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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Verfassung den Etat nicht einfach als ein Gesetz behandelt, und wenn sie die
Bewilligung als ein ausschließliches Recht der Volksvertretung' hingestellt hätte.
Am wünschenswn'ehesten erscheint es aber, die Form des Gesetzes für den Etat
überhaupt aufzugeben und die Sache so zu ordnen: das Unterhaus bewilligt
.den Etat, das Oberhaus kann ihn im Ganzen verwerfen, stimmen beide
überein, so verkündet ihn die Krone.




Der germanische Lloyd.

Das deutsche Publikum zeigt seit einigen Jahren ein so wachsendes Inter¬
esse für die maritimen Angelegenheiten, daß man sich aufgefordert fühlt, ihm
über Bewegungen Bericht zu erstatten, die noch vor zehn oder selbst vor fünf
Jahren spurlos, an ihm vorübergegangen sein würden, so wichtig sie auch sür
unsern Antheil am Seeleben und Weltverkehr sein mögen. Dahin gehört die
Agitation sür die Gründung einer deutschen Schiffsbcsichtigungsanstalt, welche
soeben einen gewissen vorläufigen Erfolg davongetragen hat. Wie die Be¬
wegung für Einrichtungen zur Rettung Schiffbrüchiger von einem der kleineren
deutschen Hafenplätze ausging, nämlich von Emden, so auch diese Agitation:
von Rostock. Und wie jene Bewegung, begreiflich genug, die nöthigen großen
Dimensionen erst annahm, als sie sich in Bremen einen der Haupthandelsplätze
erobert hatte, so datirt der erste praktische Erfolg dieser neuen Bestrebung von
dem Augenblick, wo Hamburg für sie gewonnen worden ist. Die bremer
Börse, vielleicht grade vermöge ihrer relativen Kleinheit zu gemeinschaftlichem
Handeln leichter fortzureißen als die Hamburger, war in ihren tonangeben¬
den Mitgliedern und Kreisen schon länger für die rostocker Idee eingenommen.
Allein sie trug Bedenken, ohne Hamburg vorzugehen. Theils schreckte sie die
unangenehme Erfahrung, welche die deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff¬
brüchiger gemacht hat, indem, als sie im Mai 186S zu Kiel gegründet wurde,
Hamburg weder die Leitung an sich nahm, noch auch unter dem Vorort Bremen
mitthun wollte, Theils war der Beitritt der Hamburger Verhinderer, Schiffsbauer
und Rheder zu der deutschen Schisfsbesichtigungsaüstalt noch viel weniger zu
entbehren als der Beitritt des Hamburger Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger
zu der allgemeinen deutschen Rettungsgesellschaft. Aber in Hamburg siel die


Gttnzbotcn II. 1867. 7

Verfassung den Etat nicht einfach als ein Gesetz behandelt, und wenn sie die
Bewilligung als ein ausschließliches Recht der Volksvertretung' hingestellt hätte.
Am wünschenswn'ehesten erscheint es aber, die Form des Gesetzes für den Etat
überhaupt aufzugeben und die Sache so zu ordnen: das Unterhaus bewilligt
.den Etat, das Oberhaus kann ihn im Ganzen verwerfen, stimmen beide
überein, so verkündet ihn die Krone.




Der germanische Lloyd.

