Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Unsere Zeit" neue Folge, Jahrgang III. Heft 2 wird Seite 99 erzählt. in
Hessen-Darmstadt werde die Medaille für Kunst und Wissenschaft vorzugsweise
an Schauspieler, Sänger und Musiker vergeben. Die nassauische Regierung hat
sich vor einer solchen Einseitigkeit zu bewahren gewußt. Sie hat gedacht: das
Eine thun und das Andere nicht lassen, hat Musiker und Mimen bedacht,
aber ohne die Wasser- und Gartenkünstler darob zu vergessen; und nur jemand,
der hinter der modernen Entwickelung, wie sie sich in gewissen, mit einer eigen¬
thümlichen Sorgfalt regierten Kleinstaaten herausgebildet, weit zurückgeblieben
ist, wird zu läugnen wagen, daß hier die Ka ito a sseran sea le und derKunst-
garten, erstere unter den Wissenschaften, letztere unter den Künsten, die
wichtigste Stelle einnehmen. Wenigstens können wir durch das nassauische
Staatshandbuch den Beweis dafür liefern. Und wo ist ein zweiter Staat, der
ein solches von sich behaupten könnte?




Nordschleswig und die Wahlen.

Die Wahl vom 12. Februar hat herausgestellt, daß die Zahl der Dänisch-
gesinnten in Nordschleswig nicht 200,000 ist, wie in Kopenhagen gewöhnlich
gesagt wird, sondern nur etwa 150,000. Ihre Minderheit im westschleswig-
schcn Wahlkreise (Tondern-Husum) war noch nicht so groß wie die deutsche
Minderheit im nordschleswigschen Wahlkreis (Apenradc-Hadersleben), und ihre
Mehrheit im mittelschlcswigschen Wahlkreise (Flensburg. Angeln, Sundewitt.
Insel Alsen) der deutschen Minderheit nur um wenige hundert Stimmen über¬
legen. Wenn man ihnen also anderthalb Wahlkreise zuschreibt, thut man ge¬
nug ; und .anderthalb Wahlkreise sind in runder Summe 150.000 Seelen. Diese
aber wohnen nur im nördlichsten Wahlkreis so dicht, daß die Zahl der einge¬
mischten Deutschen ein Fünfte! der gesammten Bevölkerung nicht übersteigt.
Um Flensburg herum nähert sich das Verhältniß der beiden Nationalitäten zu
einander immer mehr der numerischen Gleichheit. Die Dänen selbst fürchteten,
daß ihr dortiger Neichstagscandidat unterliegen werde, und es ist auch wohl
sehr die Frage, ob es nicht geschehen wäre, wenn die Deutschen sich nicht durch
ihre unselige Zersplitterung in "Schlcswigholsteiner" und "Preußen" moralisch
geschwächt hätten.


„Unsere Zeit" neue Folge, Jahrgang III. Heft 2 wird Seite 99 erzählt. in
Hessen-Darmstadt werde die Medaille für Kunst und Wissenschaft vorzugsweise
an Schauspieler, Sänger und Musiker vergeben. Die nassauische Regierung hat
sich vor einer solchen Einseitigkeit zu bewahren gewußt. Sie hat gedacht: das
Eine thun und das Andere nicht lassen, hat Musiker und Mimen bedacht,
aber ohne die Wasser- und Gartenkünstler darob zu vergessen; und nur jemand,
der hinter der modernen Entwickelung, wie sie sich in gewissen, mit einer eigen¬
thümlichen Sorgfalt regierten Kleinstaaten herausgebildet, weit zurückgeblieben
ist, wird zu läugnen wagen, daß hier die Ka ito a sseran sea le und derKunst-
garten, erstere unter den Wissenschaften, letztere unter den Künsten, die
wichtigste Stelle einnehmen. Wenigstens können wir durch das nassauische
Staatshandbuch den Beweis dafür liefern. Und wo ist ein zweiter Staat, der
ein solches von sich behaupten könnte?




Nordschleswig und die Wahlen.

