Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.nicht mehr, daß ein schlechter Mensch oder mehrere die Mitlebenden betrügen Hanusch nimmt nämlich an, und sucht darzuthun, daß die Fälschungen Es 'sind häßliche Streiflichter, welche durch diese Abhandlungen czechischer nicht mehr, daß ein schlechter Mensch oder mehrere die Mitlebenden betrügen Hanusch nimmt nämlich an, und sucht darzuthun, daß die Fälschungen Es 'sind häßliche Streiflichter, welche durch diese Abhandlungen czechischer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117808"/> <p xml:id="ID_873" prev="#ID_872"> nicht mehr, daß ein schlechter Mensch oder mehrere die Mitlebenden betrügen<lb/> wollten. Diese trifft die Schmach, die Stammverwandten haben keinen Theil<lb/> daran. Zu wünschen wäre nur. daß die czechischen Gelehrten das allgemein ein¬<lb/> sahen und sich von einer Auffassung lossagten, die zu kindisch und verkehrt ist,<lb/> um noch als Eitelkeit entschuldigt zu werden. Oder würde es die ganze deut¬<lb/> sche Nation schänden, wenn irgend ein Betrüger ein deutsches Gedicht fabri-<lb/> cirte? Würde es nicht jedes ehrlichen Mannes Pflicht sein, den Fälscher zu<lb/> entlarven? Ja, würde nicht jeder der Mitschuld sich theilhaftig machen, der<lb/> dieses unterläßt, der die Fälschung beschönigt oder gar vertheidigt? — Darum<lb/> Offenheit und Ehrlichkeit auch hier! weg mit allen künstlichen Versuchen, wenig¬<lb/> stens den Schein zu retten, wenn die Sache verloren ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_874"> Hanusch nimmt nämlich an, und sucht darzuthun, daß die Fälschungen<lb/> nach damals wirklich vorhandenen,'dann aber entweder vertilgten oder ver¬<lb/> borgenen jüngeren böhmischen Originalen gemacht, d. h. daß jüngere böh¬<lb/> mische Gedichte in eine ältere Periode zurückübersetzt worden seien. Daß eine<lb/> solche Procedur an sich wohl möglich ist, wollen wir nicht in Abrede stellen,<lb/> bemerken aber, daß hierzu nicht geringere sprachliche und paläographische<lb/> Kenntnisse gehören, als wenn man die Gedichte direct nach deutschen oder<lb/> lateinischen Originalien fabricirte. Die Fälschung wird also dadurch ebenso¬<lb/> wenig unschuldiger, wie die Schlechtigkeit des Fälschers geringer. Und es<lb/> muß dabei bleiben, daß das Wyssehrad- und Wenzellied nach einer deutschen,<lb/> die Prophezeiungen Libussa's nach einer lateinischen Vorlage fabricirt, die Fäl¬<lb/> schungen in der Les-robM SKIgMme aber gänzlich erfunden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_875" next="#ID_876"> Es 'sind häßliche Streiflichter, welche durch diese Abhandlungen czechischer<lb/> Schriftsteller auf das gelehrte Treiben der letztvergangenen Generation des<lb/> gelehrten Böhmens fallen. Für die Lebenden gilt es jetzt, sich von aller Mit¬<lb/> schuld zu lösen. Noch ist das Schwerste und Bielersee zurück, die Verurtheilung<lb/> des vermeinten größten Schatzes altczechischer Literatur, jener Pergamentblätter,<lb/> welche der übelbeleumdete W. Hanka im September 1817 zu Königinhof auf¬<lb/> gefunden haben will. Zwölf Pergamentblättchen in Duodez und zwei schmale<lb/> Streifen formen die Handschrift, welche sechs epische und acht lyrische Lieder<lb/> in Schriftzügen aus dem Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts ent¬<lb/> hält.- Diese Blätter sollen in einer Sammlung von Pfeilen gesteckt haben,<lb/> welche aus den Hussitenkriegen stummen und in einem niedrigen Gewölbe des<lb/> Kirchthurms unter dem Musikchor aufbewahrt wurden. Dort hat derselbe<lb/> Mann sie herausgewühlt, der bei Lebzeiten als einer der Väter czechischer<lb/> Wissenschaft gerühmt wurde und jetzt nur darum von dem Verdacht der Fäl¬<lb/> schung gelöst wird, weil er zu einfältig für solches Geschäft gewesen sei. Daß<lb/> nicht der ganze Inhalt der Handschrift echt ist und ein Theil der Gedichte<lb/> in der Zeit des Herrn Hanka verfertigt, das ist durch unsere Wissenschaft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
