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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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in diesem Augenblick ist das ersehnte Institut nicht mehr eine schöne Idee,
sondern ganz positive Wirklichkeit: das Museum als Sammlung wie als Lehr¬
anstalt ist der öffentlichen Benutzung übergeben, seine Schränke füllen sich
täglich mehr mit den für dasselbe erworbenen Objecten, seine Lehrclassen mit
Schülern; das gute Vertrauen Aller, welche zuerst den Gedanken dazu faßten
und die Initiative zu seiner Verwirklichung ergriffen, ist wenigstens nicht
gänzlich ungerechtfertigt geblieben.

Unter denen, welche am lebhaftesten für das Werk arbeiteten, nennen
wir: den Assessor Lehfeldt, den Maler Ewald, Dr. F. Jagor.(den Siam-
Reisenden). Das Bedürfniß erschien so einleuchtend, die Wichtigkeit
machte sich so fühlbar, daß der gute Gedanke Anklang finden mußte. Be¬
kannte und einflußreiche Persönlichkeiten, Industrielle, Techniker, Gelehrte
und Künstler Berlins fanden sich bald genug in dem gleichen Eifer zu¬
sammen, die Sache kräftigst zu fördern. Directe Einladungen und Auf¬
forderungen seitens der hohen Frau an Männer von Namen und Vermögen
im ganzen Lande, sich thätig zu erweisen zur Realisirung eines solchen Plans,
konnten nicht des Erfolgs entbehren. Staatsbeihilfe zu beantragen und damit
staatliche Einmischung und Reglementirung herbeizuziehen, enthielt man sich
zunächst mit Recht; man hoffte eine rein bürgerliche Schöpfung des Gemein¬
sinns durch die freiwillige Arbeit und Selbstbesteuerung auch bei uns ins Leben
rufen zu können, eine Hoffnung, welcher freilich der spätere Verlauf der Ent¬
wicklung nicht völlig entsprochen hat. Die Ereignisse des Jahres 1866 wur¬
den der Betheiligung des Capitals daran verhängnißvoll; und kaum be¬
gann dieselbe wieder etwas lebhafter zu werden, als sich die.durch die
luxemburger Affaire in die europäische Welt geworfene neue Unsicherheit und
Unruhe den Interessen des zu begründenden Instituts nicht weniger ge¬
fährlich erwies. Gegenwärtig aber thun wieder Geschäftsstockung, Noth¬
stand und theuere Zeit das ihrige, um das thätige Interesse der Besitzenden
an dem Institut zu lahmen. Im Verhältniß zu der Wichtigkeit des Zwecks
ist noch immer sehr viel zu thun.

Ein bedeutungsvolleres Zeitereigniß aber für die Förderung der ganzen
Sache hätte schwerlich eintreten können, als die pariser Weltausstellung des
letzten Jahres. Auf diesem ungeheuren Bazar aller Erzeugnisse der Gewerbe,
der Kunst und Kunstindustrie aller Völker der Erde, und nicht blos aus der
gegenwärtigen Periode ihres Schaffens, wurde eine Gelegenheit zum Sehen,
Prüfen und Sammeln geboten, wie vielleicht nie zuvor. Es ist bekannt,
wie derselbe auf allen jenen gewerblichen Gebieten, in welchen Bildung
des Geschmacks und Schönheitssinn, künstlerische Schulung des Geistes und
der Hand am unentbehrlichsten sind, und ihr Mangel sich am empfindlichsten
rächt, für unsere heimische, speciell unsere norddeutsche Industrie nicht gerade


in diesem Augenblick ist das ersehnte Institut nicht mehr eine schöne Idee,
sondern ganz positive Wirklichkeit: das Museum als Sammlung wie als Lehr¬
anstalt ist der öffentlichen Benutzung übergeben, seine Schränke füllen sich
täglich mehr mit den für dasselbe erworbenen Objecten, seine Lehrclassen mit
Schülern; das gute Vertrauen Aller, welche zuerst den Gedanken dazu faßten
und die Initiative zu seiner Verwirklichung ergriffen, ist wenigstens nicht
gänzlich ungerechtfertigt geblieben.

Unter denen, welche am lebhaftesten für das Werk arbeiteten, nennen
wir: den Assessor Lehfeldt, den Maler Ewald, Dr. F. Jagor.(den Siam-
Reisenden). Das Bedürfniß erschien so einleuchtend, die Wichtigkeit
machte sich so fühlbar, daß der gute Gedanke Anklang finden mußte. Be¬
kannte und einflußreiche Persönlichkeiten, Industrielle, Techniker, Gelehrte
und Künstler Berlins fanden sich bald genug in dem gleichen Eifer zu¬
sammen, die Sache kräftigst zu fördern. Directe Einladungen und Auf¬
forderungen seitens der hohen Frau an Männer von Namen und Vermögen
im ganzen Lande, sich thätig zu erweisen zur Realisirung eines solchen Plans,
konnten nicht des Erfolgs entbehren. Staatsbeihilfe zu beantragen und damit
staatliche Einmischung und Reglementirung herbeizuziehen, enthielt man sich
zunächst mit Recht; man hoffte eine rein bürgerliche Schöpfung des Gemein¬
sinns durch die freiwillige Arbeit und Selbstbesteuerung auch bei uns ins Leben
rufen zu können, eine Hoffnung, welcher freilich der spätere Verlauf der Ent¬
wicklung nicht völlig entsprochen hat. Die Ereignisse des Jahres 1866 wur¬
den der Betheiligung des Capitals daran verhängnißvoll; und kaum be¬
gann dieselbe wieder etwas lebhafter zu werden, als sich die.durch die
luxemburger Affaire in die europäische Welt geworfene neue Unsicherheit und
Unruhe den Interessen des zu begründenden Instituts nicht weniger ge¬
fährlich erwies. Gegenwärtig aber thun wieder Geschäftsstockung, Noth¬
stand und theuere Zeit das ihrige, um das thätige Interesse der Besitzenden
an dem Institut zu lahmen. Im Verhältniß zu der Wichtigkeit des Zwecks
ist noch immer sehr viel zu thun.

