regierung erklärte.

Was aber wird der Erfolg sein? Wir bezweifeln, daß die Regierung
den Willen und die Energie hat, sich den auf sie einwirkenden Einflüssen,
die sie zur Nichtbeanstandung des fürstlichen Präsentationsrechts hinführten,
zu entziehen.

Inzwischen wird die Stadt Offenbach sich in ihrem Streben, die sittliche
und geistige Ausbildung ihrer Jugend, obwol sie allein die Mittel dazu
aufwenden will, zu fördern gehemmt sein, Lehrer und Schule werden ver¬
kümmern, und alles dies nur. weil die Stadt ankämpfen muß gegen einen
chimärischen Anspruch eines Mannes, der Nichts für die Schule thut. Sechs-


vom 24. Juni 1861, bei Offenlassung des Rechtsweges für den Fürsten von
Jsenburg zu beantragen.

Die Berathung über diesen Antrag fand in der zweiten Kammer am
4. März l. I. statt. Bei solchen Berathungen glänzt in der Regel die gro߬
herzogliche Regierung durch ihre Abwesenheit. Es lassen sich nur wenige
Fälle auffinden, in denen die Regierung an Berathungen Theil nahm, bei wel¬
che» nicht Regierungspropositionen, sondern Anträge von Abgeordneten oder
Beschwerden behandelt wurden. Mit Recht findet man darin vielfach eine
Geringschätzung, es ist jedoch das ein der hessischen Negierung charakteristi¬
sches Benehmen. Heute aber, wo es sich um den Präsentationsanspruch des
Fürsten von Jsenburg handelte, erschien ein Regierungskommissär in der
Kammer, um diesen Anspruch zu vertheidigen; er wiederholte die schon
schriftlich vorgebrachten schwachen Gründe. Dazu kam denn noch der für
die Negierung ungünstige Umstand, daß die ersten Redner für die Regierung
drei Mitglieder der Kammer waren, welchen man entschiedenste Parteinahme
für die Ultramontanen, denen sie ihre Wahl verdanken, nicht absprechen kann.
In religiösen Dingen zeigt sich manchmal noch eine Empfindlichkeit der Mehr¬
heit der zweiten Kammer.

Man konnte der Regierung leicht widerlegen. Es war klar, daß es
sich hier um ein angeblich aus einem Vertrage entspringendes Recht han¬
delte, über das, wenn es bestritten wurde, nur der Richter entscheiden kann.
Das Einspruchsrecht der Stadt Offenbach war schon formell begründet, da
sie beim Vertragsabschluß von 1834 mitgewirkt hatte. Eine freiwillige Auf¬
gabe oder Beengung eines Staatshoheitsrechts, wie die Anstellung der Be¬
amten ist, steht der Negierung nicht zu, und das Interesse der Stadt Offen¬
bach, bei der von ihr allein sundirten Schule fremden Einfluß abzuwehren,
namentlich die reformirte Gemeinde vor den ultramontanen Beeinflussungen
zu schützen, liegt offen zu Tag. So kam es denn, daß nach einer sehr be¬
wegten Debatte die zweite Kammer sich einmüthig — abgesehen von den
drei ultramontanen Mitgliedern und dem Schwiegervater des Einen dersel¬
ben — gegen die Regierung erklärte.

Was aber wird der Erfolg sein? Wir bezweifeln, daß die Regierung
den Willen und die Energie hat, sich den auf sie einwirkenden Einflüssen,
die sie zur Nichtbeanstandung des fürstlichen Präsentationsrechts hinführten,
zu entziehen.

Inzwischen wird die Stadt Offenbach sich in ihrem Streben, die sittliche
und geistige Ausbildung ihrer Jugend, obwol sie allein die Mittel dazu
aufwenden will, zu fördern gehemmt sein, Lehrer und Schule werden ver¬
kümmern, und alles dies nur. weil die Stadt ankämpfen muß gegen einen
chimärischen Anspruch eines Mannes, der Nichts für die Schule thut. Sechs-


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[0462] vom 24. Juni 1861, bei Offenlassung des Rechtsweges für den Fürsten von Jsenburg zu beantragen. Die Berathung über diesen Antrag fand in der zweiten Kammer am 4. März l. I. statt. Bei solchen Berathungen glänzt in der Regel die gro߬ herzogliche Regierung durch ihre Abwesenheit. Es lassen sich nur wenige Fälle auffinden, in denen die Regierung an Berathungen Theil nahm, bei wel¬ che» nicht Regierungspropositionen, sondern Anträge von Abgeordneten oder Beschwerden behandelt wurden. Mit Recht findet man darin vielfach eine Geringschätzung, es ist jedoch das ein der hessischen Negierung charakteristi¬ sches Benehmen. Heute aber, wo es sich um den Präsentationsanspruch des Fürsten von Jsenburg handelte, erschien ein Regierungskommissär in der Kammer, um diesen Anspruch zu vertheidigen; er wiederholte die schon schriftlich vorgebrachten schwachen Gründe. Dazu kam denn noch der für die Negierung ungünstige Umstand, daß die ersten Redner für die Regierung drei Mitglieder der Kammer waren, welchen man entschiedenste Parteinahme für die Ultramontanen, denen sie ihre Wahl verdanken, nicht absprechen kann. In religiösen Dingen zeigt sich manchmal noch eine Empfindlichkeit der Mehr¬ heit der zweiten Kammer. Man konnte der Regierung leicht widerlegen. Es war klar, daß es sich hier um ein angeblich aus einem Vertrage entspringendes Recht han¬ delte, über das, wenn es bestritten wurde, nur der Richter entscheiden kann. Das Einspruchsrecht der Stadt Offenbach war schon formell begründet, da sie beim Vertragsabschluß von 1834 mitgewirkt hatte. Eine freiwillige Auf¬ gabe oder Beengung eines Staatshoheitsrechts, wie die Anstellung der Be¬ amten ist, steht der Negierung nicht zu, und das Interesse der Stadt Offen¬ bach, bei der von ihr allein sundirten Schule fremden Einfluß abzuwehren, namentlich die reformirte Gemeinde vor den ultramontanen Beeinflussungen zu schützen, liegt offen zu Tag. So kam es denn, daß nach einer sehr be¬ wegten Debatte die zweite Kammer sich einmüthig — abgesehen von den drei ultramontanen Mitgliedern und dem Schwiegervater des Einen dersel¬ ben — gegen die Regierung erklärte. Was aber wird der Erfolg sein? Wir bezweifeln, daß die Regierung den Willen und die Energie hat, sich den auf sie einwirkenden Einflüssen, die sie zur Nichtbeanstandung des fürstlichen Präsentationsrechts hinführten, zu entziehen. Inzwischen wird die Stadt Offenbach sich in ihrem Streben, die sittliche und geistige Ausbildung ihrer Jugend, obwol sie allein die Mittel dazu aufwenden will, zu fördern gehemmt sein, Lehrer und Schule werden ver¬ kümmern, und alles dies nur. weil die Stadt ankämpfen muß gegen einen chimärischen Anspruch eines Mannes, der Nichts für die Schule thut. Sechs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/462>, abgerufen am 28.09.2024.