Das deutsche Publikum zeigt seit einigen Jahren ein so wachsendes Inter¬
esse für die maritimen Angelegenheiten, daß man sich aufgefordert fühlt, ihm
über Bewegungen Bericht zu erstatten, die noch vor zehn oder selbst vor fünf
Jahren spurlos, an ihm vorübergegangen sein würden, so wichtig sie auch sür
unsern Antheil am Seeleben und Weltverkehr sein mögen. Dahin gehört die
Agitation sür die Gründung einer deutschen Schiffsbcsichtigungsanstalt, welche
soeben einen gewissen vorläufigen Erfolg davongetragen hat. Wie die Be¬
wegung für Einrichtungen zur Rettung Schiffbrüchiger von einem der kleineren
deutschen Hafenplätze ausging, nämlich von Emden, so auch diese Agitation:
von Rostock. Und wie jene Bewegung, begreiflich genug, die nöthigen großen
Dimensionen erst annahm, als sie sich in Bremen einen der Haupthandelsplätze
erobert hatte, so datirt der erste praktische Erfolg dieser neuen Bestrebung von
dem Augenblick, wo Hamburg für sie gewonnen worden ist. Die bremer
Börse, vielleicht grade vermöge ihrer relativen Kleinheit zu gemeinschaftlichem
Handeln leichter fortzureißen als die Hamburger, war in ihren tonangeben¬
den Mitgliedern und Kreisen schon länger für die rostocker Idee eingenommen.
Allein sie trug Bedenken, ohne Hamburg vorzugehen. Theils schreckte sie die
unangenehme Erfahrung, welche die deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff¬
brüchiger gemacht hat, indem, als sie im Mai 186S zu Kiel gegründet wurde,
Hamburg weder die Leitung an sich nahm, noch auch unter dem Vorort Bremen
mitthun wollte, Theils war der Beitritt der Hamburger Verhinderer, Schiffsbauer
und Rheder zu der deutschen Schisfsbesichtigungsaüstalt noch viel weniger zu
entbehren als der Beitritt des Hamburger Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger
zu der allgemeinen deutschen Rettungsgesellschaft. Aber in Hamburg siel die


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[0053] Verfassung den Etat nicht einfach als ein Gesetz behandelt, und wenn sie die Bewilligung als ein ausschließliches Recht der Volksvertretung' hingestellt hätte. Am wünschenswn'ehesten erscheint es aber, die Form des Gesetzes für den Etat überhaupt aufzugeben und die Sache so zu ordnen: das Unterhaus bewilligt .den Etat, das Oberhaus kann ihn im Ganzen verwerfen, stimmen beide überein, so verkündet ihn die Krone. Der germanische Lloyd. Das deutsche Publikum zeigt seit einigen Jahren ein so wachsendes Inter¬ esse für die maritimen Angelegenheiten, daß man sich aufgefordert fühlt, ihm über Bewegungen Bericht zu erstatten, die noch vor zehn oder selbst vor fünf Jahren spurlos, an ihm vorübergegangen sein würden, so wichtig sie auch sür unsern Antheil am Seeleben und Weltverkehr sein mögen. Dahin gehört die Agitation sür die Gründung einer deutschen Schiffsbcsichtigungsanstalt, welche soeben einen gewissen vorläufigen Erfolg davongetragen hat. Wie die Be¬ wegung für Einrichtungen zur Rettung Schiffbrüchiger von einem der kleineren deutschen Hafenplätze ausging, nämlich von Emden, so auch diese Agitation: von Rostock. Und wie jene Bewegung, begreiflich genug, die nöthigen großen Dimensionen erst annahm, als sie sich in Bremen einen der Haupthandelsplätze erobert hatte, so datirt der erste praktische Erfolg dieser neuen Bestrebung von dem Augenblick, wo Hamburg für sie gewonnen worden ist. Die bremer Börse, vielleicht grade vermöge ihrer relativen Kleinheit zu gemeinschaftlichem Handeln leichter fortzureißen als die Hamburger, war in ihren tonangeben¬ den Mitgliedern und Kreisen schon länger für die rostocker Idee eingenommen. Allein sie trug Bedenken, ohne Hamburg vorzugehen. Theils schreckte sie die unangenehme Erfahrung, welche die deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff¬ brüchiger gemacht hat, indem, als sie im Mai 186S zu Kiel gegründet wurde, Hamburg weder die Leitung an sich nahm, noch auch unter dem Vorort Bremen mitthun wollte, Theils war der Beitritt der Hamburger Verhinderer, Schiffsbauer und Rheder zu der deutschen Schisfsbesichtigungsaüstalt noch viel weniger zu entbehren als der Beitritt des Hamburger Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger zu der allgemeinen deutschen Rettungsgesellschaft. Aber in Hamburg siel die Gttnzbotcn II. 1867. 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/53>, abgerufen am 22.07.2024.