Ein bedeutungsvolleres Zeitereigniß aber für die Förderung der ganzen
Sache hätte schwerlich eintreten können, als die pariser Weltausstellung des
letzten Jahres. Auf diesem ungeheuren Bazar aller Erzeugnisse der Gewerbe,
der Kunst und Kunstindustrie aller Völker der Erde, und nicht blos aus der
gegenwärtigen Periode ihres Schaffens, wurde eine Gelegenheit zum Sehen,
Prüfen und Sammeln geboten, wie vielleicht nie zuvor. Es ist bekannt,
wie derselbe auf allen jenen gewerblichen Gebieten, in welchen Bildung
des Geschmacks und Schönheitssinn, künstlerische Schulung des Geistes und
der Hand am unentbehrlichsten sind, und ihr Mangel sich am empfindlichsten
rächt, für unsere heimische, speciell unsere norddeutsche Industrie nicht gerade


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[0426] in diesem Augenblick ist das ersehnte Institut nicht mehr eine schöne Idee, sondern ganz positive Wirklichkeit: das Museum als Sammlung wie als Lehr¬ anstalt ist der öffentlichen Benutzung übergeben, seine Schränke füllen sich täglich mehr mit den für dasselbe erworbenen Objecten, seine Lehrclassen mit Schülern; das gute Vertrauen Aller, welche zuerst den Gedanken dazu faßten und die Initiative zu seiner Verwirklichung ergriffen, ist wenigstens nicht gänzlich ungerechtfertigt geblieben. Unter denen, welche am lebhaftesten für das Werk arbeiteten, nennen wir: den Assessor Lehfeldt, den Maler Ewald, Dr. F. Jagor.(den Siam- Reisenden). Das Bedürfniß erschien so einleuchtend, die Wichtigkeit machte sich so fühlbar, daß der gute Gedanke Anklang finden mußte. Be¬ kannte und einflußreiche Persönlichkeiten, Industrielle, Techniker, Gelehrte und Künstler Berlins fanden sich bald genug in dem gleichen Eifer zu¬ sammen, die Sache kräftigst zu fördern. Directe Einladungen und Auf¬ forderungen seitens der hohen Frau an Männer von Namen und Vermögen im ganzen Lande, sich thätig zu erweisen zur Realisirung eines solchen Plans, konnten nicht des Erfolgs entbehren. Staatsbeihilfe zu beantragen und damit staatliche Einmischung und Reglementirung herbeizuziehen, enthielt man sich zunächst mit Recht; man hoffte eine rein bürgerliche Schöpfung des Gemein¬ sinns durch die freiwillige Arbeit und Selbstbesteuerung auch bei uns ins Leben rufen zu können, eine Hoffnung, welcher freilich der spätere Verlauf der Ent¬ wicklung nicht völlig entsprochen hat. Die Ereignisse des Jahres 1866 wur¬ den der Betheiligung des Capitals daran verhängnißvoll; und kaum be¬ gann dieselbe wieder etwas lebhafter zu werden, als sich die.durch die luxemburger Affaire in die europäische Welt geworfene neue Unsicherheit und Unruhe den Interessen des zu begründenden Instituts nicht weniger ge¬ fährlich erwies. Gegenwärtig aber thun wieder Geschäftsstockung, Noth¬ stand und theuere Zeit das ihrige, um das thätige Interesse der Besitzenden an dem Institut zu lahmen. Im Verhältniß zu der Wichtigkeit des Zwecks ist noch immer sehr viel zu thun. Ein bedeutungsvolleres Zeitereigniß aber für die Förderung der ganzen Sache hätte schwerlich eintreten können, als die pariser Weltausstellung des letzten Jahres. Auf diesem ungeheuren Bazar aller Erzeugnisse der Gewerbe, der Kunst und Kunstindustrie aller Völker der Erde, und nicht blos aus der gegenwärtigen Periode ihres Schaffens, wurde eine Gelegenheit zum Sehen, Prüfen und Sammeln geboten, wie vielleicht nie zuvor. Es ist bekannt, wie derselbe auf allen jenen gewerblichen Gebieten, in welchen Bildung des Geschmacks und Schönheitssinn, künstlerische Schulung des Geistes und der Hand am unentbehrlichsten sind, und ihr Mangel sich am empfindlichsten rächt, für unsere heimische, speciell unsere norddeutsche Industrie nicht gerade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/426>, abgerufen am 01.07.2024.