nicht mehr, daß ein schlechter Mensch oder mehrere die Mitlebenden betrügen
wollten. Diese trifft die Schmach, die Stammverwandten haben keinen Theil
daran. Zu wünschen wäre nur. daß die czechischen Gelehrten das allgemein ein¬
sahen und sich von einer Auffassung lossagten, die zu kindisch und verkehrt ist,
um noch als Eitelkeit entschuldigt zu werden. Oder würde es die ganze deut¬
sche Nation schänden, wenn irgend ein Betrüger ein deutsches Gedicht fabri-
cirte? Würde es nicht jedes ehrlichen Mannes Pflicht sein, den Fälscher zu
entlarven? Ja, würde nicht jeder der Mitschuld sich theilhaftig machen, der
dieses unterläßt, der die Fälschung beschönigt oder gar vertheidigt? — Darum
Offenheit und Ehrlichkeit auch hier! weg mit allen künstlichen Versuchen, wenig¬
stens den Schein zu retten, wenn die Sache verloren ist.
Hanusch nimmt nämlich an, und sucht darzuthun, daß die Fälschungen
nach damals wirklich vorhandenen,'dann aber entweder vertilgten oder ver¬
borgenen jüngeren böhmischen Originalen gemacht, d. h. daß jüngere böh¬
mische Gedichte in eine ältere Periode zurückübersetzt worden seien. Daß eine
solche Procedur an sich wohl möglich ist, wollen wir nicht in Abrede stellen,
bemerken aber, daß hierzu nicht geringere sprachliche und paläographische
Kenntnisse gehören, als wenn man die Gedichte direct nach deutschen oder
lateinischen Originalien fabricirte. Die Fälschung wird also dadurch ebenso¬
wenig unschuldiger, wie die Schlechtigkeit des Fälschers geringer. Und es
muß dabei bleiben, daß das Wyssehrad- und Wenzellied nach einer deutschen,
die Prophezeiungen Libussa's nach einer lateinischen Vorlage fabricirt, die Fäl¬
schungen in der Les-robM SKIgMme aber gänzlich erfunden sind.
Es 'sind häßliche Streiflichter, welche durch diese Abhandlungen czechischer
Schriftsteller auf das gelehrte Treiben der letztvergangenen Generation des
gelehrten Böhmens fallen. Für die Lebenden gilt es jetzt, sich von aller Mit¬
schuld zu lösen. Noch ist das Schwerste und Bielersee zurück, die Verurtheilung
des vermeinten größten Schatzes altczechischer Literatur, jener Pergamentblätter,
welche der übelbeleumdete W. Hanka im September 1817 zu Königinhof auf¬
gefunden haben will. Zwölf Pergamentblättchen in Duodez und zwei schmale
Streifen formen die Handschrift, welche sechs epische und acht lyrische Lieder
in Schriftzügen aus dem Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts ent¬
hält.- Diese Blätter sollen in einer Sammlung von Pfeilen gesteckt haben,
welche aus den Hussitenkriegen stummen und in einem niedrigen Gewölbe des
Kirchthurms unter dem Musikchor aufbewahrt wurden. Dort hat derselbe
Mann sie herausgewühlt, der bei Lebzeiten als einer der Väter czechischer
Wissenschaft gerühmt wurde und jetzt nur darum von dem Verdacht der Fäl¬
schung gelöst wird, weil er zu einfältig für solches Geschäft gewesen sei. Daß
nicht der ganze Inhalt der Handschrift echt ist und ein Theil der Gedichte
in der Zeit des Herrn Hanka verfertigt, das ist durch unsere Wissenschaft
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