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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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falsch pathetisch, oft abstract in seinen Deductionen. Courier hat von dem
Allen keine Spur; er schafft Bilder, er ist der Dichter unter den Pamphle-
tisten. Börne versuchte es, in der Mauthpredigt ihn nachzuahmen, aber
diesem einzigen nur halb gelungenen Versuche merkt man gar sehr das Fremd¬
artige an. Bei aller Feinheit des Witzes hat Börne weder die poetische
Gestaltungskraft noch die gewaltige leidenschaftliche Concentrirung Courier's.
Börne ist ein Witzling ersten Ranges und im besten Sinne, er erhebt sich
oft bis zum Humor, fast nie bis zur wirksamen Satire. Freilich spielte
Courier ein anderes, volltönenderes Instrument. Denn während Börne
seinem Publikum fern stand, sich ein solches erst erdenken, bilden, erziehen
mußte, stand Courier inmitten einer einheitlichen und stolz bewußten Nationa¬
lität und fußte auf geschichtlichen Eindrücken, die in den Köpfen aller seiner
Leser lebendig waren.




Das Mndniß zwischen Preußen und Italien im Zahr 1866.
^us g,r,ni Zi xxzlitiog. italikng,. Kioorcli e-ä Imxrossioni al Ltokano ^Ävini.
Nil^no 1868. (Schluß zu voriger Ur.)

Bevor noch der Allianzvertrag mit Preußen abgeschlossen wurde, war für
^e italienische Negierung ein wichtiger Punkt klar zu stellen. Sie mußte sich
die Frage vorlegen, was die Stellung Frankreichs bei einem gemeinsamen
italienisch-preußischen Krieg gegen Oestreich sein würde. Es war. wie Jacini
bemerkte, für Italien nicht blos eine Sache der Schicklichkeit, sondern der
Nothwendigkeit, sich über diese Frage Gewißheit zu verschaffen- Die Allianz
t"it Preußen sollte kein Aufgeben der französischen Allianz bedeuten, und
doch war der Fall denkbar, daß Frankreich zwar nicht aus Abneigung gegen
Italien, wohl aber aus Furcht vor einer übermäßigen Vergrößerung Preußens
on Gunsten Oestreichs interveniren würde und so für Italien aus einem
Verbündeten in einen Gegner sich verwandelte.

Darüber sich Klarheit zu verschaffen, war Gegenstand der diplomatischen
Mission, welche einem ausgezeichneten lombardischen Edelmann (dem Grafen
^rese) anvertraut wurde, der durch seine langjährige persönliche Freundschaft
"'it dem Kaiser Napoleon hierzu besonders geeignet war und schon früher
ähnliche Aufträge erfolgreich ausgeführt hatte. Graf Arche begab sich gegen
^nde März nach Paris, um dem Kaiser freimüthig auseinanderzusetzen, in


falsch pathetisch, oft abstract in seinen Deductionen. Courier hat von dem
Allen keine Spur; er schafft Bilder, er ist der Dichter unter den Pamphle-
tisten. Börne versuchte es, in der Mauthpredigt ihn nachzuahmen, aber
diesem einzigen nur halb gelungenen Versuche merkt man gar sehr das Fremd¬
artige an. Bei aller Feinheit des Witzes hat Börne weder die poetische
Gestaltungskraft noch die gewaltige leidenschaftliche Concentrirung Courier's.
Börne ist ein Witzling ersten Ranges und im besten Sinne, er erhebt sich
oft bis zum Humor, fast nie bis zur wirksamen Satire. Freilich spielte
Courier ein anderes, volltönenderes Instrument. Denn während Börne
seinem Publikum fern stand, sich ein solches erst erdenken, bilden, erziehen
mußte, stand Courier inmitten einer einheitlichen und stolz bewußten Nationa¬
lität und fußte auf geschichtlichen Eindrücken, die in den Köpfen aller seiner
Leser lebendig waren.




Das Mndniß zwischen Preußen und Italien im Zahr 1866.
^us g,r,ni Zi xxzlitiog. italikng,. Kioorcli e-ä Imxrossioni al Ltokano ^Ävini.
Nil^no 1868. (Schluß zu voriger Ur.)

Bevor noch der Allianzvertrag mit Preußen abgeschlossen wurde, war für
^e italienische Negierung ein wichtiger Punkt klar zu stellen. Sie mußte sich
die Frage vorlegen, was die Stellung Frankreichs bei einem gemeinsamen
italienisch-preußischen Krieg gegen Oestreich sein würde. Es war. wie Jacini
bemerkte, für Italien nicht blos eine Sache der Schicklichkeit, sondern der
Nothwendigkeit, sich über diese Frage Gewißheit zu verschaffen- Die Allianz
t"it Preußen sollte kein Aufgeben der französischen Allianz bedeuten, und
doch war der Fall denkbar, daß Frankreich zwar nicht aus Abneigung gegen
Italien, wohl aber aus Furcht vor einer übermäßigen Vergrößerung Preußens
on Gunsten Oestreichs interveniren würde und so für Italien aus einem
Verbündeten in einen Gegner sich verwandelte.

Darüber sich Klarheit zu verschaffen, war Gegenstand der diplomatischen
Mission, welche einem ausgezeichneten lombardischen Edelmann (dem Grafen
^rese) anvertraut wurde, der durch seine langjährige persönliche Freundschaft
"'it dem Kaiser Napoleon hierzu besonders geeignet war und schon früher
ähnliche Aufträge erfolgreich ausgeführt hatte. Graf Arche begab sich gegen
^nde März nach Paris, um dem Kaiser freimüthig auseinanderzusetzen, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/451>, abgerufen am 28.09.2024.