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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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sich nicht Verschwörern dienstbar machen, nicht Unruhe und Unzufriedenheit
durch das Land verbreiten, Classe gegen Classe aufhetzen, die Gerichte dem
Hasse aussetzen, die Gemüther entflammen, um sie zum Aufstande zu reizen.
Er bespricht dann die einzelnen Artikel. "Das Brandopfer" sei in einer
Sprache geschrieben, welche gar nicht besser darauf berechnet sein könne, die
Iren zum Hasse gegen die Engländer zu reizen. Wenn die Jury nun glaube,
daß der Angeklagte diese Artikel in der Absicht veröffentlicht habe, Aufruhr
zu schüren, so solle sie Schuldig sprechen.

Nach zwei ein halbstündiger Berathung sprechen die Geschwornen das
Schuldig in Betreff aller unter Anklage gestellten Artikel bis aus einen. Der
Gerichtshof spricht am 21. Februar das Urtel: es lautet auf zwölfmonat¬
liches Gefängniß. Schon am 20. Februar aber widmet die Times diesem
Prozesse einen Leitartikel. Sie ist mit der Verurtheilung einverstanden. Die
Artikel seien darauf berechnet gewesen, Unruhen zu erregen und zu gewalt¬
samen Versuchen, die bestehende Regierungsform zu ändern, aufzureizen, und
seien mit der Absicht, diese Wirkung hervorzubringen, veröffentlicht worden.
Dies haben die Geschworenen festgestellt; damit seien aber auch die Grenzen
des in Rede stehenden Vergehens gegeben. Wenn behauptet worden sei, eine
Schrift sei aufrührerisch, weil sie beabsichtige, Mißtrauen und Verachtung
gegen die Regierung zu erregen, und kein Schriftsteller dürfe sein Privilegium
mißbrauchen, um Unzufriedenheit hervorzurufen oder die Handhabung der
Gesetze in Mißachtung zu bringen, so seien dies Redensarten von so gefähr¬
licher Unbestimmtheit, daß nicht nur unschuldige, sondern selbst lobens-
werthe Handlungen unter jene Unschuldigen gebracht werden können. Der
Begriff einer aufrührerischen Schrift sei stets biegsam gewesen; die Zeit sei
aber gekommen, ihn genauer festzustellen, und die Gefahr, die aus der Un¬
sicherheit des Begriffs erwachse, lasse diese Feststellung als höchst wünschens¬
wert!) erscheinen.

So die Times. Man sieht, daß die Furcht vor jeder Gefährdung der
Preßfreiheit dem Hasse gegen das Fenierthum in England bis jetzt noch die
Wage hält.




Der letzte schwäbische Landtag.

Der am 20. Februar geschlossene würtenbergische Landtag ist ohne Frage
der denkwürdigste und inhaltreichste, der seit der Dauer der Verfassung ver¬
sammelt war. Damals freilich, als er gewählt wurde, konnte niemand ahnen,
welche Aufgaben seiner warteten, für welche Zwecke er Gelder zu verwilligen,


sich nicht Verschwörern dienstbar machen, nicht Unruhe und Unzufriedenheit
durch das Land verbreiten, Classe gegen Classe aufhetzen, die Gerichte dem
Hasse aussetzen, die Gemüther entflammen, um sie zum Aufstande zu reizen.
Er bespricht dann die einzelnen Artikel. „Das Brandopfer" sei in einer
Sprache geschrieben, welche gar nicht besser darauf berechnet sein könne, die
Iren zum Hasse gegen die Engländer zu reizen. Wenn die Jury nun glaube,
daß der Angeklagte diese Artikel in der Absicht veröffentlicht habe, Aufruhr
zu schüren, so solle sie Schuldig sprechen.

