Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Godfried in der fünften und ebenfalls ein Jahr unter dem Baccalaureus
juris Johann von Venzey in der vierten Classe studirt hatte, dann in
der dritten an Bartholmäus von Köln einen vorzüglichen Lehrer fand,
der mit gleichem Eifer für sich seine Studien forttrieb, als sei er noch ein
Schüler, und wißbegierige Schüler in alle Wege thätig zu fördern bestrebt
war. Aber jetzt traten Verhältnisse ein, welche Johannes bestimmten, nach
einem Aufenthalt von vier Jahren gegen seine Wünsche die Schule in De-
venter zu verlassen und in den Orden als Geistlicher einzutreten. So hoch
stand das Ansehen der Schule, daß einer, der auch nur die fünfte Classe er¬
reicht hatte, für besser vorbereitet zu dem geistlichen Stand galt, als wer
sonst irgendwo die höheren Classen absolvirt hatte.

Wir verfolgen die geistliche und literarische Laufbahn des Johannes
nicht weiter; auch sein Reisebuch legt Zeugniß ab von der fleißigen Lecture,
der stilistischen Gewandtheit, der tüchtigen Bildung, welche ihn als einen
ehrenwerthen Schüler der Schule von Deventer charakterisirt.


Otto Jahr.


Die Aufgaben des Zollparlaments.

Wenn man von dem norddeutschen Reichstag, als er vor Jahresfrist
zum erstenmal zusammentrat, sagen konnte, er nehme das Werk wieder auf,
das im Erfurter Parlament 18S0 zu Boden fiel, fo knüpft das Parlament,
dessen Zusammentreten nun bevorsteht, den schon im Frühjahr 1849 abge¬
rissenen Faden gesammtdeutscher Gesetzgebung von neuem an, und gibt der
Nation für die Dauer zurück, was sie einmal vorübergehend wie im Traum
besessen. Daß es dem Namen und der nächsten vertragsmäßigen Rechts¬
umgrenzung gemäß nur ein Zollparlament sein soll, das die Erbschaft
jenes ersten nationalen Parlaments übernimmt, entspricht dem Gesetz, welches
unsere politische Entwickelung beherrscht. Im Zollverein hat die- preußische
Staatskraft zu Zeiten, in denen sie sich der Vernunft ihres Thuns kaum
selber noch bewußt war. den Gegenbund geschaffen, der den alten deutschen
Bund langsam, unmerklich aus den Angeln heben sollte, und der sich schon
vor der letzten gewaltigen Ermannung Preußens, während des Streits über
den deutsch-französischen Handelsvertrag, fester gefugt erwies als das Werk
des wiener Congresses von 1815. Das Fraternisiren der Deutschen auf
großen Volksfesten erwies sich im Augenblick der Probe nicht als. von beson-


Godfried in der fünften und ebenfalls ein Jahr unter dem Baccalaureus
juris Johann von Venzey in der vierten Classe studirt hatte, dann in
der dritten an Bartholmäus von Köln einen vorzüglichen Lehrer fand,
der mit gleichem Eifer für sich seine Studien forttrieb, als sei er noch ein
Schüler, und wißbegierige Schüler in alle Wege thätig zu fördern bestrebt
war. Aber jetzt traten Verhältnisse ein, welche Johannes bestimmten, nach
einem Aufenthalt von vier Jahren gegen seine Wünsche die Schule in De-
venter zu verlassen und in den Orden als Geistlicher einzutreten. So hoch
stand das Ansehen der Schule, daß einer, der auch nur die fünfte Classe er¬
reicht hatte, für besser vorbereitet zu dem geistlichen Stand galt, als wer
sonst irgendwo die höheren Classen absolvirt hatte.

Wir verfolgen die geistliche und literarische Laufbahn des Johannes
nicht weiter; auch sein Reisebuch legt Zeugniß ab von der fleißigen Lecture,
der stilistischen Gewandtheit, der tüchtigen Bildung, welche ihn als einen
ehrenwerthen Schüler der Schule von Deventer charakterisirt.


Otto Jahr.


Die Aufgaben des Zollparlaments.

