Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Session dankt. So hieß es z. B. in der Schlußrede vom 5. September
1848, nachdem sich die Königin erst in Betreff der nicht auf die Finanzbewil¬
ligungen bezüglichen Angelegenheiten an beide Häuser gewendet hatte:


"Meine Herren vom Hause der Gemeinen!
"Ich habe Ihnen für die Bereitwilligkeit zu danken, mit der Sie die
für den öffentlichen Dienst erforderlichen Mittel bewilligt haben."

Die Rede geht dann zu andern Dingen weiter und deswegen heißt es
sofort wieder:


I-oräs iwä Köntlsmen."

d. h. es werdeir wieder beide Häuser angeredet. --

Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ergiebt sich als das Charak¬
teristische der englischen Einrichtungen Folgendes:

1) das Budget, continental zu reden, ist zum Theil permanent (und
zwar in der Einnahme zu vier Fünfteln, in der Ausgabe beinahe zur
Hälfte), zum Theil beruht es auf Jahresbewilligung;
2) die Bewilligung, sei es auf die Dauer, sei es für das Jahr, ist ledig'
l>es Sache des Unterhauses, nicht der drei Factore";
3) die dann hinzuiretende Form des Gesetzes ist eben nur Form, die
dazu dient, die Beschlüsse des Unterhauses behufs der Wirkung nach
außen gewissermaßen zu legalisiren. --

Was ist für uns Deutsche aus dem Obigen zu lernen?

Erstens, daß die Einrichiung eines permanenten neben einem Jahres-
biidgtt durch die Erfahrung eines ebenso freiheitsliebenden als praktisch-verstän¬
digen Volkes empfohlen wird.

Kein praktischer Mann wird ein Bollwerk der Freiheit darin finden, daß
die Volksvertretung das formelle Recht hat, jährlich den Staatsgläubigern die
Zinsen der Staatsschuld zu bewillige,,, respective zu verweigern. Welchen Werth
kann es überhaupt haben, solche Ausgaben noch besonders bewilligen zu lassen,
die zur Befriedigung von unzweifelhaft klagbaren auf permanenten Gesetzen
beruhenden Forderungen an den Staat dienen? Die specielle Abgrenzung
zwischen dem permanenten und Jahresbudget, wie sie in England besteht, ist
natürlich für uns nicht maßgebend. Hier kann nur gefragt werden, was für
uns zweckmäßig ist, und obschon die einfache Nachahmung des im Einzelnen
auf vielen Zufälligkeiten beruhende" englischen Vorbildes im Ganzen schon ein
wesentlicher Fortschritt wäre, so läßt sich doch nicht verkennen, daß wir unser
permanentes Budget mit Nutzen noch weiter ausdehnen könnten, als es die
Engländer gethan haben.

Zweitens. Was das Bewilligungsrecht des Unterhauses und sein Ver¬
hältniß zur Gesetzesform betrifft, so ist auch hier das englische Vorbild lehrreich.
Der ganze preußische Budgctstreit wäre unmöglich gewesen, wenn die preußische


der Session dankt. So hieß es z. B. in der Schlußrede vom 5. September
1848, nachdem sich die Königin erst in Betreff der nicht auf die Finanzbewil¬
ligungen bezüglichen Angelegenheiten an beide Häuser gewendet hatte:


„Meine Herren vom Hause der Gemeinen!
„Ich habe Ihnen für die Bereitwilligkeit zu danken, mit der Sie die
für den öffentlichen Dienst erforderlichen Mittel bewilligt haben."

Die Rede geht dann zu andern Dingen weiter und deswegen heißt es
sofort wieder:


I-oräs iwä Köntlsmen."

d. h. es werdeir wieder beide Häuser angeredet. —

Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ergiebt sich als das Charak¬
teristische der englischen Einrichtungen Folgendes:

1) das Budget, continental zu reden, ist zum Theil permanent (und
zwar in der Einnahme zu vier Fünfteln, in der Ausgabe beinahe zur
Hälfte), zum Theil beruht es auf Jahresbewilligung;
2) die Bewilligung, sei es auf die Dauer, sei es für das Jahr, ist ledig'
l>es Sache des Unterhauses, nicht der drei Factore»;
3) die dann hinzuiretende Form des Gesetzes ist eben nur Form, die
dazu dient, die Beschlüsse des Unterhauses behufs der Wirkung nach
außen gewissermaßen zu legalisiren. —

Was ist für uns Deutsche aus dem Obigen zu lernen?

