Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

u. A. durch Büdinger, den Böhmen Feifalik und Wattenbach unwiderleglich
bewiesen. Es ist wohl möglich, daß zu anderer, namentlich der lyrischen
Fälschung Worte und Gedanken älterer böhmischer Kunstgedichte benutzt
wurden, deren Handschrift nach der Benutzung vernichtet ward, damit zu
Königinhof die Gesellschaft des verhältnißmäßig echten das völlig Erfundene
sichere. Die unehrliche Weise, in welcher Bibliothekbeamte zu Prag in jenen
Jahren mit ihren anvertrauten Pergamenten verfuhren, legt dergleichen Annahme
nahe. Es würde auch lohnen, die Blätter und Streifen der Königinhofer
Handschrift einmal an die verstümmelten Pergamentlagen jener verschnittenen
Handschriften zu halten. Wenn übrigens jetzt in Prag behauptet wird, daß
der verstorbene Bibliothekar Haut" nicht klug genug gewesen sei, die alte
Sprache nachzuahmen, so soll daran erinnert werden, daß zu seiner Zeit die
literarischen Czechen mit unbefangener Offenheit von einem Verfasser sprachen,
der den Hanka zur Verbreitung seiner humoristischen, Erfindungen benutzte.




Die zweite Woche des ZollMrlaments.

Der Ausgang der am 7. Mai gepflogenen Adreßdebatte hat scheinbar
ihren Urhebern Unrecht gegeben. Es ist nicht durch Parlamentsbeschluß förm¬
lich bekräftigt worden, daß das Verlangen der Nation nach voller und gan¬
zer politischer Einheit fortbestehe; das Recht des Zollparlaments, sich in
Adressen an das königliche Haupt des Zollbundes über allgemeine nationale
Anliegen zu äußern, hat nicht die Sicherung eines ersten Präcedenzfalls er¬
halten; die Verhandlung endlich hat weder zu einer Auflösung noch auch
nur zu einer Lockerung des unnatürlichen Bandes geführt, welches die preußische
conservative Partei mit den preußenscheuen Particularisten Süddeutschlands
augenblicklich umschlingt. Allein als Metz (mit der Mehrheit der hessischen Abge¬
ordneten) und Bluntschli (mit der Mehrheit der badischen) bei der nationallibe¬
ralen Partei ihren Antrag einbrachten, war dies alles eben nicht vorherzu-
sehen. Es war auch noch nicht vorherzusehen, als die nationale Partei beschloß,
auf die Sache einzugehen. Wenn nicht gerade Graf Bismarck selbst, so hatten
doch die nächststehenden Gehilfen desselben auf an sie gerichtete Anfragen, ob
eine Adreßverhandlung willkommen sei, keineswegs entmuthigend geantwor¬
tet. Noch aus der letzten Sitzung der Fractionsvorstände am Mittwoch gingen
die Unterhändler der conservativen Partei mit Aeußerungen weg, welche nicht


Grenzboten II. 1868. 3S

u. A. durch Büdinger, den Böhmen Feifalik und Wattenbach unwiderleglich
bewiesen. Es ist wohl möglich, daß zu anderer, namentlich der lyrischen
Fälschung Worte und Gedanken älterer böhmischer Kunstgedichte benutzt
wurden, deren Handschrift nach der Benutzung vernichtet ward, damit zu
Königinhof die Gesellschaft des verhältnißmäßig echten das völlig Erfundene
sichere. Die unehrliche Weise, in welcher Bibliothekbeamte zu Prag in jenen
Jahren mit ihren anvertrauten Pergamenten verfuhren, legt dergleichen Annahme
nahe. Es würde auch lohnen, die Blätter und Streifen der Königinhofer
Handschrift einmal an die verstümmelten Pergamentlagen jener verschnittenen
Handschriften zu halten. Wenn übrigens jetzt in Prag behauptet wird, daß
der verstorbene Bibliothekar Haut« nicht klug genug gewesen sei, die alte
Sprache nachzuahmen, so soll daran erinnert werden, daß zu seiner Zeit die
literarischen Czechen mit unbefangener Offenheit von einem Verfasser sprachen,
der den Hanka zur Verbreitung seiner humoristischen, Erfindungen benutzte.




