Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Directorium die Eroberung von Tyrol und redet mit den Leitern der Geschicke
Frankreichs im Ton des Gebieters, des Feldherrn und Staatsmanns, der sich unentbehr¬
lich weiß. Liest man die Briefe, welche in die I. 1795--97 fallen, der Reihe nach,
so läßt sich die Verwandlung oder vielmehr Entwickelung in der Seele des jungen
Soldaten beinahe mit Händen greifen. Ton und Haltung der amtlichen wie der
privaten Briefe werden von Tag zu Tage kürzer, strenger, gebietender. Die gemüthlichen
Züge, welche Anfangs noch wie Sonnenstrahlen aus einer dunklen Wolke brechen,
machen mehr und mehr jener starren, antiken Kälte Platz, welche Menschenleben und
Menschenglück nur als Mittel zum Zweck ansieht. Ueber die Erschießung eines
dutzend verdächtiger italienischer Gemeinderäthe wird mit derselben Ruhe und Gleich¬
gültigkeit berichtet, wie über die Erbeutung einer Anzahl Proviantwagen und wenn
den Bürgern einer rebellischen Stadt gedroht wird, die Tödtung eines einzigen
Franzosen werde mit vollständiger Zerstörung des Orts und Errichtung einer Säule
mit der Inschrift "Hier war die Stadt Pavia" identisch seien, so ist von vorneherein
aller Zweifel an dem Ernst dieser Drohung ausgeschlossen. Daß der Mensch der
Styl ist, trifft nirgend deutlicher zu, als in dieser Briefsammlung, deren einzelne
Phasen mit den Processen, die sich in der Seele des Absenders vollziehen, im engsten,
nachweisbarsten Zusammenhang stehen.

Der vorliegende erste Theil umfaßt die Feldzüge von 1796 und 97, die Ver¬
träge von Leoben, Campo Formio und Rcistatt und schließt mit Napoleons Rück¬
kehr nach Paris (Nov. 1797). Dem Erscheinen der Fortsetzung sehen wir mit
Interesse entgegen, da Auswahl des Stoffs und Art der Uebersetzung aus dem bisher
erschienenen Bande gleich rühmenswerth sind.




Handbuch der neuesten Kirchengeschichte, seit der Restauration von 1814- Von Prof.
Dr. Friedrich Nippold in Heidelberg. Bevorwortet von Richard Rothe.
Zweite revidirte Auflage (Elberfeld bei R. L. Friedrichs) 484 S.

Der Name des ausgezeichneten Theologen, der das vorliegende Buch wenige
Monate vor seinem Tode mit einer Empfehlung an die theologische und nicht¬
theologische Welt Deutschlands ausgestattet hat, macht genauere Ausführungen über
den vom Autor desselben eingenommenen wissenschaftlichen Standpunkt überflüssig. Der
Verfasser bekennt sich bereits in dem Vorwort zur ersten Auflage, zu denen, welche
in kirchlicher wie in politischer Beziehung "die Avantgarde Preußens in Baden"
bilden und sich auf theologischen Gebiet die Versöhnung des religiösen Menschheits¬
bedürfnisses mit der modernen Wissenschaft zur Aufgabe gemacht haben. Man sieht
dem Buche sofort an , daß es auf dem Schauplatz der heißesten confessionellen Kämpfe
geschrieben ist, welche in dem heutigen Deutschland ausgefochten werden; es rechnet
nicht nur mit den Fanatikern des repristinirenden Confesfionalismus im Norden
ab, -- reichlich die Hälfte dieses fleißigen Buchs hat es mit katholischer Kirchenpolitik
seit der Restauration von 1815 zu thun und geht mit dankenswerther Ausführlich¬
keit auf die Geschichte der ultramontanen Bestrebungen in und außerhalb Deutsch¬
lands ein.


