Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Wie irische Frage. 2. Die Staats kirche in Irland. (Vergl. Ur. 17 der Grenzboten.) Um sich ein unparteiliches Urtheil über die irische Kirchenfrage zu bilden, Wer die Institution einer Staatskirche vertheidigt, geht meist davon aus, Grenzboten II. 1868. 51
Wie irische Frage. 2. Die Staats kirche in Irland. (Vergl. Ur. 17 der Grenzboten.) Um sich ein unparteiliches Urtheil über die irische Kirchenfrage zu bilden, Wer die Institution einer Staatskirche vertheidigt, geht meist davon aus, Grenzboten II. 1868. 51
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Wie irische Frage.
2. Die Staats kirche in Irland.
(Vergl. Ur. 17 der Grenzboten.)
Um sich ein unparteiliches Urtheil über die irische Kirchenfrage zu bilden,
muß man dieselbe von der Frage trennen, ob die Taktik des Ministeriums
oder die der Opposition richtig gewesen? Zunächst wird es sich darum han¬
deln, die Thatsachen selbst und ihre Bedeutung festzustellen.
Wer die Institution einer Staatskirche vertheidigt, geht meist davon aus,
daß es der Wille der Nation sei, ihren Mitgliedern religiöse Unterweisung
geben zu lassen und daß durch Annahme einer bestimmten Confession, welche
sie als religiöse Wahrheit erkennt, die Verkündigung derselben die Autorität
sowohl von Kirche als von Staat erhalte. Unzweifelhaft lassen sich starke
Einwendungen gegen dies Prinzip machen. Man kann darauf hinweisen,
daß seine Consequenz stets zur Verfolgung geführt hat, denn wenn der Staat
erklärt, nur ein bestimmtes religiöses Bekenntniß für wahr zu halten, so
folgt daraus, daß er entgegenstehende Lehren nicht dulden darf. Aber es läßt
sich wenigstens hören, wenn gerade von liberaler Seite entgegnet wird, Ver¬
folgung sei in unsern Tagen nicht mehr zu befürchten, die Einwirkung des
Staates mache sich vielmehr im Gegentheile durch Mäßigung geltend, wäh¬
rend die Kirche, wo sie sich selbst überlassen ist, höchst exclusiv verfahre; sei doch
nirgends die Intoleranz größer als in Amerika. Geistliche z. B>, die als Zierden
der englischen Kirche betrachtet würden, seien in der anglikanischen Kirche
der Vereinigten Staaten sicher, ausgestoßen. zu werden. Die Berechtigung
dieses Argumentes scheint uns nicht unanfechtbar, aber es hat jedenfalls eine
unerläßliche Vorbedingung, nämlich die, daß die Staatskirche die ganz über¬
wiegende Majorität des Volkes umsaßt, wie es z. B. mit dem Katholicismus
in Frankreich und Spanien, mit dem Protestantismus in Skandinavien der
Fall ist. Auch in England bildet die anglikanische Kirche die Mehrheit,
wenngleich nicht in jenem Grade. Aber in Irland ist das absolute Gegen¬
theil der Fall; von den ca. 5,700,000 der Bevölkerung gehören nach dem
letzten Census nur etwa 700,000, also V», der englischen Staatskirche an
Grenzboten II. 1868. 51
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