Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Silber ist, aber Schweigen Gold. Das bisher gesagte wird, meine ich, hin¬
länglich darthun, daß die Provinz Preußen schon lange krankte, ehe von
Nothstand die Rede war. Verkümmerte Entwicklung auf allen Gebieten,
auf einigen sogar Rückschritt; nothgedrungene Beschränkung auf eine Er¬
werbsquelle und dann Versagen derselben -- das ist, kurz gefaßt, die
traurige Erklärung der Zustände, von deren Schilderung alle Tagesblätter
voll sind.

Werke der Barmherzigkeit hat man reichlich an uns gethan -- Dank
allen freundlichen Gebern dafür! Aber unserer Noth ist nicht damit abge¬
holfen, daß man augenblicklich die Hungernden speistund die nackten kleidet.
Gründlich helfen kann uns nur der Staat; von ihm erwarten wir in Zu¬
kunft bessere Berücksichtigung unserer Interessen, raschere Entwicklung unserer
Kräfte. Wir bitten nicht um Gunst; Gerechtigkeit ists, die wir anrufen!




Vereine unter dem Protectorat der Kronprinzessin von Preußen.
1. Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin.

Es ist in Deutschland gewöhnlich, daß gemeinnützige Unternehmungen
erlauchte Förderer suchen. Wenn aber hier und in späteren Heften Bestre¬
bungen von hervorragender Bedeutung mit dem Namen einer deutschen Fürstin
verbunden werden, so hat dies seinen besondern Grund. Denn in Wahrheit
ist die Kronprinzessin für das obengenannte, wie für einige andere Institute
die erste Begründerin, und der thätige Antheil, welchen sie den betreffenden
Vereinen zuwendet, reicht weit über das Maß der vornehmen Gunst, welche
sonst volksthümlichen Bestrebungen zu Theil wird. Sie war es, welche die
Reise des Dr. Hermann Schwabe nach England und die Schrift desselben:
"Die Förderung der Kunst und Industrie in England" veranlaßte, und als
bei dem Erscheinen dieser Schrift die Agitation für Begründung eines
Gewerbemuseums in Berlin begann, hat sie wieder in eingehendster Weise
dem Unternehmen Freunde geworben, an dem Verein den wärmsten Theil
genommen, selbst mit schönem Eifer beigesteuert und Andere dazu veranlaßt.

Bevor aber mit der gebotenen Discretion in d. Bl. von ihrer Thätigkeit
und von der Bedeutung des neuen Instituts die Rede ist, soll in dieser
Nummer kurz der gegenwärtige Stand des Unternehmens dargelegt werden.

Seit die Grenzboten einen Aufsatz über die Broschüre von Dr. Schwabe
brachten, haben wir die ersten praktischen Resultate der Agitation gesehen;
sie hat festen Boden gewonnen, der größte Schritt vorwärts ist gethan. Denn


Grenzboten I, 18K8. 63

Silber ist, aber Schweigen Gold. Das bisher gesagte wird, meine ich, hin¬
länglich darthun, daß die Provinz Preußen schon lange krankte, ehe von
Nothstand die Rede war. Verkümmerte Entwicklung auf allen Gebieten,
auf einigen sogar Rückschritt; nothgedrungene Beschränkung auf eine Er¬
werbsquelle und dann Versagen derselben — das ist, kurz gefaßt, die
traurige Erklärung der Zustände, von deren Schilderung alle Tagesblätter
voll sind.

Werke der Barmherzigkeit hat man reichlich an uns gethan — Dank
allen freundlichen Gebern dafür! Aber unserer Noth ist nicht damit abge¬
holfen, daß man augenblicklich die Hungernden speistund die nackten kleidet.
Gründlich helfen kann uns nur der Staat; von ihm erwarten wir in Zu¬
kunft bessere Berücksichtigung unserer Interessen, raschere Entwicklung unserer
Kräfte. Wir bitten nicht um Gunst; Gerechtigkeit ists, die wir anrufen!




Vereine unter dem Protectorat der Kronprinzessin von Preußen.
1. Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin.

