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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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In den Reichsrath wurden Froschaucr und Seyffertitz ohne Debatte gewählt.
Letzterer bekannte sich als Oestreicher mit Leib und Seele und versicherte nur
jener Fahne zu folgen, welche die Erhaltung des altehrwürdigen Staatsgebäudes
als Inschrift trägt. Dafür ist freilich wenig Hoffnung mehr. Eben jene feu¬
dal-klerikalen Elemente haben es an den Rand eines Abgrunds gebracht, von
dem es sich kaum noch retten wird. Man denke nur an seine übergroße Schul¬
denlast, den gänzlichen Verfall seines Credits, die finanzielle Lage Ungarns, die
sich durch den Ausgleich täglich verschlimmert, und frage sich, wie einem Staats¬
bankerott vorzubeugen. Das einzige Mittel die staatliche Existenz noch zu sichern,
den ernstlichen Bruch mit der ganzen feudalen Vergangenheit, die Aufhebung
des Bündnisses mit den Mächten der Finsterniß und des Aberglaubens scheut
man in den leitenden Kreisen ärger als die Pest, daran hängt ja eben die süße
Gewohnheit des Sinnens und Treibens. Der alte Bau ist morsch, wo man
ihn anfühlt, und der schimmernde Firniß des Dualismus hält nicht gegen
Wind und Wetter. Hinweg mit der alten provinziellen Autonomie und ihren
Sonderlandtagen, sie sind nur ein Rest des Mittelalters und waren von je
ein Mittel der Knechtung. Dagegen sträuben sich aber die tausend kleinen
Tyrannen, die nur sich und ihre Herrschaft im Auge haben, denn ihr öffentliches
Geheimniß ist der Absolutismus.




Ein Depossedirter und seine Getreuen.

Nicht König Georg von Hannover hat Auftrag gegeben zu der Unterhand¬
lung mit Preußen über Ausscheidung des Privatguts der hannoverschen Dynastie.
Wenn, wie man versichert, dergleichen Unterhandlungen obschweben. so werden
sie im Auftrag der englischen Negierung mit Preußen geführt. Georg Rex
sitzt in Hietzing ovalis trancMlIus in unäis. Er läßt sich auf keine Unterhaut'
lung ein. Er erklärt alles, was geschehen ist, für null und nichtig und erwartet,
daß es baldigst wieder ungeschehen gemacht, und er auf dem Welfenthrone
restaurirt werde. Er fühlt sich als Sieger von Langensalza und glaubt, daß


In den Reichsrath wurden Froschaucr und Seyffertitz ohne Debatte gewählt.
Letzterer bekannte sich als Oestreicher mit Leib und Seele und versicherte nur
jener Fahne zu folgen, welche die Erhaltung des altehrwürdigen Staatsgebäudes
als Inschrift trägt. Dafür ist freilich wenig Hoffnung mehr. Eben jene feu¬
dal-klerikalen Elemente haben es an den Rand eines Abgrunds gebracht, von
dem es sich kaum noch retten wird. Man denke nur an seine übergroße Schul¬
denlast, den gänzlichen Verfall seines Credits, die finanzielle Lage Ungarns, die
sich durch den Ausgleich täglich verschlimmert, und frage sich, wie einem Staats¬
bankerott vorzubeugen. Das einzige Mittel die staatliche Existenz noch zu sichern,
den ernstlichen Bruch mit der ganzen feudalen Vergangenheit, die Aufhebung
des Bündnisses mit den Mächten der Finsterniß und des Aberglaubens scheut
man in den leitenden Kreisen ärger als die Pest, daran hängt ja eben die süße
Gewohnheit des Sinnens und Treibens. Der alte Bau ist morsch, wo man
ihn anfühlt, und der schimmernde Firniß des Dualismus hält nicht gegen
Wind und Wetter. Hinweg mit der alten provinziellen Autonomie und ihren
Sonderlandtagen, sie sind nur ein Rest des Mittelalters und waren von je
ein Mittel der Knechtung. Dagegen sträuben sich aber die tausend kleinen
Tyrannen, die nur sich und ihre Herrschaft im Auge haben, denn ihr öffentliches
Geheimniß ist der Absolutismus.




Ein Depossedirter und seine Getreuen.

Nicht König Georg von Hannover hat Auftrag gegeben zu der Unterhand¬
lung mit Preußen über Ausscheidung des Privatguts der hannoverschen Dynastie.
Wenn, wie man versichert, dergleichen Unterhandlungen obschweben. so werden
sie im Auftrag der englischen Negierung mit Preußen geführt. Georg Rex
sitzt in Hietzing ovalis trancMlIus in unäis. Er läßt sich auf keine Unterhaut'
lung ein. Er erklärt alles, was geschehen ist, für null und nichtig und erwartet,
daß es baldigst wieder ungeschehen gemacht, und er auf dem Welfenthrone
restaurirt werde. Er fühlt sich als Sieger von Langensalza und glaubt, daß


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[0388] In den Reichsrath wurden Froschaucr und Seyffertitz ohne Debatte gewählt. Letzterer bekannte sich als Oestreicher mit Leib und Seele und versicherte nur jener Fahne zu folgen, welche die Erhaltung des altehrwürdigen Staatsgebäudes als Inschrift trägt. Dafür ist freilich wenig Hoffnung mehr. Eben jene feu¬ dal-klerikalen Elemente haben es an den Rand eines Abgrunds gebracht, von dem es sich kaum noch retten wird. Man denke nur an seine übergroße Schul¬ denlast, den gänzlichen Verfall seines Credits, die finanzielle Lage Ungarns, die sich durch den Ausgleich täglich verschlimmert, und frage sich, wie einem Staats¬ bankerott vorzubeugen. Das einzige Mittel die staatliche Existenz noch zu sichern, den ernstlichen Bruch mit der ganzen feudalen Vergangenheit, die Aufhebung des Bündnisses mit den Mächten der Finsterniß und des Aberglaubens scheut man in den leitenden Kreisen ärger als die Pest, daran hängt ja eben die süße Gewohnheit des Sinnens und Treibens. Der alte Bau ist morsch, wo man ihn anfühlt, und der schimmernde Firniß des Dualismus hält nicht gegen Wind und Wetter. Hinweg mit der alten provinziellen Autonomie und ihren Sonderlandtagen, sie sind nur ein Rest des Mittelalters und waren von je ein Mittel der Knechtung. Dagegen sträuben sich aber die tausend kleinen Tyrannen, die nur sich und ihre Herrschaft im Auge haben, denn ihr öffentliches Geheimniß ist der Absolutismus. Ein Depossedirter und seine Getreuen. Nicht König Georg von Hannover hat Auftrag gegeben zu der Unterhand¬ lung mit Preußen über Ausscheidung des Privatguts der hannoverschen Dynastie. Wenn, wie man versichert, dergleichen Unterhandlungen obschweben. so werden sie im Auftrag der englischen Negierung mit Preußen geführt. Georg Rex sitzt in Hietzing ovalis trancMlIus in unäis. Er läßt sich auf keine Unterhaut' lung ein. Er erklärt alles, was geschehen ist, für null und nichtig und erwartet, daß es baldigst wieder ungeschehen gemacht, und er auf dem Welfenthrone restaurirt werde. Er fühlt sich als Sieger von Langensalza und glaubt, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/388>, abgerufen am 29.06.2024.