Erstens, daß die Einrichiung eines permanenten neben einem Jahres-
biidgtt durch die Erfahrung eines ebenso freiheitsliebenden als praktisch-verstän¬
digen Volkes empfohlen wird.

Kein praktischer Mann wird ein Bollwerk der Freiheit darin finden, daß
die Volksvertretung das formelle Recht hat, jährlich den Staatsgläubigern die
Zinsen der Staatsschuld zu bewillige,,, respective zu verweigern. Welchen Werth
kann es überhaupt haben, solche Ausgaben noch besonders bewilligen zu lassen,
die zur Befriedigung von unzweifelhaft klagbaren auf permanenten Gesetzen
beruhenden Forderungen an den Staat dienen? Die specielle Abgrenzung
zwischen dem permanenten und Jahresbudget, wie sie in England besteht, ist
natürlich für uns nicht maßgebend. Hier kann nur gefragt werden, was für
uns zweckmäßig ist, und obschon die einfache Nachahmung des im Einzelnen
auf vielen Zufälligkeiten beruhende» englischen Vorbildes im Ganzen schon ein
wesentlicher Fortschritt wäre, so läßt sich doch nicht verkennen, daß wir unser
permanentes Budget mit Nutzen noch weiter ausdehnen könnten, als es die
Engländer gethan haben.

Zweitens. Was das Bewilligungsrecht des Unterhauses und sein Ver¬
hältniß zur Gesetzesform betrifft, so ist auch hier das englische Vorbild lehrreich.
Der ganze preußische Budgctstreit wäre unmöglich gewesen, wenn die preußische