dem Directorium die Eroberung von Tyrol und redet mit den Leitern der Geschicke
Frankreichs im Ton des Gebieters, des Feldherrn und Staatsmanns, der sich unentbehr¬
lich weiß. Liest man die Briefe, welche in die I. 1795—97 fallen, der Reihe nach,
so läßt sich die Verwandlung oder vielmehr Entwickelung in der Seele des jungen
Soldaten beinahe mit Händen greifen. Ton und Haltung der amtlichen wie der
privaten Briefe werden von Tag zu Tage kürzer, strenger, gebietender. Die gemüthlichen
Züge, welche Anfangs noch wie Sonnenstrahlen aus einer dunklen Wolke brechen,
machen mehr und mehr jener starren, antiken Kälte Platz, welche Menschenleben und
Menschenglück nur als Mittel zum Zweck ansieht. Ueber die Erschießung eines
dutzend verdächtiger italienischer Gemeinderäthe wird mit derselben Ruhe und Gleich¬
gültigkeit berichtet, wie über die Erbeutung einer Anzahl Proviantwagen und wenn
den Bürgern einer rebellischen Stadt gedroht wird, die Tödtung eines einzigen
Franzosen werde mit vollständiger Zerstörung des Orts und Errichtung einer Säule
mit der Inschrift „Hier war die Stadt Pavia" identisch seien, so ist von vorneherein
aller Zweifel an dem Ernst dieser Drohung ausgeschlossen. Daß der Mensch der
Styl ist, trifft nirgend deutlicher zu, als in dieser Briefsammlung, deren einzelne
Phasen mit den Processen, die sich in der Seele des Absenders vollziehen, im engsten,
nachweisbarsten Zusammenhang stehen.

Der vorliegende erste Theil umfaßt die Feldzüge von 1796 und 97, die Ver¬
träge von Leoben, Campo Formio und Rcistatt und schließt mit Napoleons Rück¬
kehr nach Paris (Nov. 1797). Dem Erscheinen der Fortsetzung sehen wir mit
Interesse entgegen, da Auswahl des Stoffs und Art der Uebersetzung aus dem bisher
erschienenen Bande gleich rühmenswerth sind.




Handbuch der neuesten Kirchengeschichte, seit der Restauration von 1814- Von Prof.
Dr. Friedrich Nippold in Heidelberg. Bevorwortet von Richard Rothe.
Zweite revidirte Auflage (Elberfeld bei R. L. Friedrichs) 484 S.