Die zweite Woche des ZollMrlaments.

Der Ausgang der am 7. Mai gepflogenen Adreßdebatte hat scheinbar
ihren Urhebern Unrecht gegeben. Es ist nicht durch Parlamentsbeschluß förm¬
lich bekräftigt worden, daß das Verlangen der Nation nach voller und gan¬
zer politischer Einheit fortbestehe; das Recht des Zollparlaments, sich in
Adressen an das königliche Haupt des Zollbundes über allgemeine nationale
Anliegen zu äußern, hat nicht die Sicherung eines ersten Präcedenzfalls er¬
halten; die Verhandlung endlich hat weder zu einer Auflösung noch auch
nur zu einer Lockerung des unnatürlichen Bandes geführt, welches die preußische
conservative Partei mit den preußenscheuen Particularisten Süddeutschlands
augenblicklich umschlingt. Allein als Metz (mit der Mehrheit der hessischen Abge¬
ordneten) und Bluntschli (mit der Mehrheit der badischen) bei der nationallibe¬
ralen Partei ihren Antrag einbrachten, war dies alles eben nicht vorherzu-
sehen. Es war auch noch nicht vorherzusehen, als die nationale Partei beschloß,
auf die Sache einzugehen. Wenn nicht gerade Graf Bismarck selbst, so hatten
doch die nächststehenden Gehilfen desselben auf an sie gerichtete Anfragen, ob
eine Adreßverhandlung willkommen sei, keineswegs entmuthigend geantwor¬
tet. Noch aus der letzten Sitzung der Fractionsvorstände am Mittwoch gingen
die Unterhändler der conservativen Partei mit Aeußerungen weg, welche nicht