Nach zwei ein halbstündiger Berathung sprechen die Geschwornen das
Schuldig in Betreff aller unter Anklage gestellten Artikel bis aus einen. Der
Gerichtshof spricht am 21. Februar das Urtel: es lautet auf zwölfmonat¬
liches Gefängniß. Schon am 20. Februar aber widmet die Times diesem
Prozesse einen Leitartikel. Sie ist mit der Verurtheilung einverstanden. Die
Artikel seien darauf berechnet gewesen, Unruhen zu erregen und zu gewalt¬
samen Versuchen, die bestehende Regierungsform zu ändern, aufzureizen, und
seien mit der Absicht, diese Wirkung hervorzubringen, veröffentlicht worden.
Dies haben die Geschworenen festgestellt; damit seien aber auch die Grenzen
des in Rede stehenden Vergehens gegeben. Wenn behauptet worden sei, eine
Schrift sei aufrührerisch, weil sie beabsichtige, Mißtrauen und Verachtung
gegen die Regierung zu erregen, und kein Schriftsteller dürfe sein Privilegium
mißbrauchen, um Unzufriedenheit hervorzurufen oder die Handhabung der
Gesetze in Mißachtung zu bringen, so seien dies Redensarten von so gefähr¬
licher Unbestimmtheit, daß nicht nur unschuldige, sondern selbst lobens-
werthe Handlungen unter jene Unschuldigen gebracht werden können. Der
Begriff einer aufrührerischen Schrift sei stets biegsam gewesen; die Zeit sei
aber gekommen, ihn genauer festzustellen, und die Gefahr, die aus der Un¬
sicherheit des Begriffs erwachse, lasse diese Feststellung als höchst wünschens¬
wert!) erscheinen.

So die Times. Man sieht, daß die Furcht vor jeder Gefährdung der
Preßfreiheit dem Hasse gegen das Fenierthum in England bis jetzt noch die
Wage hält.




Der letzte schwäbische Landtag.

Der am 20. Februar geschlossene würtenbergische Landtag ist ohne Frage
der denkwürdigste und inhaltreichste, der seit der Dauer der Verfassung ver¬
sammelt war. Damals freilich, als er gewählt wurde, konnte niemand ahnen,
welche Aufgaben seiner warteten, für welche Zwecke er Gelder zu verwilligen,


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[0398] sich nicht Verschwörern dienstbar machen, nicht Unruhe und Unzufriedenheit durch das Land verbreiten, Classe gegen Classe aufhetzen, die Gerichte dem Hasse aussetzen, die Gemüther entflammen, um sie zum Aufstande zu reizen. Er bespricht dann die einzelnen Artikel. „Das Brandopfer" sei in einer Sprache geschrieben, welche gar nicht besser darauf berechnet sein könne, die Iren zum Hasse gegen die Engländer zu reizen. Wenn die Jury nun glaube, daß der Angeklagte diese Artikel in der Absicht veröffentlicht habe, Aufruhr zu schüren, so solle sie Schuldig sprechen. Nach zwei ein halbstündiger Berathung sprechen die Geschwornen das Schuldig in Betreff aller unter Anklage gestellten Artikel bis aus einen. Der Gerichtshof spricht am 21. Februar das Urtel: es lautet auf zwölfmonat¬ liches Gefängniß. Schon am 20. Februar aber widmet die Times diesem Prozesse einen Leitartikel. Sie ist mit der Verurtheilung einverstanden. Die Artikel seien darauf berechnet gewesen, Unruhen zu erregen und zu gewalt¬ samen Versuchen, die bestehende Regierungsform zu ändern, aufzureizen, und seien mit der Absicht, diese Wirkung hervorzubringen, veröffentlicht worden. Dies haben die Geschworenen festgestellt; damit seien aber auch die Grenzen des in Rede stehenden Vergehens gegeben. Wenn behauptet worden sei, eine Schrift sei aufrührerisch, weil sie beabsichtige, Mißtrauen und Verachtung gegen die Regierung zu erregen, und kein Schriftsteller dürfe sein Privilegium mißbrauchen, um Unzufriedenheit hervorzurufen oder die Handhabung der Gesetze in Mißachtung zu bringen, so seien dies Redensarten von so gefähr¬ licher Unbestimmtheit, daß nicht nur unschuldige, sondern selbst lobens- werthe Handlungen unter jene Unschuldigen gebracht werden können. Der Begriff einer aufrührerischen Schrift sei stets biegsam gewesen; die Zeit sei aber gekommen, ihn genauer festzustellen, und die Gefahr, die aus der Un¬ sicherheit des Begriffs erwachse, lasse diese Feststellung als höchst wünschens¬ wert!) erscheinen. So die Times. Man sieht, daß die Furcht vor jeder Gefährdung der Preßfreiheit dem Hasse gegen das Fenierthum in England bis jetzt noch die Wage hält. Der letzte schwäbische Landtag. Der am 20. Februar geschlossene würtenbergische Landtag ist ohne Frage der denkwürdigste und inhaltreichste, der seit der Dauer der Verfassung ver¬ sammelt war. Damals freilich, als er gewählt wurde, konnte niemand ahnen, welche Aufgaben seiner warteten, für welche Zwecke er Gelder zu verwilligen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/398>, abgerufen am 29.06.2024.