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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Die internationale MarineaussteUung im Havre.

Die große pariser Industrieausstellung des Jahres 1867 war kaum
geschlossen, als man in Frankreich schon daran dachte, eine neue Aus¬
stellung ins Werk zu setzen. Doch es sollte dies nicht eine allgemeine Aus¬
stellung sein, berechnet für alle, auch die verschiedensten Zweige menschlicher
Thätigkeit, deren Mannichfaltigkeit auf den Besucher fast mehr verwirrend
als belehrend wirkt: vielmehr wollte man sich diesmal mit voller Energie
auf ein einzelnes Fach concentriren, und in diesem zeigen, was Frankreich
der übrigen Welt gegenüber zu leisten im Stande sei, auf das Fach der
Marine. Gerade für diesen Zweck war Havre als Aufstellungsplatz außer¬
ordentlich günstig gewählt: die Stadt selbst liegt, ungleich den meisten ande¬
ren nordeuropäischen Seeplätzen, welche dem Handel großer Ströme als
Basis dienen, hart an der See. Der Seeverkehr und Seehandel Havres ist
wahrhaft enorm. Dieser Ort ist gleichsam die Seevorstadt des nur acht
Stunden (Eisenbahnfahrzeit) entfernten Paris, der colossalen Stadt, welche
von der Regierung als dem ganzen übrigen Frankreich an Wichtigkeit
gleichstehend betrachtet wird. Havre ist mit dem Binnenlande zwiefach, auf
doppelten Wegen, durch Eisenbahnen und durch die Seine verbunden. Nicht
minder leicht ist Havre von den Küsten Englands aus zu erreichen, zu denen
der Dampfer in ebenfalls acht Stunden gelangt. Havre liegt in der Mitte
zwischen Südengland und Paris, auf neutraler Bahn zur See von allen
Nationen erreichbar, und außerdem in einer entzückend schönen Naturum¬
gebung, die den Aufenthalt am Ausstellungsorte zu einem wahren Ver¬
gnügen macht.

Trotzdem hat die Ausstellung sich nicht ganz so glänzend entwickelt, wie
es unter den angedeuteten Umständen wohl zu erwarten gewesen wäre. Ein¬
mal folgte sie nach dem Urtheil Aller viel zu rasch auf die große pariser Aus¬
stellung des Vorjahres. Der Beschauer hatte noch zu sehr die Bilder jenes
colossalen Werkes im Sinne, als daß er die Ausstellung im Havre hätte
imposant finden können, so lehrreich und interessant sie auch sein mochte: die
Aussteller dagegen, welche in Paris die Section der Marine mit ihren Objecten
belebt hatten, scheuten zum Theil die nochmaligen bedeutenden Kosten der
Versendung und Ausstellung. Anscheinend ist dieses Motiv auch bei den
Regierungen maßgebend gewesen. Denn weder die englische Regierung,
deren grandiose Modellsammlung im Schuppen des pariser Seinequai jedem
Bewunderung einflößen mußte, noch auch selbst die französische Regierung
hatte das Geringste eingesandt, was um so auffälliger ist, als einmal keine


Die internationale MarineaussteUung im Havre.

Die große pariser Industrieausstellung des Jahres 1867 war kaum
geschlossen, als man in Frankreich schon daran dachte, eine neue Aus¬
stellung ins Werk zu setzen. Doch es sollte dies nicht eine allgemeine Aus¬
stellung sein, berechnet für alle, auch die verschiedensten Zweige menschlicher
Thätigkeit, deren Mannichfaltigkeit auf den Besucher fast mehr verwirrend
als belehrend wirkt: vielmehr wollte man sich diesmal mit voller Energie
auf ein einzelnes Fach concentriren, und in diesem zeigen, was Frankreich
der übrigen Welt gegenüber zu leisten im Stande sei, auf das Fach der
Marine. Gerade für diesen Zweck war Havre als Aufstellungsplatz außer¬
ordentlich günstig gewählt: die Stadt selbst liegt, ungleich den meisten ande¬
ren nordeuropäischen Seeplätzen, welche dem Handel großer Ströme als
Basis dienen, hart an der See. Der Seeverkehr und Seehandel Havres ist
wahrhaft enorm. Dieser Ort ist gleichsam die Seevorstadt des nur acht
Stunden (Eisenbahnfahrzeit) entfernten Paris, der colossalen Stadt, welche
von der Regierung als dem ganzen übrigen Frankreich an Wichtigkeit
gleichstehend betrachtet wird. Havre ist mit dem Binnenlande zwiefach, auf
doppelten Wegen, durch Eisenbahnen und durch die Seine verbunden. Nicht
minder leicht ist Havre von den Küsten Englands aus zu erreichen, zu denen
der Dampfer in ebenfalls acht Stunden gelangt. Havre liegt in der Mitte
zwischen Südengland und Paris, auf neutraler Bahn zur See von allen
Nationen erreichbar, und außerdem in einer entzückend schönen Naturum¬
gebung, die den Aufenthalt am Ausstellungsorte zu einem wahren Ver¬
gnügen macht.

