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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Die Unzufriedenen in der Schiller-Goethe-Zeit
von 179S--180S.
Ungedruckte Briefe Herders und seiner Frau an Merkel.

Unter den Gegnern Goethes und Schillers waren im Heerlager Weimar
Herder und Böttiger Uterarisch am einflußreichsten, beide aus persönlichem
Gegensatz, der sich in den engen Verhältnissen einer kleinen Residenz scharf zu¬
gespitzt hatte, nicht deshalb, weil sie Vertreter eines andern Kunstprincips ge¬
wesen wären. An Herder und dessen Frau hatte sich Merkel mit aller Wärme
angeschlossen, deren seine Natur fähig war, ihnen war der rührige Journalist
ein willkommener Bundesgenosse, vielleicht nicht weniger, weil er die Gegner
befehdete, als weil er die Freunde zu verehren verpflichtet wurde. Es ist
ergötzlich, in den erhaltenen Briefen die Weise zu beobachten, wie man von
Weimar den Eiser des ergebenen Mannes dirigirte, mäßigte und zum Lobe der
Befreundeten mahnte, wenn er einmal sein Mißfallen an unrichtiger Stelle ge¬
äußert hatte. Der Einblick in jenes Coteriewesen ist aber auch lehrreich, weil
er die damals größten Interessen der Nation verständlich macht, wie sie in dem
literarischen Kleinleben verhandelt wurden; er soll die Theilnahme an den Menschen,
welche unter den Besten ihrer Zeit zählten, nicht vermindern, aber er soll uns deut¬
lich machen,'wie sehr auch sie unter der Schwäche des deutschen Lebens litten. Wenn
jetzt eine gescheidte und begabte Frau, wie Karoline Herder in Privatbriefen gegen
literarische Gegner ihres Mannes polemisirt, so wird dies schwerlich für eine
künftige Generation irgendein Interesse haben und kein grünes Blatt unserer
Zukunft wird seine" Zeitgenossen einen Abdruck davon gönnen. Uns ist noch
nützlich, an solchen Einzelnheiten zu erkennen, wie viel in jener Vergangenheit
schwächlich war, und worin wir sie überwachsen haben. Von diesem Gesichts¬
punkte wird für die folgenden Briefe das Interesse der Leser erbeten.

1) Merkel an Herder. Potsdam, 20. May 1800. Dem Hohenpriester
der Humanität zuerst von dem, was dieser angehört. Lesen Sie, mein verehrter
Gönner, den beiliegenden Brief Sonntags, den mir Teller dazu mitgetheilt hat.
Ich bin nicht so dreust, eine andere Bitte beyzufügen, als daß Sie dies Schrei¬
ben nicht zur Kenntniß der Frau von Löwenstern gelangen lassen und mir es
zurücksenden möchten.

Und ize empfangen Sie meinen Dank für den Brief, mit dem Sie mich


Grenzbote" II. 1887. 37
Die Unzufriedenen in der Schiller-Goethe-Zeit
von 179S—180S.
Ungedruckte Briefe Herders und seiner Frau an Merkel.

Unter den Gegnern Goethes und Schillers waren im Heerlager Weimar
Herder und Böttiger Uterarisch am einflußreichsten, beide aus persönlichem
Gegensatz, der sich in den engen Verhältnissen einer kleinen Residenz scharf zu¬
gespitzt hatte, nicht deshalb, weil sie Vertreter eines andern Kunstprincips ge¬
wesen wären. An Herder und dessen Frau hatte sich Merkel mit aller Wärme
angeschlossen, deren seine Natur fähig war, ihnen war der rührige Journalist
ein willkommener Bundesgenosse, vielleicht nicht weniger, weil er die Gegner
befehdete, als weil er die Freunde zu verehren verpflichtet wurde. Es ist
ergötzlich, in den erhaltenen Briefen die Weise zu beobachten, wie man von
Weimar den Eiser des ergebenen Mannes dirigirte, mäßigte und zum Lobe der
Befreundeten mahnte, wenn er einmal sein Mißfallen an unrichtiger Stelle ge¬
äußert hatte. Der Einblick in jenes Coteriewesen ist aber auch lehrreich, weil
er die damals größten Interessen der Nation verständlich macht, wie sie in dem
literarischen Kleinleben verhandelt wurden; er soll die Theilnahme an den Menschen,
welche unter den Besten ihrer Zeit zählten, nicht vermindern, aber er soll uns deut¬
lich machen,'wie sehr auch sie unter der Schwäche des deutschen Lebens litten. Wenn
jetzt eine gescheidte und begabte Frau, wie Karoline Herder in Privatbriefen gegen
literarische Gegner ihres Mannes polemisirt, so wird dies schwerlich für eine
künftige Generation irgendein Interesse haben und kein grünes Blatt unserer
Zukunft wird seine» Zeitgenossen einen Abdruck davon gönnen. Uns ist noch
nützlich, an solchen Einzelnheiten zu erkennen, wie viel in jener Vergangenheit
schwächlich war, und worin wir sie überwachsen haben. Von diesem Gesichts¬
punkte wird für die folgenden Briefe das Interesse der Leser erbeten.