Der Name des ausgezeichneten Theologen, der das vorliegende Buch wenige
Monate vor seinem Tode mit einer Empfehlung an die theologische und nicht¬
theologische Welt Deutschlands ausgestattet hat, macht genauere Ausführungen über
den vom Autor desselben eingenommenen wissenschaftlichen Standpunkt überflüssig. Der
Verfasser bekennt sich bereits in dem Vorwort zur ersten Auflage, zu denen, welche
in kirchlicher wie in politischer Beziehung „die Avantgarde Preußens in Baden"
bilden und sich auf theologischen Gebiet die Versöhnung des religiösen Menschheits¬
bedürfnisses mit der modernen Wissenschaft zur Aufgabe gemacht haben. Man sieht
dem Buche sofort an , daß es auf dem Schauplatz der heißesten confessionellen Kämpfe
geschrieben ist, welche in dem heutigen Deutschland ausgefochten werden; es rechnet
nicht nur mit den Fanatikern des repristinirenden Confesfionalismus im Norden
ab, — reichlich die Hälfte dieses fleißigen Buchs hat es mit katholischer Kirchenpolitik
seit der Restauration von 1815 zu thun und geht mit dankenswerther Ausführlich¬
keit auf die Geschichte der ultramontanen Bestrebungen in und außerhalb Deutsch¬
lands ein.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286968"/>
            <p xml:id="ID_672" prev="#ID_671"> dem Directorium die Eroberung von Tyrol und redet mit den Leitern der Geschicke<lb/>
Frankreichs im Ton des Gebieters, des Feldherrn und Staatsmanns, der sich unentbehr¬<lb/>
lich weiß. Liest man die Briefe, welche in die I. 1795&#x2014;97 fallen, der Reihe nach,<lb/>
so läßt sich die Verwandlung oder vielmehr Entwickelung in der Seele des jungen<lb/>
Soldaten beinahe mit Händen greifen. Ton und Haltung der amtlichen wie der<lb/>
privaten Briefe werden von Tag zu Tage kürzer, strenger, gebietender. Die gemüthlichen<lb/>
Züge, welche Anfangs noch wie Sonnenstrahlen aus einer dunklen Wolke brechen,<lb/>
machen mehr und mehr jener starren, antiken Kälte Platz, welche Menschenleben und<lb/>
Menschenglück nur als Mittel zum Zweck ansieht. Ueber die Erschießung eines<lb/>
dutzend verdächtiger italienischer Gemeinderäthe wird mit derselben Ruhe und Gleich¬<lb/>
gültigkeit berichtet, wie über die Erbeutung einer Anzahl Proviantwagen und wenn<lb/>
den Bürgern einer rebellischen Stadt gedroht wird, die Tödtung eines einzigen<lb/>
Franzosen werde mit vollständiger Zerstörung des Orts und Errichtung einer Säule<lb/>
mit der Inschrift &#x201E;Hier war die Stadt Pavia" identisch seien, so ist von vorneherein<lb/>
aller Zweifel an dem Ernst dieser Drohung ausgeschlossen. Daß der Mensch der<lb/>
Styl ist, trifft nirgend deutlicher zu, als in dieser Briefsammlung, deren einzelne<lb/>
Phasen mit den Processen, die sich in der Seele des Absenders vollziehen, im engsten,<lb/>
nachweisbarsten Zusammenhang stehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_673"> Der vorliegende erste Theil umfaßt die Feldzüge von 1796 und 97, die Ver¬<lb/>
träge von Leoben, Campo Formio und Rcistatt und schließt mit Napoleons Rück¬<lb/>
kehr nach Paris (Nov. 1797). Dem Erscheinen der Fortsetzung sehen wir mit<lb/>
Interesse entgegen, da Auswahl des Stoffs und Art der Uebersetzung aus dem bisher<lb/>
erschienenen Bande gleich rühmenswerth sind.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Handbuch der neuesten Kirchengeschichte, seit der Restauration von 1814- Von Prof.<lb/>
Dr. Friedrich Nippold in Heidelberg.  Bevorwortet von Richard Rothe.<lb/>
Zweite revidirte Auflage (Elberfeld bei R. L. Friedrichs) 484 S.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_674"> Der Name des ausgezeichneten Theologen, der das vorliegende Buch wenige<lb/>
Monate vor seinem Tode mit einer Empfehlung an die theologische und nicht¬<lb/>
theologische Welt Deutschlands ausgestattet hat, macht genauere Ausführungen über<lb/>
den vom Autor desselben eingenommenen wissenschaftlichen Standpunkt überflüssig. Der<lb/>
Verfasser bekennt sich bereits in dem Vorwort zur ersten Auflage, zu denen, welche<lb/>
in kirchlicher wie in politischer Beziehung &#x201E;die Avantgarde Preußens in Baden"<lb/>