Wenn man von dem norddeutschen Reichstag, als er vor Jahresfrist
zum erstenmal zusammentrat, sagen konnte, er nehme das Werk wieder auf,
das im Erfurter Parlament 18S0 zu Boden fiel, fo knüpft das Parlament,
dessen Zusammentreten nun bevorsteht, den schon im Frühjahr 1849 abge¬
rissenen Faden gesammtdeutscher Gesetzgebung von neuem an, und gibt der
Nation für die Dauer zurück, was sie einmal vorübergehend wie im Traum
besessen. Daß es dem Namen und der nächsten vertragsmäßigen Rechts¬
umgrenzung gemäß nur ein Zollparlament sein soll, das die Erbschaft
jenes ersten nationalen Parlaments übernimmt, entspricht dem Gesetz, welches
unsere politische Entwickelung beherrscht. Im Zollverein hat die- preußische
Staatskraft zu Zeiten, in denen sie sich der Vernunft ihres Thuns kaum
selber noch bewußt war. den Gegenbund geschaffen, der den alten deutschen
Bund langsam, unmerklich aus den Angeln heben sollte, und der sich schon
vor der letzten gewaltigen Ermannung Preußens, während des Streits über
den deutsch-französischen Handelsvertrag, fester gefugt erwies als das Werk
des wiener Congresses von 1815. Das Fraternisiren der Deutschen auf
großen Volksfesten erwies sich im Augenblick der Probe nicht als. von beson-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117505"/>
          <p xml:id="ID_1623" prev="#ID_1622"> Godfried in der fünften und ebenfalls ein Jahr unter dem Baccalaureus<lb/>
juris Johann von Venzey in der vierten Classe studirt hatte, dann in<lb/>
der dritten an Bartholmäus von Köln einen vorzüglichen Lehrer fand,<lb/>
der mit gleichem Eifer für sich seine Studien forttrieb, als sei er noch ein<lb/>
Schüler, und wißbegierige Schüler in alle Wege thätig zu fördern bestrebt<lb/>
war. Aber jetzt traten Verhältnisse ein, welche Johannes bestimmten, nach<lb/>
einem Aufenthalt von vier Jahren gegen seine Wünsche die Schule in De-<lb/>
venter zu verlassen und in den Orden als Geistlicher einzutreten. So hoch<lb/>
stand das Ansehen der Schule, daß einer, der auch nur die fünfte Classe er¬<lb/>
reicht hatte, für besser vorbereitet zu dem geistlichen Stand galt, als wer<lb/>
sonst irgendwo die höheren Classen absolvirt hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1624"> Wir verfolgen die geistliche und literarische Laufbahn des Johannes<lb/>
nicht weiter; auch sein Reisebuch legt Zeugniß ab von der fleißigen Lecture,<lb/>
der stilistischen Gewandtheit, der tüchtigen Bildung, welche ihn als einen<lb/>
ehrenwerthen Schüler der Schule von Deventer charakterisirt.</p><lb/>
          <note type="byline"> Otto Jahr.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Aufgaben des Zollparlaments.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1625" next="#ID_1626"> Wenn man von dem norddeutschen Reichstag, als er vor Jahresfrist<lb/>
zum erstenmal zusammentrat, sagen konnte, er nehme das Werk wieder auf,<lb/>
das im Erfurter Parlament 18S0 zu Boden fiel, fo knüpft das Parlament,<lb/>
dessen Zusammentreten nun bevorsteht, den schon im Frühjahr 1849 abge¬<lb/>
rissenen Faden gesammtdeutscher Gesetzgebung von neuem an, und gibt der<lb/>
Nation für die Dauer zurück, was sie einmal vorübergehend wie im Traum<lb/>
besessen. Daß es dem Namen und der nächsten vertragsmäßigen Rechts¬<lb/>
umgrenzung gemäß nur ein Zollparlament sein soll, das die Erbschaft<lb/>
jenes ersten nationalen Parlaments übernimmt, entspricht dem Gesetz, welches<lb/>
unsere politische Entwickelung beherrscht. Im Zollverein hat die- preußische<lb/>
Staatskraft zu Zeiten, in denen sie sich der Vernunft ihres Thuns kaum<lb/>
selber noch bewußt war. den Gegenbund geschaffen, der den alten deutschen<lb/>
Bund langsam, unmerklich aus den Angeln heben sollte, und der sich schon<lb/>
vor der letzten gewaltigen Ermannung Preußens, während des Streits über<lb/>
den deutsch-französischen Handelsvertrag, fester gefugt erwies als das Werk<lb/>
des wiener Congresses von 1815. Das Fraternisiren der Deutschen auf<lb/>
großen Volksfesten erwies sich im Augenblick der Probe nicht als. von beson-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0503] Godfried in der fünften und ebenfalls ein Jahr unter dem Baccalaureus juris Johann von Venzey in der vierten Classe studirt hatte, dann in der dritten an Bartholmäus von Köln einen vorzüglichen Lehrer fand, der mit gleichem Eifer für sich seine Studien forttrieb, als sei er noch ein Schüler, und wißbegierige Schüler in alle Wege thätig zu fördern bestrebt war. Aber jetzt traten Verhältnisse ein, welche Johannes bestimmten, nach einem Aufenthalt von vier Jahren gegen seine Wünsche die Schule in De- venter zu verlassen und in den Orden als Geistlicher einzutreten. So hoch stand das Ansehen der Schule, daß einer, der auch nur die fünfte Classe er¬ reicht hatte, für besser vorbereitet zu dem geistlichen Stand galt, als wer sonst irgendwo die höheren Classen absolvirt hatte. Wir verfolgen die geistliche und literarische Laufbahn des Johannes nicht weiter; auch sein Reisebuch legt Zeugniß ab von der fleißigen Lecture, der stilistischen Gewandtheit, der tüchtigen Bildung, welche ihn als einen ehrenwerthen Schüler der Schule von Deventer charakterisirt. Otto Jahr. Die Aufgaben des Zollparlaments. Wenn man von dem norddeutschen Reichstag, als er vor Jahresfrist zum erstenmal zusammentrat, sagen konnte, er nehme das Werk wieder auf, das im Erfurter Parlament 18S0 zu Boden fiel, fo knüpft das Parlament, dessen Zusammentreten nun bevorsteht, den schon im Frühjahr 1849 abge¬ rissenen Faden gesammtdeutscher Gesetzgebung von neuem an, und gibt der Nation für die Dauer zurück, was sie einmal vorübergehend wie im Traum besessen. Daß es dem Namen und der nächsten vertragsmäßigen Rechts¬ umgrenzung gemäß nur ein Zollparlament sein soll, das die Erbschaft jenes ersten nationalen Parlaments übernimmt, entspricht dem Gesetz, welches unsere politische Entwickelung beherrscht. Im Zollverein hat die- preußische Staatskraft zu Zeiten, in denen sie sich der Vernunft ihres Thuns kaum selber noch bewußt war. den Gegenbund geschaffen, der den alten deutschen Bund langsam, unmerklich aus den Angeln heben sollte, und der sich schon vor der letzten gewaltigen Ermannung Preußens, während des Streits über den deutsch-französischen Handelsvertrag, fester gefugt erwies als das Werk des wiener Congresses von 1815. Das Fraternisiren der Deutschen auf großen Volksfesten erwies sich im Augenblick der Probe nicht als. von beson-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/503
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/503>, abgerufen am 29.06.2024.