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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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vorauszusehen, daß auch der nächste Schritt nur ein Act der Gesetzgebung
sein kann und das letzte Ziel, eine Verständigung mit dem Papstthum, aber¬
mals auf spätere Zeiten hinaus genickt werden muß. Damit tritt aber über¬
haupt die Möglichkeit einer Durchführung des cavourschen Programms zur
Erlangung Roms immer weiter in die Ferne, und man kann sich nur schwer
des Gedankens erwehren, daß eines Tages irgendwelche Katastrophe als will¬
^V. I,. kommener Deus ex MÄcIrmg, begrüßt werden wird.




Neueste Lebenszeichen des Skandinavismns.

In der Geschichte der skandinavischen Idee spielt Norwegen eine ähnliche
Rolle, wie sie innerhalb unsrer nationalen Einheitsbestrebungen dem Nord¬
westen und einem Theil von Binnendeutschland zugefallen ist: die Rolle des
Lermittlungsgliedes. Früher mit Dänemark, jetzt mit Schweden unter dem¬
selben Herrscherhause vereint, mit Schweden die großen öffentlichen Geschicke
theilend, mit Dänemark die Sprache und folgeweise das literarische Leben, ist
Norwegen zwischen beiden Ländern gewissermaßen der geborene Ausgleicher.
Es ist daher bedeutsam, daß es neuerdings aus seiner mehr gleichgiltigen und
abwartenden Haltung dem Scandinavismus gegenüber herauszutreten anfängt.
Die Wendung schreibt sich von dem letzten dents.b-dänischen Kriege her. Vor
demselben war es höchstens Studenten und Polinkern von Fach eingefallen,
für die Aufnahme Dänemarks als Dritten in einen festeren und handlungs¬
fähigeren Bund mit Schweden zu schwärmen. Von da an ergriff der Gedanke
weitere Kreise. Seine eifrigsten Bekenner konnten es unternehmen, in Chri-
stiania eine skandinavische Gesellschaft zu gründen.

Diese war indessen kaum ins Leben getreten, als sich auch schon eine
Spaltung zeigte. Die Mehrzahl der leitenden Köpfe huldigte der allerdings
naheliegenden und einleuchtenden Ansicht, daß zu den Stationen auf dem Wege,
welchen der Skandincivismus zurückzulegen haben werde, auch die Reform der
praktisch sehr unzulänglichen schwedis^-norwegischen Union gehöre. Eine Min¬
derheit dagegen, unter Führung des Regierungsanwalts Dunker, wollte von
feiner Verbesserung der Union ohne gleichzeitigen Eintritt Dänemarks etwas
wissen. Der Leser kann sich die Natur dieser Differenz am besten vergegen-


vorauszusehen, daß auch der nächste Schritt nur ein Act der Gesetzgebung
sein kann und das letzte Ziel, eine Verständigung mit dem Papstthum, aber¬
mals auf spätere Zeiten hinaus genickt werden muß. Damit tritt aber über¬
haupt die Möglichkeit einer Durchführung des cavourschen Programms zur
Erlangung Roms immer weiter in die Ferne, und man kann sich nur schwer
des Gedankens erwehren, daß eines Tages irgendwelche Katastrophe als will¬
^V. I,. kommener Deus ex MÄcIrmg, begrüßt werden wird.




Neueste Lebenszeichen des Skandinavismns.

