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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Umgebung höchstens dadurch zu unterscheiden sind, daß sie Abends beim Bier-
kruge nicht für des sächsischen oder des deutschen Vaterlandes Eigenthümlichkeit
und Macht und nicht für Herrn v. Beust oder einen andern großdeutseben
Politiker, sondern für den großen Akhokao und den größeren Pogodin schwärmen
und Nachts von den Sieben träumen, welche dereinst das byzantinische Kreuz
auf die Thürme Budissins und Mu^ackows (Muskaus) pflanzen und des ver¬
sunkenen Wendenreiches Herrlichkeit herstellen sollen. Bis dahin hat es noch
gute Wege und die heldenmäßigen Anläufe, welche der bautzener Panslawismus
des 19. Jahrhunderts genommen hat. um der slawischen Ueberfluthung die Wege
zu bereiten, werden es schwerlich dazu bringen, demselben auch nur in der säch¬
sischen Vaterlandsgeschichte ein Plätzchen zu sichern, es sei denn, daß sich die
Repräsentanten dieser Richtung mit ^dem Ruhm begnügen wollen, als getreue
Knappen der modernen Donquixoterie nationaler Principienreitern den Schild
nachgetragen zu haben.




Dresdner Stimmen vor 60 Jahren.

Oestreich war durch Napoleon gedemüthigt, das deutsche Reich aufgelöst,
der Rheinbund begründet. Bald darauf wurde Preußen niedergeworfen. Na¬
poleon war der Herr von Deutschland und jetzt mußte auch der Kurfürst von
Sachsen, Friedrich August, sein Vasall werden. Napoleon, der die kleinen
deutschen Fürsten scheinbar erhob, um ihrer Völker Kräfte besser für sein Znter-
esse ausnutzen zu können, machte auch den Kurfürsten Friedrich August zum
König. Es war am 20. December 180K. als derselbe von einem Herold in
altdeutschem Rocococostüme. der von Hoftrompetern und einem Zuge Garde du
Corps begleitet durch die Residenz Dresden ritt, an sieben verschiedenen
Orten der Stadt feierlichst als König proclamirt wurde. Es ist natürlich und
kommt bei solchen Ereignissen überall vor. daß diese Erhebung durch Kanonen-
schüsse. Glockengeläute. ?s venin, Galatafel und Illumination gefeiert wurde.
Auch können die pomphaften Beschreibungen der glorreichen Herrlichkeit dieser
Festlichkeit nicht auffallen. Dergleichen würden auch unsere gesinnungslosen
Tageblättchen liefern. Aber charakteristisch für die damalige Zeit, in der es
noch kein deutsches Nationalgefühl gab. wo der Sachse nur Sachse sein wollte,
unbekümmert um die Noth und Schmach des deutschen Vaterlandes, ist die
Beschreibung der damals zu Ehren der Standeserhöhung des Kurfürsten veran-
stalteten Illumination. Abgesehen von öffentlichen Gebäuden und Hoflieferanten,
wäre eine gewöhnliche, theils wohlgemeinte, theils vom Anstand und aller-
Hand Rücksichten gebotene einfache Erleuchtung ganz in der Ordnung gewesen.


Umgebung höchstens dadurch zu unterscheiden sind, daß sie Abends beim Bier-
kruge nicht für des sächsischen oder des deutschen Vaterlandes Eigenthümlichkeit
und Macht und nicht für Herrn v. Beust oder einen andern großdeutseben
Politiker, sondern für den großen Akhokao und den größeren Pogodin schwärmen
und Nachts von den Sieben träumen, welche dereinst das byzantinische Kreuz
auf die Thürme Budissins und Mu^ackows (Muskaus) pflanzen und des ver¬
sunkenen Wendenreiches Herrlichkeit herstellen sollen. Bis dahin hat es noch
gute Wege und die heldenmäßigen Anläufe, welche der bautzener Panslawismus
des 19. Jahrhunderts genommen hat. um der slawischen Ueberfluthung die Wege
zu bereiten, werden es schwerlich dazu bringen, demselben auch nur in der säch¬
sischen Vaterlandsgeschichte ein Plätzchen zu sichern, es sei denn, daß sich die
Repräsentanten dieser Richtung mit ^dem Ruhm begnügen wollen, als getreue
Knappen der modernen Donquixoterie nationaler Principienreitern den Schild
nachgetragen zu haben.




Dresdner Stimmen vor 60 Jahren.

Oestreich war durch Napoleon gedemüthigt, das deutsche Reich aufgelöst,
der Rheinbund begründet. Bald darauf wurde Preußen niedergeworfen. Na¬
poleon war der Herr von Deutschland und jetzt mußte auch der Kurfürst von
Sachsen, Friedrich August, sein Vasall werden. Napoleon, der die kleinen
deutschen Fürsten scheinbar erhob, um ihrer Völker Kräfte besser für sein Znter-
esse ausnutzen zu können, machte auch den Kurfürsten Friedrich August zum
König. Es war am 20. December 180K. als derselbe von einem Herold in
altdeutschem Rocococostüme. der von Hoftrompetern und einem Zuge Garde du
Corps begleitet durch die Residenz Dresden ritt, an sieben verschiedenen
Orten der Stadt feierlichst als König proclamirt wurde. Es ist natürlich und
kommt bei solchen Ereignissen überall vor. daß diese Erhebung durch Kanonen-
schüsse. Glockengeläute. ?s venin, Galatafel und Illumination gefeiert wurde.
Auch können die pomphaften Beschreibungen der glorreichen Herrlichkeit dieser
Festlichkeit nicht auffallen. Dergleichen würden auch unsere gesinnungslosen
Tageblättchen liefern. Aber charakteristisch für die damalige Zeit, in der es
noch kein deutsches Nationalgefühl gab. wo der Sachse nur Sachse sein wollte,
unbekümmert um die Noth und Schmach des deutschen Vaterlandes, ist die
Beschreibung der damals zu Ehren der Standeserhöhung des Kurfürsten veran-
stalteten Illumination. Abgesehen von öffentlichen Gebäuden und Hoflieferanten,
wäre eine gewöhnliche, theils wohlgemeinte, theils vom Anstand und aller-
Hand Rücksichten gebotene einfache Erleuchtung ganz in der Ordnung gewesen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/445>, abgerufen am 29.06.2024.