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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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in den Städten fungiren Kammer- und Rathhausgerichte-, die Hofgerichte
spielen die Rolle der regulären Appellationsinstanz und sind zugleich die Ge¬
richte des Adels, der außer der besonderen Vertretung im Landtage, nur noch
das Privilegium eines besonderen Gerichtsstandes genießt.

Die Zusammensetzung des Landtages aus vier Kurier ist bereits oben
angedeutet worden. Die Adelskammer, an deren Spitze der vom Kaiser
ernannte Landmarschall steht, wird aus den Familienhäuptern der ritterlichen
Geschlechter gebildet, der geistliche Stand aus den Bischöfen und Propstei-
deputirten, welche in dem Erzbischof von Finnland ihren Sprecher haben.
Die andern Kurier gehen aus städtischen und ländlichen Wahlen hervor, an
denen die städtischen Vollbürger und die angesessenen Bauern Theil haben.

Ein Verständniß der politischen Entwickelung, welche sich in diesen schwer¬
fälligen, aber soliden Formen ständischer Repräsentation vollzogen hat, ist
nur möglich, wenn auf die jüngste Geschichte Finnlands und das eigenthüm¬
liche Verhältniß der beiden Stämme näher eingegangen wird, welche dieses
Land bewohnen. Auch hier hat das Nationalitätsprincip eine merkwürdige
und bedeutsame Rolle gespielt und zwar lange bevor es von Paris her als
Grundlage eines neuen politischen Systems proklamirt und mit seinem gegen¬
wärtigen Namen belegt worden. Dieselben Gegensätze, um welche es sich
in den Ostseeprovinzen Liv-, Est- und Kurland und in Lithauen handelt,
finden sich, wenn auch in anderen Formen in "Suomenmaa" vor -- auch
hier ist viele Jahrzehnte lang darüber gestritten worden, ob die numerische
Majorität oder die Bildung und Autorität repräsentirende Minderheit den
Ausschlag geben, dem geistigen und politischen Leben der Landschaft seinen
Stempel aufprägen soll.

Von diesen Kämpfen und ihrem Ausgang soll ein anderes Mal und
zwar im Zusammenhang mit einem Abriß des städtischen und des literärischen
Lebens nördlich vom finnischen Meerbusen, berichtet werden.




Aus Schwaben.

Die bestrittenste und zugleich entscheidenste Wahl, auf welche mit größter
Spannung das ganze Land blickte, fand am 25. Juli als die letzte statt:
mit ihr erst läßt sich die Bilanz des Wahlergebnisses ziehen. Diese Wahl
-- es war derjenige Bezirk, der den kahlen Gipfel des Hohenstaufen umgibt


in den Städten fungiren Kammer- und Rathhausgerichte-, die Hofgerichte
spielen die Rolle der regulären Appellationsinstanz und sind zugleich die Ge¬
richte des Adels, der außer der besonderen Vertretung im Landtage, nur noch
das Privilegium eines besonderen Gerichtsstandes genießt.

Die Zusammensetzung des Landtages aus vier Kurier ist bereits oben
angedeutet worden. Die Adelskammer, an deren Spitze der vom Kaiser
ernannte Landmarschall steht, wird aus den Familienhäuptern der ritterlichen
Geschlechter gebildet, der geistliche Stand aus den Bischöfen und Propstei-
deputirten, welche in dem Erzbischof von Finnland ihren Sprecher haben.
Die andern Kurier gehen aus städtischen und ländlichen Wahlen hervor, an
denen die städtischen Vollbürger und die angesessenen Bauern Theil haben.