In der Geschichte der skandinavischen Idee spielt Norwegen eine ähnliche
Rolle, wie sie innerhalb unsrer nationalen Einheitsbestrebungen dem Nord¬
westen und einem Theil von Binnendeutschland zugefallen ist: die Rolle des
Lermittlungsgliedes. Früher mit Dänemark, jetzt mit Schweden unter dem¬
selben Herrscherhause vereint, mit Schweden die großen öffentlichen Geschicke
theilend, mit Dänemark die Sprache und folgeweise das literarische Leben, ist
Norwegen zwischen beiden Ländern gewissermaßen der geborene Ausgleicher.
Es ist daher bedeutsam, daß es neuerdings aus seiner mehr gleichgiltigen und
abwartenden Haltung dem Scandinavismus gegenüber herauszutreten anfängt.
Die Wendung schreibt sich von dem letzten dents.b-dänischen Kriege her. Vor
demselben war es höchstens Studenten und Polinkern von Fach eingefallen,
für die Aufnahme Dänemarks als Dritten in einen festeren und handlungs¬
fähigeren Bund mit Schweden zu schwärmen. Von da an ergriff der Gedanke
weitere Kreise. Seine eifrigsten Bekenner konnten es unternehmen, in Chri-
stiania eine skandinavische Gesellschaft zu gründen.

Diese war indessen kaum ins Leben getreten, als sich auch schon eine
Spaltung zeigte. Die Mehrzahl der leitenden Köpfe huldigte der allerdings
naheliegenden und einleuchtenden Ansicht, daß zu den Stationen auf dem Wege,
welchen der Skandincivismus zurückzulegen haben werde, auch die Reform der
praktisch sehr unzulänglichen schwedis^-norwegischen Union gehöre. Eine Min¬
derheit dagegen, unter Führung des Regierungsanwalts Dunker, wollte von
feiner Verbesserung der Union ohne gleichzeitigen Eintritt Dänemarks etwas
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[0512] vorauszusehen, daß auch der nächste Schritt nur ein Act der Gesetzgebung sein kann und das letzte Ziel, eine Verständigung mit dem Papstthum, aber¬ mals auf spätere Zeiten hinaus genickt werden muß. Damit tritt aber über¬ haupt die Möglichkeit einer Durchführung des cavourschen Programms zur Erlangung Roms immer weiter in die Ferne, und man kann sich nur schwer des Gedankens erwehren, daß eines Tages irgendwelche Katastrophe als will¬ ^V. I,. kommener Deus ex MÄcIrmg, begrüßt werden wird. Neueste Lebenszeichen des Skandinavismns. In der Geschichte der skandinavischen Idee spielt Norwegen eine ähnliche Rolle, wie sie innerhalb unsrer nationalen Einheitsbestrebungen dem Nord¬ westen und einem Theil von Binnendeutschland zugefallen ist: die Rolle des Lermittlungsgliedes. Früher mit Dänemark, jetzt mit Schweden unter dem¬ selben Herrscherhause vereint, mit Schweden die großen öffentlichen Geschicke theilend, mit Dänemark die Sprache und folgeweise das literarische Leben, ist Norwegen zwischen beiden Ländern gewissermaßen der geborene Ausgleicher. Es ist daher bedeutsam, daß es neuerdings aus seiner mehr gleichgiltigen und abwartenden Haltung dem Scandinavismus gegenüber herauszutreten anfängt. Die Wendung schreibt sich von dem letzten dents.b-dänischen Kriege her. Vor demselben war es höchstens Studenten und Polinkern von Fach eingefallen, für die Aufnahme Dänemarks als Dritten in einen festeren und handlungs¬ fähigeren Bund mit Schweden zu schwärmen. Von da an ergriff der Gedanke weitere Kreise. Seine eifrigsten Bekenner konnten es unternehmen, in Chri- stiania eine skandinavische Gesellschaft zu gründen. Diese war indessen kaum ins Leben getreten, als sich auch schon eine Spaltung zeigte. Die Mehrzahl der leitenden Köpfe huldigte der allerdings naheliegenden und einleuchtenden Ansicht, daß zu den Stationen auf dem Wege, welchen der Skandincivismus zurückzulegen haben werde, auch die Reform der praktisch sehr unzulänglichen schwedis^-norwegischen Union gehöre. Eine Min¬ derheit dagegen, unter Führung des Regierungsanwalts Dunker, wollte von feiner Verbesserung der Union ohne gleichzeitigen Eintritt Dänemarks etwas wissen. Der Leser kann sich die Natur dieser Differenz am besten vergegen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/512>, abgerufen am 27.06.2024.