bilden und sich auf theologischen Gebiet die Versöhnung des religiösen Menschheits¬<lb/>
bedürfnisses mit der modernen Wissenschaft zur Aufgabe gemacht haben. Man sieht<lb/>
dem Buche sofort an , daß es auf dem Schauplatz der heißesten confessionellen Kämpfe<lb/>
geschrieben ist, welche in dem heutigen Deutschland ausgefochten werden; es rechnet<lb/>
nicht nur mit den Fanatikern des repristinirenden Confesfionalismus im Norden<lb/>
ab, &#x2014; reichlich die Hälfte dieses fleißigen Buchs hat es mit katholischer Kirchenpolitik<lb/>
seit der Restauration von 1815 zu thun und geht mit dankenswerther Ausführlich¬<lb/>
keit auf die Geschichte der ultramontanen Bestrebungen in und außerhalb Deutsch¬<lb/>
lands ein.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0256] dem Directorium die Eroberung von Tyrol und redet mit den Leitern der Geschicke Frankreichs im Ton des Gebieters, des Feldherrn und Staatsmanns, der sich unentbehr¬ lich weiß. Liest man die Briefe, welche in die I. 1795—97 fallen, der Reihe nach, so läßt sich die Verwandlung oder vielmehr Entwickelung in der Seele des jungen Soldaten beinahe mit Händen greifen. Ton und Haltung der amtlichen wie der privaten Briefe werden von Tag zu Tage kürzer, strenger, gebietender. Die gemüthlichen Züge, welche Anfangs noch wie Sonnenstrahlen aus einer dunklen Wolke brechen, machen mehr und mehr jener starren, antiken Kälte Platz, welche Menschenleben und Menschenglück nur als Mittel zum Zweck ansieht. Ueber die Erschießung eines dutzend verdächtiger italienischer Gemeinderäthe wird mit derselben Ruhe und Gleich¬ gültigkeit berichtet, wie über die Erbeutung einer Anzahl Proviantwagen und wenn den Bürgern einer rebellischen Stadt gedroht wird, die Tödtung eines einzigen Franzosen werde mit vollständiger Zerstörung des Orts und Errichtung einer Säule mit der Inschrift „Hier war die Stadt Pavia" identisch seien, so ist von vorneherein aller Zweifel an dem Ernst dieser Drohung ausgeschlossen. Daß der Mensch der Styl ist, trifft nirgend deutlicher zu, als in dieser Briefsammlung, deren einzelne Phasen mit den Processen, die sich in der Seele des Absenders vollziehen, im engsten, nachweisbarsten Zusammenhang stehen. Der vorliegende erste Theil umfaßt die Feldzüge von 1796 und 97, die Ver¬ träge von Leoben, Campo Formio und Rcistatt und schließt mit Napoleons Rück¬ kehr nach Paris (Nov. 1797). Dem Erscheinen der Fortsetzung sehen wir mit Interesse entgegen, da Auswahl des Stoffs und Art der Uebersetzung aus dem bisher erschienenen Bande gleich rühmenswerth sind. Handbuch der neuesten Kirchengeschichte, seit der Restauration von 1814- Von Prof. Dr. Friedrich Nippold in Heidelberg. Bevorwortet von Richard Rothe. Zweite revidirte Auflage (Elberfeld bei R. L. Friedrichs) 484 S. Der Name des ausgezeichneten Theologen, der das vorliegende Buch wenige Monate vor seinem Tode mit einer Empfehlung an die theologische und nicht¬ theologische Welt Deutschlands ausgestattet hat, macht genauere Ausführungen über den vom Autor desselben eingenommenen wissenschaftlichen Standpunkt überflüssig. Der Verfasser bekennt sich bereits in dem Vorwort zur ersten Auflage, zu denen, welche in kirchlicher wie in politischer Beziehung „die Avantgarde Preußens in Baden" bilden und sich auf theologischen Gebiet die Versöhnung des religiösen Menschheits¬ bedürfnisses mit der modernen Wissenschaft zur Aufgabe gemacht haben. Man sieht dem Buche sofort an , daß es auf dem Schauplatz der heißesten confessionellen Kämpfe geschrieben ist, welche in dem heutigen Deutschland ausgefochten werden; es rechnet nicht nur mit den Fanatikern des repristinirenden Confesfionalismus im Norden ab, — reichlich die Hälfte dieses fleißigen Buchs hat es mit katholischer Kirchenpolitik seit der Restauration von 1815 zu thun und geht mit dankenswerther Ausführlich¬ keit auf die Geschichte der ultramontanen Bestrebungen in und außerhalb Deutsch¬ lands ein.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/256
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/256>, abgerufen am 28.06.2024.