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0052" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190746"/>
          <p xml:id="ID_159" prev="#ID_158"> der Session dankt.  So hieß es z. B. in der Schlußrede vom 5. September<lb/>
1848, nachdem sich die Königin erst in Betreff der nicht auf die Finanzbewil¬<lb/>
ligungen bezüglichen Angelegenheiten an beide Häuser gewendet hatte:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Meine Herren vom Hause der Gemeinen!</quote><lb/>
          <quote> &#x201E;Ich habe Ihnen für die Bereitwilligkeit zu danken, mit der Sie die<lb/>
für den öffentlichen Dienst erforderlichen Mittel bewilligt haben."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_160"> Die Rede geht dann zu andern Dingen weiter und deswegen heißt es<lb/>
sofort wieder:</p><lb/>
          <quote> I-oräs iwä Köntlsmen."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_161"> d. h. es werdeir wieder beide Häuser angeredet. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_162"> Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ergiebt sich als das Charak¬<lb/>
teristische der englischen Einrichtungen Folgendes:</p><lb/>
          <list>
            <item> 1) das Budget, continental zu reden, ist zum Theil permanent (und<lb/>
zwar in der Einnahme zu vier Fünfteln, in der Ausgabe beinahe zur<lb/>
Hälfte), zum Theil beruht es auf Jahresbewilligung;</item>
            <item> 2) die Bewilligung, sei es auf die Dauer, sei es für das Jahr, ist ledig'<lb/>
l&gt;es Sache des Unterhauses, nicht der drei Factore»;</item>
            <item> 3) die dann hinzuiretende Form des Gesetzes ist eben nur Form, die<lb/>
dazu dient, die Beschlüsse des Unterhauses behufs der Wirkung nach<lb/>
außen gewissermaßen zu legalisiren. &#x2014;</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_163"> Was ist für uns Deutsche aus dem Obigen zu lernen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_164"> Erstens, daß die Einrichiung eines permanenten neben einem Jahres-<lb/>
biidgtt durch die Erfahrung eines ebenso freiheitsliebenden als praktisch-verstän¬<lb/>
digen Volkes empfohlen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_165"> Kein praktischer Mann wird ein Bollwerk der Freiheit darin finden, daß<lb/>
die Volksvertretung das formelle Recht hat, jährlich den Staatsgläubigern die<lb/>
Zinsen der Staatsschuld zu bewillige,,, respective zu verweigern. Welchen Werth<lb/>
kann es überhaupt haben, solche Ausgaben noch besonders bewilligen zu lassen,<lb/>
die zur Befriedigung von unzweifelhaft klagbaren auf permanenten Gesetzen<lb/>
beruhenden Forderungen an den Staat dienen? Die specielle Abgrenzung<lb/>
zwischen dem permanenten und Jahresbudget, wie sie in England besteht, ist<lb/>
natürlich für uns nicht maßgebend. Hier kann nur gefragt werden, was für<lb/>
uns zweckmäßig ist, und obschon die einfache Nachahmung des im Einzelnen<lb/>
auf vielen Zufälligkeiten beruhende» englischen Vorbildes im Ganzen schon ein<lb/>
wesentlicher Fortschritt wäre, so läßt sich doch nicht verkennen, daß wir unser<lb/>
permanentes Budget mit Nutzen noch weiter ausdehnen könnten, als es die<lb/>
Engländer gethan haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_166" next="#ID_167"> Zweitens. Was das Bewilligungsrecht des Unterhauses und sein Ver¬<lb/>
hältniß zur Gesetzesform betrifft, so ist auch hier das englische Vorbild lehrreich.<lb/>
Der ganze preußische Budgctstreit wäre unmöglich gewesen, wenn die preußische</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0052] der Session dankt. So hieß es z. B. in der Schlußrede vom 5. September 1848, nachdem sich die Königin erst in Betreff der nicht auf die Finanzbewil¬ ligungen bezüglichen Angelegenheiten an beide Häuser gewendet hatte: „Meine Herren vom Hause der Gemeinen! „Ich habe Ihnen für die Bereitwilligkeit zu danken, mit der Sie die für den öffentlichen Dienst erforderlichen Mittel bewilligt haben." Die Rede geht dann zu andern Dingen weiter und deswegen heißt es sofort wieder: I-oräs iwä Köntlsmen." d. h. es werdeir wieder beide Häuser angeredet. — Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ergiebt sich als das Charak¬ teristische der englischen Einrichtungen Folgendes: 1) das Budget, continental zu reden, ist zum Theil permanent (und zwar in der Einnahme zu vier Fünfteln, in der Ausgabe beinahe zur Hälfte), zum Theil beruht es auf Jahresbewilligung; 2) die Bewilligung, sei es auf die Dauer, sei es für das Jahr, ist ledig' l>es Sache des Unterhauses, nicht der drei Factore»; 3) die dann hinzuiretende Form des Gesetzes ist eben nur Form, die dazu dient, die Beschlüsse des Unterhauses behufs der Wirkung nach außen gewissermaßen zu legalisiren. — Was ist für uns Deutsche aus dem Obigen zu lernen? Erstens, daß die Einrichiung eines permanenten neben einem Jahres- biidgtt durch die Erfahrung eines ebenso freiheitsliebenden als praktisch-verstän¬ digen Volkes empfohlen wird. Kein praktischer Mann wird ein Bollwerk der Freiheit darin finden, daß die Volksvertretung das formelle Recht hat, jährlich den Staatsgläubigern die Zinsen der Staatsschuld zu bewillige,,, respective zu verweigern. Welchen Werth kann es überhaupt haben, solche Ausgaben noch besonders bewilligen zu lassen, die zur Befriedigung von unzweifelhaft klagbaren auf permanenten Gesetzen beruhenden Forderungen an den Staat dienen? Die specielle Abgrenzung zwischen dem permanenten und Jahresbudget, wie sie in England besteht, ist natürlich für uns nicht maßgebend. Hier kann nur gefragt werden, was für uns zweckmäßig ist, und obschon die einfache Nachahmung des im Einzelnen auf vielen Zufälligkeiten beruhende» englischen Vorbildes im Ganzen schon ein wesentlicher Fortschritt wäre, so läßt sich doch nicht verkennen, daß wir unser permanentes Budget mit Nutzen noch weiter ausdehnen könnten, als es die Engländer gethan haben. Zweitens. Was das Bewilligungsrecht des Unterhauses und sein Ver¬ hältniß zur Gesetzesform betrifft, so ist auch hier das englische Vorbild lehrreich. Der ganze preußische Budgctstreit wäre unmöglich gewesen, wenn die preußische

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/52
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/52>, abgerufen am 05.02.2025.