Trotzdem hat die Ausstellung sich nicht ganz so glänzend entwickelt, wie
es unter den angedeuteten Umständen wohl zu erwarten gewesen wäre. Ein¬
mal folgte sie nach dem Urtheil Aller viel zu rasch auf die große pariser Aus¬
stellung des Vorjahres. Der Beschauer hatte noch zu sehr die Bilder jenes
colossalen Werkes im Sinne, als daß er die Ausstellung im Havre hätte
imposant finden können, so lehrreich und interessant sie auch sein mochte: die
Aussteller dagegen, welche in Paris die Section der Marine mit ihren Objecten
belebt hatten, scheuten zum Theil die nochmaligen bedeutenden Kosten der
Versendung und Ausstellung. Anscheinend ist dieses Motiv auch bei den
Regierungen maßgebend gewesen. Denn weder die englische Regierung,
deren grandiose Modellsammlung im Schuppen des pariser Seinequai jedem
Bewunderung einflößen mußte, noch auch selbst die französische Regierung
hatte das Geringste eingesandt, was um so auffälliger ist, als einmal keine


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[0284] Die internationale MarineaussteUung im Havre. Die große pariser Industrieausstellung des Jahres 1867 war kaum geschlossen, als man in Frankreich schon daran dachte, eine neue Aus¬ stellung ins Werk zu setzen. Doch es sollte dies nicht eine allgemeine Aus¬ stellung sein, berechnet für alle, auch die verschiedensten Zweige menschlicher Thätigkeit, deren Mannichfaltigkeit auf den Besucher fast mehr verwirrend als belehrend wirkt: vielmehr wollte man sich diesmal mit voller Energie auf ein einzelnes Fach concentriren, und in diesem zeigen, was Frankreich der übrigen Welt gegenüber zu leisten im Stande sei, auf das Fach der Marine. Gerade für diesen Zweck war Havre als Aufstellungsplatz außer¬ ordentlich günstig gewählt: die Stadt selbst liegt, ungleich den meisten ande¬ ren nordeuropäischen Seeplätzen, welche dem Handel großer Ströme als Basis dienen, hart an der See. Der Seeverkehr und Seehandel Havres ist wahrhaft enorm. Dieser Ort ist gleichsam die Seevorstadt des nur acht Stunden (Eisenbahnfahrzeit) entfernten Paris, der colossalen Stadt, welche von der Regierung als dem ganzen übrigen Frankreich an Wichtigkeit gleichstehend betrachtet wird. Havre ist mit dem Binnenlande zwiefach, auf doppelten Wegen, durch Eisenbahnen und durch die Seine verbunden. Nicht minder leicht ist Havre von den Küsten Englands aus zu erreichen, zu denen der Dampfer in ebenfalls acht Stunden gelangt. Havre liegt in der Mitte zwischen Südengland und Paris, auf neutraler Bahn zur See von allen Nationen erreichbar, und außerdem in einer entzückend schönen Naturum¬ gebung, die den Aufenthalt am Ausstellungsorte zu einem wahren Ver¬ gnügen macht. Trotzdem hat die Ausstellung sich nicht ganz so glänzend entwickelt, wie es unter den angedeuteten Umständen wohl zu erwarten gewesen wäre. Ein¬ mal folgte sie nach dem Urtheil Aller viel zu rasch auf die große pariser Aus¬ stellung des Vorjahres. Der Beschauer hatte noch zu sehr die Bilder jenes colossalen Werkes im Sinne, als daß er die Ausstellung im Havre hätte imposant finden können, so lehrreich und interessant sie auch sein mochte: die Aussteller dagegen, welche in Paris die Section der Marine mit ihren Objecten belebt hatten, scheuten zum Theil die nochmaligen bedeutenden Kosten der Versendung und Ausstellung. Anscheinend ist dieses Motiv auch bei den Regierungen maßgebend gewesen. Denn weder die englische Regierung, deren grandiose Modellsammlung im Schuppen des pariser Seinequai jedem Bewunderung einflößen mußte, noch auch selbst die französische Regierung hatte das Geringste eingesandt, was um so auffälliger ist, als einmal keine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/284>, abgerufen am 28.06.2024.