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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Der deutsche Buchhandel der letzten Monate.

In keiner Zeit des Jahres ist der deutsche Buchhandel zu einer unfrucht-
bareren Thätigkeit genöthigt, als in den Monaten, welche der Ostermesse vor.
angehen. Dann beginnt mit den länger werdenden Tagen ein unerquickliches
Treiben in den Sortimentshandlungen und der Staub wirbelt von manchem
Buche auf. das ein Jahr hindurch in verborgener Ecke ein beschauliches Leben
geführt. Denn die Zeit ist da, wo der Sortimenter sein Lager umstürzt und
überlegt, was er behalten muß. weil er es von dem Verleger festgekauft, und
was von den buchhändlerischen Neuigkeiten des Vorjahres und vom älteren
Bestände seines Lagers noch für die Folge Absatz verspricht. Während er dem
Verleger über diese Bücher ein Verzeichnis; zufertigt, packt er in mächtige
Ballen zusammen, was jener zurückverlangt, was er selbst wegen mangelnden
Raumes oder Absatzes nicht länger behalten mag. Und nun wird es plötzlich
klar, wie manches Buch, welches die Reclame mit abgenutzten Phrasen als
hochwichtig begrüßte, unter dem Zeichen des Krebses geboren ward. Denn
"Krebse" nennt der Buchhändler alle Erzeugnisse verlegerischer Thätigkeit, die
unverkauft zur alten Heimath eingehen.

So ist jene Zeit eine ziemlich unerquickliche. Denn der Sortimenter seufzt
über das Publikum, das so schlecht kauft und noch schlechter zahlt, während er
selbst jetzt gehalten ist, sein "Soll" bei dem Verleger auszugleichen. Dieser
seufzt etwas später, wenn die .Krebse" in trauriger Fülle sich einstellen und
von manchem verfehlten Unternehmen zu erzählen wissen, und wenn seine Me߬
einnahmen schwächer als erwartet ausfallen. Auch der Schriftsteller seufzt.
Denn er träumte vielleicht von einer neuen Auflage seiner Liebesklagen in
Miniaturformat und von dem Honorar, das daraufhin für die erste Auflage
fällig werden sollte. Und er mag dann mit einem neuesten Dichter klagen, der im
Jahre 1868 "Krebs" werden wird:


"Heutzutage Poet zu sein ist wahrlich ein Unglück."

Auch der Commissionär ist in angespannter Thätigkeit, und er theilt nicht
ganz die elegischen Stimmungen der Autoren. Verleger, Sortimenter. Denn
ihm ist die Thätigkeit des Verlegers, ob dieser gute oder schlechte Werke drücke,
fast gleich erwünscht. Für ihn hat die Literatur unter anderem auch deshalb
Werth, weil sie wiegt und jedes Buch, dessen Besorgung er vermittelt, ist ihm
ein viereckiges Etwas, das seine Wage kräftig zu Boden drückt. Mehr noch


Der deutsche Buchhandel der letzten Monate.

In keiner Zeit des Jahres ist der deutsche Buchhandel zu einer unfrucht-
bareren Thätigkeit genöthigt, als in den Monaten, welche der Ostermesse vor.
angehen. Dann beginnt mit den länger werdenden Tagen ein unerquickliches
Treiben in den Sortimentshandlungen und der Staub wirbelt von manchem
Buche auf. das ein Jahr hindurch in verborgener Ecke ein beschauliches Leben
geführt. Denn die Zeit ist da, wo der Sortimenter sein Lager umstürzt und
überlegt, was er behalten muß. weil er es von dem Verleger festgekauft, und
was von den buchhändlerischen Neuigkeiten des Vorjahres und vom älteren
Bestände seines Lagers noch für die Folge Absatz verspricht. Während er dem
Verleger über diese Bücher ein Verzeichnis; zufertigt, packt er in mächtige
Ballen zusammen, was jener zurückverlangt, was er selbst wegen mangelnden
Raumes oder Absatzes nicht länger behalten mag. Und nun wird es plötzlich
klar, wie manches Buch, welches die Reclame mit abgenutzten Phrasen als
hochwichtig begrüßte, unter dem Zeichen des Krebses geboren ward. Denn
„Krebse" nennt der Buchhändler alle Erzeugnisse verlegerischer Thätigkeit, die
unverkauft zur alten Heimath eingehen.