Die Wahl vom 12. Februar hat herausgestellt, daß die Zahl der Dänisch-
gesinnten in Nordschleswig nicht 200,000 ist, wie in Kopenhagen gewöhnlich
gesagt wird, sondern nur etwa 150,000. Ihre Minderheit im westschleswig-
schcn Wahlkreise (Tondern-Husum) war noch nicht so groß wie die deutsche
Minderheit im nordschleswigschen Wahlkreis (Apenradc-Hadersleben), und ihre
Mehrheit im mittelschlcswigschen Wahlkreise (Flensburg. Angeln, Sundewitt.
Insel Alsen) der deutschen Minderheit nur um wenige hundert Stimmen über¬
legen. Wenn man ihnen also anderthalb Wahlkreise zuschreibt, thut man ge¬
nug ; und .anderthalb Wahlkreise sind in runder Summe 150.000 Seelen. Diese
aber wohnen nur im nördlichsten Wahlkreis so dicht, daß die Zahl der einge¬
mischten Deutschen ein Fünfte! der gesammten Bevölkerung nicht übersteigt.
Um Flensburg herum nähert sich das Verhältniß der beiden Nationalitäten zu
einander immer mehr der numerischen Gleichheit. Die Dänen selbst fürchteten,
daß ihr dortiger Neichstagscandidat unterliegen werde, und es ist auch wohl
sehr die Frage, ob es nicht geschehen wäre, wenn die Deutschen sich nicht durch
ihre unselige Zersplitterung in „Schlcswigholsteiner" und „Preußen" moralisch
geschwächt hätten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190565"/>
          <p xml:id="ID_1343" prev="#ID_1342"> &#x201E;Unsere Zeit" neue Folge, Jahrgang III. Heft 2 wird Seite 99 erzählt. in<lb/>
Hessen-Darmstadt werde die Medaille für Kunst und Wissenschaft vorzugsweise<lb/>
an Schauspieler, Sänger und Musiker vergeben. Die nassauische Regierung hat<lb/>
sich vor einer solchen Einseitigkeit zu bewahren gewußt. Sie hat gedacht: das<lb/>
Eine thun und das Andere nicht lassen, hat Musiker und Mimen bedacht,<lb/>
aber ohne die Wasser- und Gartenkünstler darob zu vergessen; und nur jemand,<lb/>
der hinter der modernen Entwickelung, wie sie sich in gewissen, mit einer eigen¬<lb/>
thümlichen Sorgfalt regierten Kleinstaaten herausgebildet, weit zurückgeblieben<lb/>
ist, wird zu läugnen wagen, daß hier die Ka ito a sseran sea le und derKunst-<lb/>
garten, erstere unter den Wissenschaften, letztere unter den Künsten, die<lb/>
wichtigste Stelle einnehmen. Wenigstens können wir durch das nassauische<lb/>
Staatshandbuch den Beweis dafür liefern. Und wo ist ein zweiter Staat, der<lb/>
ein solches von sich behaupten könnte?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Nordschleswig und die Wahlen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1344"> Die Wahl vom 12. Februar hat herausgestellt, daß die Zahl der Dänisch-<lb/>
gesinnten in Nordschleswig nicht 200,000 ist, wie in Kopenhagen gewöhnlich<lb/>
gesagt wird, sondern nur etwa 150,000. Ihre Minderheit im westschleswig-<lb/>
schcn Wahlkreise (Tondern-Husum) war noch nicht so groß wie die deutsche<lb/>
Minderheit im nordschleswigschen Wahlkreis (Apenradc-Hadersleben), und ihre<lb/>
Mehrheit im mittelschlcswigschen Wahlkreise (Flensburg. Angeln, Sundewitt.<lb/>
Insel Alsen) der deutschen Minderheit nur um wenige hundert Stimmen über¬<lb/>
legen. Wenn man ihnen also anderthalb Wahlkreise zuschreibt, thut man ge¬<lb/>
nug ; und .anderthalb Wahlkreise sind in runder Summe 150.000 Seelen. Diese<lb/>
aber wohnen nur im nördlichsten Wahlkreis so dicht, daß die Zahl der einge¬<lb/>
mischten Deutschen ein Fünfte! der gesammten Bevölkerung nicht übersteigt.<lb/>
Um Flensburg herum nähert sich das Verhältniß der beiden Nationalitäten zu<lb/>
einander immer mehr der numerischen Gleichheit. Die Dänen selbst fürchteten,<lb/>
daß ihr dortiger Neichstagscandidat unterliegen werde, und es ist auch wohl<lb/>
sehr die Frage, ob es nicht geschehen wäre, wenn die Deutschen sich nicht durch<lb/>
ihre unselige Zersplitterung in &#x201E;Schlcswigholsteiner" und &#x201E;Preußen" moralisch<lb/>
geschwächt hätten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0406] „Unsere Zeit" neue Folge, Jahrgang III. Heft 2 wird Seite 99 erzählt. in Hessen-Darmstadt werde die Medaille für Kunst und Wissenschaft vorzugsweise an Schauspieler, Sänger und Musiker vergeben. Die nassauische Regierung hat sich vor einer solchen Einseitigkeit zu bewahren gewußt. Sie hat gedacht: das Eine thun und das Andere nicht lassen, hat Musiker und Mimen bedacht, aber ohne die Wasser- und Gartenkünstler darob zu vergessen; und nur jemand, der hinter der modernen Entwickelung, wie sie sich in gewissen, mit einer eigen¬ thümlichen Sorgfalt regierten Kleinstaaten herausgebildet, weit zurückgeblieben ist, wird zu läugnen wagen, daß hier die Ka ito a sseran sea le und derKunst- garten, erstere unter den Wissenschaften, letztere unter den Künsten, die wichtigste Stelle einnehmen. Wenigstens können wir durch das nassauische Staatshandbuch den Beweis dafür liefern. Und wo ist ein zweiter Staat, der ein solches von sich behaupten könnte? Nordschleswig und die Wahlen. Die Wahl vom 12. Februar hat herausgestellt, daß die Zahl der Dänisch- gesinnten in Nordschleswig nicht 200,000 ist, wie in Kopenhagen gewöhnlich gesagt wird, sondern nur etwa 150,000. Ihre Minderheit im westschleswig- schcn Wahlkreise (Tondern-Husum) war noch nicht so groß wie die deutsche Minderheit im nordschleswigschen Wahlkreis (Apenradc-Hadersleben), und ihre Mehrheit im mittelschlcswigschen Wahlkreise (Flensburg. Angeln, Sundewitt. Insel Alsen) der deutschen Minderheit nur um wenige hundert Stimmen über¬ legen. Wenn man ihnen also anderthalb Wahlkreise zuschreibt, thut man ge¬ nug ; und .anderthalb Wahlkreise sind in runder Summe 150.000 Seelen. Diese aber wohnen nur im nördlichsten Wahlkreis so dicht, daß die Zahl der einge¬ mischten Deutschen ein Fünfte! der gesammten Bevölkerung nicht übersteigt. Um Flensburg herum nähert sich das Verhältniß der beiden Nationalitäten zu einander immer mehr der numerischen Gleichheit. Die Dänen selbst fürchteten, daß ihr dortiger Neichstagscandidat unterliegen werde, und es ist auch wohl sehr die Frage, ob es nicht geschehen wäre, wenn die Deutschen sich nicht durch ihre unselige Zersplitterung in „Schlcswigholsteiner" und „Preußen" moralisch geschwächt hätten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/406
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/406>, abgerufen am 27.06.2024.