Grenzboten II. 1868. 3S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117809"/>
          <p xml:id="ID_876" prev="#ID_875"> u. A. durch Büdinger, den Böhmen Feifalik und Wattenbach unwiderleglich<lb/>
bewiesen. Es ist wohl möglich, daß zu anderer, namentlich der lyrischen<lb/>
Fälschung Worte und Gedanken älterer böhmischer Kunstgedichte benutzt<lb/>
wurden, deren Handschrift nach der Benutzung vernichtet ward, damit zu<lb/>
Königinhof die Gesellschaft des verhältnißmäßig echten das völlig Erfundene<lb/>
sichere. Die unehrliche Weise, in welcher Bibliothekbeamte zu Prag in jenen<lb/>
Jahren mit ihren anvertrauten Pergamenten verfuhren, legt dergleichen Annahme<lb/>
nahe. Es würde auch lohnen, die Blätter und Streifen der Königinhofer<lb/>
Handschrift einmal an die verstümmelten Pergamentlagen jener verschnittenen<lb/>
Handschriften zu halten. Wenn übrigens jetzt in Prag behauptet wird, daß<lb/>
der verstorbene Bibliothekar Haut« nicht klug genug gewesen sei, die alte<lb/>
Sprache nachzuahmen, so soll daran erinnert werden, daß zu seiner Zeit die<lb/>
literarischen Czechen mit unbefangener Offenheit von einem Verfasser sprachen,<lb/>
der den Hanka zur Verbreitung seiner humoristischen, Erfindungen benutzte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die zweite Woche des ZollMrlaments.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_877" next="#ID_878"> Der Ausgang der am 7. Mai gepflogenen Adreßdebatte hat scheinbar<lb/>
ihren Urhebern Unrecht gegeben. Es ist nicht durch Parlamentsbeschluß förm¬<lb/>
lich bekräftigt worden, daß das Verlangen der Nation nach voller und gan¬<lb/>
zer politischer Einheit fortbestehe; das Recht des Zollparlaments, sich in<lb/>
Adressen an das königliche Haupt des Zollbundes über allgemeine nationale<lb/>
Anliegen zu äußern, hat nicht die Sicherung eines ersten Präcedenzfalls er¬<lb/>
halten; die Verhandlung endlich hat weder zu einer Auflösung noch auch<lb/>
nur zu einer Lockerung des unnatürlichen Bandes geführt, welches die preußische<lb/>
conservative Partei mit den preußenscheuen Particularisten Süddeutschlands<lb/>
augenblicklich umschlingt. Allein als Metz (mit der Mehrheit der hessischen Abge¬<lb/>
ordneten) und Bluntschli (mit der Mehrheit der badischen) bei der nationallibe¬<lb/>
ralen Partei ihren Antrag einbrachten, war dies alles eben nicht vorherzu-<lb/>
sehen. Es war auch noch nicht vorherzusehen, als die nationale Partei beschloß,<lb/>
auf die Sache einzugehen. Wenn nicht gerade Graf Bismarck selbst, so hatten<lb/>
doch die nächststehenden Gehilfen desselben auf an sie gerichtete Anfragen, ob<lb/>
eine Adreßverhandlung willkommen sei, keineswegs entmuthigend geantwor¬<lb/>
tet. Noch aus der letzten Sitzung der Fractionsvorstände am Mittwoch gingen<lb/>
die Unterhändler der conservativen Partei mit Aeußerungen weg, welche nicht</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1868. 3S</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0277] u. A. durch Büdinger, den Böhmen Feifalik und Wattenbach unwiderleglich bewiesen. Es ist wohl möglich, daß zu anderer, namentlich der lyrischen Fälschung Worte und Gedanken älterer böhmischer Kunstgedichte benutzt wurden, deren Handschrift nach der Benutzung vernichtet ward, damit zu Königinhof die Gesellschaft des verhältnißmäßig echten das völlig Erfundene sichere. Die unehrliche Weise, in welcher Bibliothekbeamte zu Prag in jenen Jahren mit ihren anvertrauten Pergamenten verfuhren, legt dergleichen Annahme nahe. Es würde auch lohnen, die Blätter und Streifen der Königinhofer Handschrift einmal an die verstümmelten Pergamentlagen jener verschnittenen Handschriften zu halten. Wenn übrigens jetzt in Prag behauptet wird, daß der verstorbene Bibliothekar Haut« nicht klug genug gewesen sei, die alte Sprache nachzuahmen, so soll daran erinnert werden, daß zu seiner Zeit die literarischen Czechen mit unbefangener Offenheit von einem Verfasser sprachen, der den Hanka zur Verbreitung seiner humoristischen, Erfindungen benutzte. Die zweite Woche des ZollMrlaments. Der Ausgang der am 7. Mai gepflogenen Adreßdebatte hat scheinbar ihren Urhebern Unrecht gegeben. Es ist nicht durch Parlamentsbeschluß förm¬ lich bekräftigt worden, daß das Verlangen der Nation nach voller und gan¬ zer politischer Einheit fortbestehe; das Recht des Zollparlaments, sich in Adressen an das königliche Haupt des Zollbundes über allgemeine nationale Anliegen zu äußern, hat nicht die Sicherung eines ersten Präcedenzfalls er¬ halten; die Verhandlung endlich hat weder zu einer Auflösung noch auch nur zu einer Lockerung des unnatürlichen Bandes geführt, welches die preußische conservative Partei mit den preußenscheuen Particularisten Süddeutschlands augenblicklich umschlingt. Allein als Metz (mit der Mehrheit der hessischen Abge¬ ordneten) und Bluntschli (mit der Mehrheit der badischen) bei der nationallibe¬ ralen Partei ihren Antrag einbrachten, war dies alles eben nicht vorherzu- sehen. Es war auch noch nicht vorherzusehen, als die nationale Partei beschloß, auf die Sache einzugehen. Wenn nicht gerade Graf Bismarck selbst, so hatten doch die nächststehenden Gehilfen desselben auf an sie gerichtete Anfragen, ob eine Adreßverhandlung willkommen sei, keineswegs entmuthigend geantwor¬ tet. Noch aus der letzten Sitzung der Fractionsvorstände am Mittwoch gingen die Unterhändler der conservativen Partei mit Aeußerungen weg, welche nicht Grenzboten II. 1868. 3S

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/277
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/277>, abgerufen am 15.01.2025.