So ist jene Zeit eine ziemlich unerquickliche. Denn der Sortimenter seufzt
über das Publikum, das so schlecht kauft und noch schlechter zahlt, während er
selbst jetzt gehalten ist, sein „Soll" bei dem Verleger auszugleichen. Dieser
seufzt etwas später, wenn die .Krebse" in trauriger Fülle sich einstellen und
von manchem verfehlten Unternehmen zu erzählen wissen, und wenn seine Me߬
einnahmen schwächer als erwartet ausfallen. Auch der Schriftsteller seufzt.
Denn er träumte vielleicht von einer neuen Auflage seiner Liebesklagen in
Miniaturformat und von dem Honorar, das daraufhin für die erste Auflage
fällig werden sollte. Und er mag dann mit einem neuesten Dichter klagen, der im
Jahre 1868 „Krebs" werden wird:


„Heutzutage Poet zu sein ist wahrlich ein Unglück."

Auch der Commissionär ist in angespannter Thätigkeit, und er theilt nicht
ganz die elegischen Stimmungen der Autoren. Verleger, Sortimenter. Denn
ihm ist die Thätigkeit des Verlegers, ob dieser gute oder schlechte Werke drücke,
fast gleich erwünscht. Für ihn hat die Literatur unter anderem auch deshalb
Werth, weil sie wiegt und jedes Buch, dessen Besorgung er vermittelt, ist ihm
ein viereckiges Etwas, das seine Wage kräftig zu Boden drückt. Mehr noch


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[0313] Der deutsche Buchhandel der letzten Monate. In keiner Zeit des Jahres ist der deutsche Buchhandel zu einer unfrucht- bareren Thätigkeit genöthigt, als in den Monaten, welche der Ostermesse vor. angehen. Dann beginnt mit den länger werdenden Tagen ein unerquickliches Treiben in den Sortimentshandlungen und der Staub wirbelt von manchem Buche auf. das ein Jahr hindurch in verborgener Ecke ein beschauliches Leben geführt. Denn die Zeit ist da, wo der Sortimenter sein Lager umstürzt und überlegt, was er behalten muß. weil er es von dem Verleger festgekauft, und was von den buchhändlerischen Neuigkeiten des Vorjahres und vom älteren Bestände seines Lagers noch für die Folge Absatz verspricht. Während er dem Verleger über diese Bücher ein Verzeichnis; zufertigt, packt er in mächtige Ballen zusammen, was jener zurückverlangt, was er selbst wegen mangelnden Raumes oder Absatzes nicht länger behalten mag. Und nun wird es plötzlich klar, wie manches Buch, welches die Reclame mit abgenutzten Phrasen als hochwichtig begrüßte, unter dem Zeichen des Krebses geboren ward. Denn „Krebse" nennt der Buchhändler alle Erzeugnisse verlegerischer Thätigkeit, die unverkauft zur alten Heimath eingehen. So ist jene Zeit eine ziemlich unerquickliche. Denn der Sortimenter seufzt über das Publikum, das so schlecht kauft und noch schlechter zahlt, während er selbst jetzt gehalten ist, sein „Soll" bei dem Verleger auszugleichen. Dieser seufzt etwas später, wenn die .Krebse" in trauriger Fülle sich einstellen und von manchem verfehlten Unternehmen zu erzählen wissen, und wenn seine Me߬ einnahmen schwächer als erwartet ausfallen. Auch der Schriftsteller seufzt. Denn er träumte vielleicht von einer neuen Auflage seiner Liebesklagen in Miniaturformat und von dem Honorar, das daraufhin für die erste Auflage fällig werden sollte. Und er mag dann mit einem neuesten Dichter klagen, der im Jahre 1868 „Krebs" werden wird: „Heutzutage Poet zu sein ist wahrlich ein Unglück." Auch der Commissionär ist in angespannter Thätigkeit, und er theilt nicht ganz die elegischen Stimmungen der Autoren. Verleger, Sortimenter. Denn ihm ist die Thätigkeit des Verlegers, ob dieser gute oder schlechte Werke drücke, fast gleich erwünscht. Für ihn hat die Literatur unter anderem auch deshalb Werth, weil sie wiegt und jedes Buch, dessen Besorgung er vermittelt, ist ihm ein viereckiges Etwas, das seine Wage kräftig zu Boden drückt. Mehr noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/313>, abgerufen am 29.06.2024.