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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Eines ist ihm noch zu Theil geworden, bevor er seines Daseins Ziel fand.
Er hat, wofür er das Leben lebte und hingab, wenn nicht vollendet, so doch
nach menschlichem Ermessen der Vollendung nahe gesehn, Auf die Größe
Deutschlands war all sein Sehnen und Streben gerichtet, auf der Stärke und
dem nationalen Beruf Preußens ruhten alle seine patriotischen Hoffnungen. Er
hat scheiden können mit der Ueberzeugung, daß dieses Hoffen und Ringen nicht
eitel, daß das Opfer, welches er dem Vaterlande in sich selber gebracht, ein
wohlgefälliges sei,,da Dentschlands Einheit nie besser gesichert war als in der
Stunde, die ihn abrief.

Nun liegt er, nur 48 Jahre alt, draußen auf dem schönen Friedhof der
alten Musenstadt; dieser beredte Mund ist verstummt, diese-treuen Augen sind
geschlossen. Aber wenn je einer mit Recht und in Wahrheit, so verdient er
F. v. W. die trostreiche Grabschrift: "non omiris inorior." -- ^




Kleine Chronik vom Reichstage.
4.

Die Festwochen des Reichstages sind vorüber, die Wahlvrüfungcn beinahe
beendet, Schraps und Bebel. aber auch v. Forkenbeck und Gneist sind in das
Haus getreten, und die ernste Arbeit der Session hat begonnen. Unterdeß sind
seit Einberufung des Reichstags vier Wochen vergangen und die Berathung ist
noch nicht weiter fortgeschritten, als bis zu Artikel 12 des Verfassungsentwurfs,
und der Entwurf hat bekanntlich 71 Artikel. Nun ist allerdings eine Woche
auf die Constituirung und eine zweite für die Generaldebatte abzurechnen, auch
werden hoffentlich die circa 20 Artikel über Zölle. Eisenbahnen. Posten und Tele¬
graphen während Berathung'der übrigen Artikel durch eine Commission der
Plenarverhandlung vorbereitet werden. Trotzdem ist die Hoffnung wohl aufzu¬
geben, daß die Vorberathung bis zur Osterwoche beendet sein wird und im Mai
noch eine kurze Schlußberathung das Werk vollende. Denn, wie man vernimmt,
"se eine große Menge von Amendements zu den einzelnen Artikeln eingebracht
und sie wird voraussichtlich sehr aufhalten, obgleich die Geschäftsordnung mit


Eines ist ihm noch zu Theil geworden, bevor er seines Daseins Ziel fand.
Er hat, wofür er das Leben lebte und hingab, wenn nicht vollendet, so doch
nach menschlichem Ermessen der Vollendung nahe gesehn, Auf die Größe
Deutschlands war all sein Sehnen und Streben gerichtet, auf der Stärke und
dem nationalen Beruf Preußens ruhten alle seine patriotischen Hoffnungen. Er
hat scheiden können mit der Ueberzeugung, daß dieses Hoffen und Ringen nicht
eitel, daß das Opfer, welches er dem Vaterlande in sich selber gebracht, ein
wohlgefälliges sei,,da Dentschlands Einheit nie besser gesichert war als in der
Stunde, die ihn abrief.

Nun liegt er, nur 48 Jahre alt, draußen auf dem schönen Friedhof der
alten Musenstadt; dieser beredte Mund ist verstummt, diese-treuen Augen sind
geschlossen. Aber wenn je einer mit Recht und in Wahrheit, so verdient er
F. v. W. die trostreiche Grabschrift: „non omiris inorior." — ^




Kleine Chronik vom Reichstage.
4.

Die Festwochen des Reichstages sind vorüber, die Wahlvrüfungcn beinahe
beendet, Schraps und Bebel. aber auch v. Forkenbeck und Gneist sind in das
Haus getreten, und die ernste Arbeit der Session hat begonnen. Unterdeß sind
seit Einberufung des Reichstags vier Wochen vergangen und die Berathung ist
noch nicht weiter fortgeschritten, als bis zu Artikel 12 des Verfassungsentwurfs,
und der Entwurf hat bekanntlich 71 Artikel. Nun ist allerdings eine Woche
auf die Constituirung und eine zweite für die Generaldebatte abzurechnen, auch
werden hoffentlich die circa 20 Artikel über Zölle. Eisenbahnen. Posten und Tele¬
graphen während Berathung'der übrigen Artikel durch eine Commission der
Plenarverhandlung vorbereitet werden. Trotzdem ist die Hoffnung wohl aufzu¬
geben, daß die Vorberathung bis zur Osterwoche beendet sein wird und im Mai
noch eine kurze Schlußberathung das Werk vollende. Denn, wie man vernimmt,
«se eine große Menge von Amendements zu den einzelnen Artikeln eingebracht
und sie wird voraussichtlich sehr aufhalten, obgleich die Geschäftsordnung mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/41>, abgerufen am 29.06.2024.