Es ist in Deutschland gewöhnlich, daß gemeinnützige Unternehmungen
erlauchte Förderer suchen. Wenn aber hier und in späteren Heften Bestre¬
bungen von hervorragender Bedeutung mit dem Namen einer deutschen Fürstin
verbunden werden, so hat dies seinen besondern Grund. Denn in Wahrheit
ist die Kronprinzessin für das obengenannte, wie für einige andere Institute
die erste Begründerin, und der thätige Antheil, welchen sie den betreffenden
Vereinen zuwendet, reicht weit über das Maß der vornehmen Gunst, welche
sonst volksthümlichen Bestrebungen zu Theil wird. Sie war es, welche die
Reise des Dr. Hermann Schwabe nach England und die Schrift desselben:
„Die Förderung der Kunst und Industrie in England" veranlaßte, und als
bei dem Erscheinen dieser Schrift die Agitation für Begründung eines
Gewerbemuseums in Berlin begann, hat sie wieder in eingehendster Weise
dem Unternehmen Freunde geworben, an dem Verein den wärmsten Theil
genommen, selbst mit schönem Eifer beigesteuert und Andere dazu veranlaßt.

Bevor aber mit der gebotenen Discretion in d. Bl. von ihrer Thätigkeit
und von der Bedeutung des neuen Instituts die Rede ist, soll in dieser
Nummer kurz der gegenwärtige Stand des Unternehmens dargelegt werden.

Seit die Grenzboten einen Aufsatz über die Broschüre von Dr. Schwabe
brachten, haben wir die ersten praktischen Resultate der Agitation gesehen;
sie hat festen Boden gewonnen, der größte Schritt vorwärts ist gethan. Denn