Ein Verständniß der politischen Entwickelung, welche sich in diesen schwer¬
fälligen, aber soliden Formen ständischer Repräsentation vollzogen hat, ist
nur möglich, wenn auf die jüngste Geschichte Finnlands und das eigenthüm¬
liche Verhältniß der beiden Stämme näher eingegangen wird, welche dieses
Land bewohnen. Auch hier hat das Nationalitätsprincip eine merkwürdige
und bedeutsame Rolle gespielt und zwar lange bevor es von Paris her als
Grundlage eines neuen politischen Systems proklamirt und mit seinem gegen¬
wärtigen Namen belegt worden. Dieselben Gegensätze, um welche es sich
in den Ostseeprovinzen Liv-, Est- und Kurland und in Lithauen handelt,
finden sich, wenn auch in anderen Formen in „Suomenmaa" vor — auch
hier ist viele Jahrzehnte lang darüber gestritten worden, ob die numerische
Majorität oder die Bildung und Autorität repräsentirende Minderheit den
Ausschlag geben, dem geistigen und politischen Leben der Landschaft seinen
Stempel aufprägen soll.

Von diesen Kämpfen und ihrem Ausgang soll ein anderes Mal und
zwar im Zusammenhang mit einem Abriß des städtischen und des literärischen
Lebens nördlich vom finnischen Meerbusen, berichtet werden.




Aus Schwaben.

Die bestrittenste und zugleich entscheidenste Wahl, auf welche mit größter
Spannung das ganze Land blickte, fand am 25. Juli als die letzte statt:
mit ihr erst läßt sich die Bilanz des Wahlergebnisses ziehen. Diese Wahl
— es war derjenige Bezirk, der den kahlen Gipfel des Hohenstaufen umgibt


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[0248] in den Städten fungiren Kammer- und Rathhausgerichte-, die Hofgerichte spielen die Rolle der regulären Appellationsinstanz und sind zugleich die Ge¬ richte des Adels, der außer der besonderen Vertretung im Landtage, nur noch das Privilegium eines besonderen Gerichtsstandes genießt. Die Zusammensetzung des Landtages aus vier Kurier ist bereits oben angedeutet worden. Die Adelskammer, an deren Spitze der vom Kaiser ernannte Landmarschall steht, wird aus den Familienhäuptern der ritterlichen Geschlechter gebildet, der geistliche Stand aus den Bischöfen und Propstei- deputirten, welche in dem Erzbischof von Finnland ihren Sprecher haben. Die andern Kurier gehen aus städtischen und ländlichen Wahlen hervor, an denen die städtischen Vollbürger und die angesessenen Bauern Theil haben. Ein Verständniß der politischen Entwickelung, welche sich in diesen schwer¬ fälligen, aber soliden Formen ständischer Repräsentation vollzogen hat, ist nur möglich, wenn auf die jüngste Geschichte Finnlands und das eigenthüm¬ liche Verhältniß der beiden Stämme näher eingegangen wird, welche dieses Land bewohnen. Auch hier hat das Nationalitätsprincip eine merkwürdige und bedeutsame Rolle gespielt und zwar lange bevor es von Paris her als Grundlage eines neuen politischen Systems proklamirt und mit seinem gegen¬ wärtigen Namen belegt worden. Dieselben Gegensätze, um welche es sich in den Ostseeprovinzen Liv-, Est- und Kurland und in Lithauen handelt, finden sich, wenn auch in anderen Formen in „Suomenmaa" vor — auch hier ist viele Jahrzehnte lang darüber gestritten worden, ob die numerische Majorität oder die Bildung und Autorität repräsentirende Minderheit den Ausschlag geben, dem geistigen und politischen Leben der Landschaft seinen Stempel aufprägen soll. Von diesen Kämpfen und ihrem Ausgang soll ein anderes Mal und zwar im Zusammenhang mit einem Abriß des städtischen und des literärischen Lebens nördlich vom finnischen Meerbusen, berichtet werden. Aus Schwaben. Die bestrittenste und zugleich entscheidenste Wahl, auf welche mit größter Spannung das ganze Land blickte, fand am 25. Juli als die letzte statt: mit ihr erst läßt sich die Bilanz des Wahlergebnisses ziehen. Diese Wahl — es war derjenige Bezirk, der den kahlen Gipfel des Hohenstaufen umgibt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/248>, abgerufen am 24.08.2024.