1) Merkel an Herder. Potsdam, 20. May 1800. Dem Hohenpriester
der Humanität zuerst von dem, was dieser angehört. Lesen Sie, mein verehrter
Gönner, den beiliegenden Brief Sonntags, den mir Teller dazu mitgetheilt hat.
Ich bin nicht so dreust, eine andere Bitte beyzufügen, als daß Sie dies Schrei¬
ben nicht zur Kenntniß der Frau von Löwenstern gelangen lassen und mir es
zurücksenden möchten.

Und ize empfangen Sie meinen Dank für den Brief, mit dem Sie mich


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[0293] Die Unzufriedenen in der Schiller-Goethe-Zeit von 179S—180S. Ungedruckte Briefe Herders und seiner Frau an Merkel. Unter den Gegnern Goethes und Schillers waren im Heerlager Weimar Herder und Böttiger Uterarisch am einflußreichsten, beide aus persönlichem Gegensatz, der sich in den engen Verhältnissen einer kleinen Residenz scharf zu¬ gespitzt hatte, nicht deshalb, weil sie Vertreter eines andern Kunstprincips ge¬ wesen wären. An Herder und dessen Frau hatte sich Merkel mit aller Wärme angeschlossen, deren seine Natur fähig war, ihnen war der rührige Journalist ein willkommener Bundesgenosse, vielleicht nicht weniger, weil er die Gegner befehdete, als weil er die Freunde zu verehren verpflichtet wurde. Es ist ergötzlich, in den erhaltenen Briefen die Weise zu beobachten, wie man von Weimar den Eiser des ergebenen Mannes dirigirte, mäßigte und zum Lobe der Befreundeten mahnte, wenn er einmal sein Mißfallen an unrichtiger Stelle ge¬ äußert hatte. Der Einblick in jenes Coteriewesen ist aber auch lehrreich, weil er die damals größten Interessen der Nation verständlich macht, wie sie in dem literarischen Kleinleben verhandelt wurden; er soll die Theilnahme an den Menschen, welche unter den Besten ihrer Zeit zählten, nicht vermindern, aber er soll uns deut¬ lich machen,'wie sehr auch sie unter der Schwäche des deutschen Lebens litten. Wenn jetzt eine gescheidte und begabte Frau, wie Karoline Herder in Privatbriefen gegen literarische Gegner ihres Mannes polemisirt, so wird dies schwerlich für eine künftige Generation irgendein Interesse haben und kein grünes Blatt unserer Zukunft wird seine» Zeitgenossen einen Abdruck davon gönnen. Uns ist noch nützlich, an solchen Einzelnheiten zu erkennen, wie viel in jener Vergangenheit schwächlich war, und worin wir sie überwachsen haben. Von diesem Gesichts¬ punkte wird für die folgenden Briefe das Interesse der Leser erbeten. 1) Merkel an Herder. Potsdam, 20. May 1800. Dem Hohenpriester der Humanität zuerst von dem, was dieser angehört. Lesen Sie, mein verehrter Gönner, den beiliegenden Brief Sonntags, den mir Teller dazu mitgetheilt hat. Ich bin nicht so dreust, eine andere Bitte beyzufügen, als daß Sie dies Schrei¬ ben nicht zur Kenntniß der Frau von Löwenstern gelangen lassen und mir es zurücksenden möchten. Und ize empfangen Sie meinen Dank für den Brief, mit dem Sie mich Grenzbote» II. 1887. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/293>, abgerufen am 22.07.2024.