Grenzboten I, 18K8. 63
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117429"/>
          <p xml:id="ID_1387" prev="#ID_1386"> Silber ist, aber Schweigen Gold. Das bisher gesagte wird, meine ich, hin¬<lb/>
länglich darthun, daß die Provinz Preußen schon lange krankte, ehe von<lb/>
Nothstand die Rede war. Verkümmerte Entwicklung auf allen Gebieten,<lb/>
auf einigen sogar Rückschritt; nothgedrungene Beschränkung auf eine Er¬<lb/>
werbsquelle und dann Versagen derselben &#x2014; das ist, kurz gefaßt, die<lb/>
traurige Erklärung der Zustände, von deren Schilderung alle Tagesblätter<lb/>
voll sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1388"> Werke der Barmherzigkeit hat man reichlich an uns gethan &#x2014; Dank<lb/>
allen freundlichen Gebern dafür! Aber unserer Noth ist nicht damit abge¬<lb/>
holfen, daß man augenblicklich die Hungernden speistund die nackten kleidet.<lb/>
Gründlich helfen kann uns nur der Staat; von ihm erwarten wir in Zu¬<lb/>
kunft bessere Berücksichtigung unserer Interessen, raschere Entwicklung unserer<lb/>
Kräfte. Wir bitten nicht um Gunst; Gerechtigkeit ists, die wir anrufen!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vereine unter dem Protectorat der Kronprinzessin von Preußen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 1. Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1389"> Es ist in Deutschland gewöhnlich, daß gemeinnützige Unternehmungen<lb/>
erlauchte Förderer suchen. Wenn aber hier und in späteren Heften Bestre¬<lb/>
bungen von hervorragender Bedeutung mit dem Namen einer deutschen Fürstin<lb/>
verbunden werden, so hat dies seinen besondern Grund. Denn in Wahrheit<lb/>
ist die Kronprinzessin für das obengenannte, wie für einige andere Institute<lb/>
die erste Begründerin, und der thätige Antheil, welchen sie den betreffenden<lb/>
Vereinen zuwendet, reicht weit über das Maß der vornehmen Gunst, welche<lb/>
sonst volksthümlichen Bestrebungen zu Theil wird. Sie war es, welche die<lb/>
Reise des Dr. Hermann Schwabe nach England und die Schrift desselben:<lb/>
&#x201E;Die Förderung der Kunst und Industrie in England" veranlaßte, und als<lb/>
bei dem Erscheinen dieser Schrift die Agitation für Begründung eines<lb/>
Gewerbemuseums in Berlin begann, hat sie wieder in eingehendster Weise<lb/>
dem Unternehmen Freunde geworben, an dem Verein den wärmsten Theil<lb/>
genommen, selbst mit schönem Eifer beigesteuert und Andere dazu veranlaßt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1390"> Bevor aber mit der gebotenen Discretion in d. Bl. von ihrer Thätigkeit<lb/>
und von der Bedeutung des neuen Instituts die Rede ist, soll in dieser<lb/>
Nummer kurz der gegenwärtige Stand des Unternehmens dargelegt werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1391" next="#ID_1392"> Seit die Grenzboten einen Aufsatz über die Broschüre von Dr. Schwabe<lb/>
brachten, haben wir die ersten praktischen Resultate der Agitation gesehen;<lb/>
sie hat festen Boden gewonnen, der größte Schritt vorwärts ist gethan. Denn</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I, 18K8. 63</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0425] Silber ist, aber Schweigen Gold. Das bisher gesagte wird, meine ich, hin¬ länglich darthun, daß die Provinz Preußen schon lange krankte, ehe von Nothstand die Rede war. Verkümmerte Entwicklung auf allen Gebieten, auf einigen sogar Rückschritt; nothgedrungene Beschränkung auf eine Er¬ werbsquelle und dann Versagen derselben — das ist, kurz gefaßt, die traurige Erklärung der Zustände, von deren Schilderung alle Tagesblätter voll sind. Werke der Barmherzigkeit hat man reichlich an uns gethan — Dank allen freundlichen Gebern dafür! Aber unserer Noth ist nicht damit abge¬ holfen, daß man augenblicklich die Hungernden speistund die nackten kleidet. Gründlich helfen kann uns nur der Staat; von ihm erwarten wir in Zu¬ kunft bessere Berücksichtigung unserer Interessen, raschere Entwicklung unserer Kräfte. Wir bitten nicht um Gunst; Gerechtigkeit ists, die wir anrufen! Vereine unter dem Protectorat der Kronprinzessin von Preußen. 1. Das deutsche Gewerbemuseum zu Berlin. Es ist in Deutschland gewöhnlich, daß gemeinnützige Unternehmungen erlauchte Förderer suchen. Wenn aber hier und in späteren Heften Bestre¬ bungen von hervorragender Bedeutung mit dem Namen einer deutschen Fürstin verbunden werden, so hat dies seinen besondern Grund. Denn in Wahrheit ist die Kronprinzessin für das obengenannte, wie für einige andere Institute die erste Begründerin, und der thätige Antheil, welchen sie den betreffenden Vereinen zuwendet, reicht weit über das Maß der vornehmen Gunst, welche sonst volksthümlichen Bestrebungen zu Theil wird. Sie war es, welche die Reise des Dr. Hermann Schwabe nach England und die Schrift desselben: „Die Förderung der Kunst und Industrie in England" veranlaßte, und als bei dem Erscheinen dieser Schrift die Agitation für Begründung eines Gewerbemuseums in Berlin begann, hat sie wieder in eingehendster Weise dem Unternehmen Freunde geworben, an dem Verein den wärmsten Theil genommen, selbst mit schönem Eifer beigesteuert und Andere dazu veranlaßt. Bevor aber mit der gebotenen Discretion in d. Bl. von ihrer Thätigkeit und von der Bedeutung des neuen Instituts die Rede ist, soll in dieser Nummer kurz der gegenwärtige Stand des Unternehmens dargelegt werden. Seit die Grenzboten einen Aufsatz über die Broschüre von Dr. Schwabe brachten, haben wir die ersten praktischen Resultate der Agitation gesehen; sie hat festen Boden gewonnen, der größte Schritt vorwärts ist gethan. Denn Grenzboten I, 18K8. 63

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/425
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/425>, abgerufen am 29.06.2024.