Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.selben voraussetzen konnte, so durften mit noch größerer Zuversicht Poesie Otto Jahr. Wie Lage im Orient. ' I- Während in Italien die Wage noch unentschieden schwankt und Frank¬ selben voraussetzen konnte, so durften mit noch größerer Zuversicht Poesie Otto Jahr. Wie Lage im Orient. ' I- Während in Italien die Wage noch unentschieden schwankt und Frank¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117112"/> <p xml:id="ID_313" prev="#ID_312"> selben voraussetzen konnte, so durften mit noch größerer Zuversicht Poesie<lb/> und Kunst darauf zurückgehen, um für ihre Gebilde eine höhere Bedeutung<lb/> als die einer poetischen Figur und eines anmuthenden Bildes in Anspruch<lb/> zu nehmen.</p><lb/> <note type="byline"> Otto Jahr.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Wie Lage im Orient.</head><lb/> <div n="2"> <head> ' I- </head><lb/> <p xml:id="ID_314" next="#ID_315"> Während in Italien die Wage noch unentschieden schwankt und Frank¬<lb/> reich sich unter Friedensversicherungen bis an die Zähne Waffnet, ziehen sich<lb/> im Orient die Wolken dichter zusammen. Um ein richtiges Verständniß für<lb/> die Situation zu gewinnen, müssen wir etwas zurückgehen. Die Resultate<lb/> des preußischen Feldzuges in Böhmen hatten die Berechnungen des Kaisers<lb/> Napoleon so über den Haufen geworfen, daß er wie betäubt war; außerdem<lb/> durch körperliches Leiden gedrückt, ließ er eine Weile alles planlos gehen und<lb/> sich selbst von einer Concession zur andern drängen. Erst im Herbste sam¬<lb/> melte er sich allmählich wieder und faßte nun als Ziel ins Auge. Preußen<lb/> zu isoliren und demgemäß Nußland von ihm zu trennen; die Petersburger<lb/> Allianz aber war nur im Orient zu gewinnen. Marquis de Moustier, der<lb/> soeben als auswärtiger Minister eingetreten war, hatte Frankreich fünf Jahre<lb/> lang mit Geschick in Constantinopel vertreten, er kannte die dortigen Ver¬<lb/> hältnisse und speciell die russische Politik so genau, daß, als man ihn vor<lb/> drei Jahren nach Petersburg hatte versetzen wollen, der Kaiser Alexander<lb/> sich zu einem Besuch der Kaiserin Eugenie in Schwalbach herabließ, um an¬<lb/> zudeuten, daß Baron Talleyrand, der jetzige Botschafter, eine ihm angenehmere<lb/> Persönlichkeit sein werde. Moustier durchschaute denn auch vollkommen die<lb/> Ursachen des Candiotischen Aufstandes, er wußte, daß derselbe lediglich von<lb/> Griechenland veranlaßt war, und hatte Gelegenheit genommen, auf seiner<lb/> Reise von Constantinopel nach Paris in Athen vorzusprechen, um dort scharf<lb/> seine Meinung über die hellenische Agitationspolitik zu sagen. Das hinderte<lb/> indeß natürlich seinen Gebieter nicht, eine Schwenkung in entgegengesetzter<lb/> Richtung zu machen und Moustiers türkensreundlicher Ton ward demgemäß<lb/> griechenfreundlich, Frankreich fand plötzlich, daß die Pforte alles verkehrt<lb/> mache und nichts besseres zu thun habe, als Candia abzutreten. Nach dieser<lb/> Vorbereitung schrieb Napoleon im November 1866 an den Kaiser Alexander<lb/> und schlug ihm eine geheime Separatverständigung über die orientalischen Dinge<lb/> vor. Die Antwort war höflich, aber ablehnend, Rußland ziehe vor, auch<lb/> mit den andern Mächten im Benehmen zu bleiben. Napoleon ließ sich nicht</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
selben voraussetzen konnte, so durften mit noch größerer Zuversicht Poesie
und Kunst darauf zurückgehen, um für ihre Gebilde eine höhere Bedeutung
als die einer poetischen Figur und eines anmuthenden Bildes in Anspruch
zu nehmen.
Otto Jahr.
Wie Lage im Orient.
' I-
Während in Italien die Wage noch unentschieden schwankt und Frank¬
reich sich unter Friedensversicherungen bis an die Zähne Waffnet, ziehen sich
im Orient die Wolken dichter zusammen. Um ein richtiges Verständniß für
die Situation zu gewinnen, müssen wir etwas zurückgehen. Die Resultate
des preußischen Feldzuges in Böhmen hatten die Berechnungen des Kaisers
Napoleon so über den Haufen geworfen, daß er wie betäubt war; außerdem
durch körperliches Leiden gedrückt, ließ er eine Weile alles planlos gehen und
sich selbst von einer Concession zur andern drängen. Erst im Herbste sam¬
melte er sich allmählich wieder und faßte nun als Ziel ins Auge. Preußen
zu isoliren und demgemäß Nußland von ihm zu trennen; die Petersburger
Allianz aber war nur im Orient zu gewinnen. Marquis de Moustier, der
soeben als auswärtiger Minister eingetreten war, hatte Frankreich fünf Jahre
lang mit Geschick in Constantinopel vertreten, er kannte die dortigen Ver¬
hältnisse und speciell die russische Politik so genau, daß, als man ihn vor
drei Jahren nach Petersburg hatte versetzen wollen, der Kaiser Alexander
sich zu einem Besuch der Kaiserin Eugenie in Schwalbach herabließ, um an¬
zudeuten, daß Baron Talleyrand, der jetzige Botschafter, eine ihm angenehmere
Persönlichkeit sein werde. Moustier durchschaute denn auch vollkommen die
Ursachen des Candiotischen Aufstandes, er wußte, daß derselbe lediglich von
Griechenland veranlaßt war, und hatte Gelegenheit genommen, auf seiner
Reise von Constantinopel nach Paris in Athen vorzusprechen, um dort scharf
seine Meinung über die hellenische Agitationspolitik zu sagen. Das hinderte
indeß natürlich seinen Gebieter nicht, eine Schwenkung in entgegengesetzter
Richtung zu machen und Moustiers türkensreundlicher Ton ward demgemäß
griechenfreundlich, Frankreich fand plötzlich, daß die Pforte alles verkehrt
mache und nichts besseres zu thun habe, als Candia abzutreten. Nach dieser
Vorbereitung schrieb Napoleon im November 1866 an den Kaiser Alexander
und schlug ihm eine geheime Separatverständigung über die orientalischen Dinge
vor. Die Antwort war höflich, aber ablehnend, Rußland ziehe vor, auch
mit den andern Mächten im Benehmen zu bleiben. Napoleon ließ sich nicht
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