Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

freimüthige Kundgebungen erfreulich hervorgethan. In keiner Beziehung haben
wir uns ihrer zu schämen, oder Ursache, dieser besondern Art von Auswande¬
rung entgegenzuwirken. Jene rasche und vollständige Entfremdung, die man
den auswärts lebenden Deutschen früher durchgängig nachsagte, gilt heutzutage
wenigstens von dieser Kategorie derselben nicht mehr. Sie sind im Gegentheil
fast sämmtlich ebenso feurige, einsichtige und opferwillige Patrioten, als sie auch
in der Fremde noch nützliche Mitglieder der erwerbenden, verkehrtreibenden Ge¬
sellschaft bleiben. Indem wir daher auf ihre Verhältnisse seht bei der Erstreckung
der allgemeinen Wehrpflicht über ganz Nordbeutschlano eine gewisse wohlbe-
messene Rücksicht beanspruchen, setzen mir das nationale Interesse überhaupt keines¬
wegs außer Auge, sondern wir glauben es vielmehr so weitsichtig aufzufassen,
wie es der Bildung und Weltstellung der deutschen Nation geziemt.




Die Parlmnentsresorm in England.
2.
Brights Agitation, Stimmrecht und wliäoö unions.

Es wird in Deutschland, jetzt dem Lande des allgemeinsten Wahlrechts, von
Interesse sein, zu erfahren, wie die großen englischen Parteien zu dem Wahl¬
recht stehen, das auch bei ihnen zur brennenden politischen Frage geworden ist.
Wir beginnen mit den Radicalen. Die deutsche liberale Presse hat sich gewöhnt
John Bright als einen Volkshelden zu feiern, der den großen Kampf gegen das
Privilegium, welcher auf wirthschaftlichem Gebiet glücklich durchgeführt ist, nun¬
mehr auf das politische verpflanzt, um auch hier den leidenden untern Classen
zu ihrem Rechte zu verhelfen. Diese Auffassung scheint "us eine oberflächliche
und falsche. Bright trat ins öffentliche Leben als Genosse und unter den
Auspicien Cvbdens, als Mitglied des Bundes gegen die Korngeseue. und er
hat als solcher durch die Energie seiner Ueberzeugung und Beredsamkeit wackere
Dienste geleistet. Cobden war trotz seiner großen Verdienste durchaus einseitig
der Freihandel war für ihn das Maß aller Dinge; aber er war ein prak¬
tischer und weiser Mann und setzte, nachdem der Zweck der Ligue, die Abschaf-
fung der Korngesetze, erreicht war, ihre Auslösung durch, während Bright sie
erhalten und für politische Agitation brauchen wollte. Sein Ansehen war bei


freimüthige Kundgebungen erfreulich hervorgethan. In keiner Beziehung haben
wir uns ihrer zu schämen, oder Ursache, dieser besondern Art von Auswande¬
rung entgegenzuwirken. Jene rasche und vollständige Entfremdung, die man
den auswärts lebenden Deutschen früher durchgängig nachsagte, gilt heutzutage
wenigstens von dieser Kategorie derselben nicht mehr. Sie sind im Gegentheil
fast sämmtlich ebenso feurige, einsichtige und opferwillige Patrioten, als sie auch
in der Fremde noch nützliche Mitglieder der erwerbenden, verkehrtreibenden Ge¬
sellschaft bleiben. Indem wir daher auf ihre Verhältnisse seht bei der Erstreckung
der allgemeinen Wehrpflicht über ganz Nordbeutschlano eine gewisse wohlbe-
messene Rücksicht beanspruchen, setzen mir das nationale Interesse überhaupt keines¬
wegs außer Auge, sondern wir glauben es vielmehr so weitsichtig aufzufassen,
wie es der Bildung und Weltstellung der deutschen Nation geziemt.




Die Parlmnentsresorm in England.
2.
Brights Agitation, Stimmrecht und wliäoö unions.

Es wird in Deutschland, jetzt dem Lande des allgemeinsten Wahlrechts, von
Interesse sein, zu erfahren, wie die großen englischen Parteien zu dem Wahl¬
recht stehen, das auch bei ihnen zur brennenden politischen Frage geworden ist.
Wir beginnen mit den Radicalen. Die deutsche liberale Presse hat sich gewöhnt
John Bright als einen Volkshelden zu feiern, der den großen Kampf gegen das
Privilegium, welcher auf wirthschaftlichem Gebiet glücklich durchgeführt ist, nun¬
mehr auf das politische verpflanzt, um auch hier den leidenden untern Classen
zu ihrem Rechte zu verhelfen. Diese Auffassung scheint »us eine oberflächliche
und falsche. Bright trat ins öffentliche Leben als Genosse und unter den
Auspicien Cvbdens, als Mitglied des Bundes gegen die Korngeseue. und er
hat als solcher durch die Energie seiner Ueberzeugung und Beredsamkeit wackere
Dienste geleistet. Cobden war trotz seiner großen Verdienste durchaus einseitig
der Freihandel war für ihn das Maß aller Dinge; aber er war ein prak¬
tischer und weiser Mann und setzte, nachdem der Zweck der Ligue, die Abschaf-
fung der Korngesetze, erreicht war, ihre Auslösung durch, während Bright sie
erhalten und für politische Agitation brauchen wollte. Sein Ansehen war bei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190454"/>
          <p xml:id="ID_1022" prev="#ID_1021"> freimüthige Kundgebungen erfreulich hervorgethan. In keiner Beziehung haben<lb/>
wir uns ihrer zu schämen, oder Ursache, dieser besondern Art von Auswande¬<lb/>
rung entgegenzuwirken. Jene rasche und vollständige Entfremdung, die man<lb/>
den auswärts lebenden Deutschen früher durchgängig nachsagte, gilt heutzutage<lb/>
wenigstens von dieser Kategorie derselben nicht mehr. Sie sind im Gegentheil<lb/>
fast sämmtlich ebenso feurige, einsichtige und opferwillige Patrioten, als sie auch<lb/>
in der Fremde noch nützliche Mitglieder der erwerbenden, verkehrtreibenden Ge¬<lb/>
sellschaft bleiben. Indem wir daher auf ihre Verhältnisse seht bei der Erstreckung<lb/>
der allgemeinen Wehrpflicht über ganz Nordbeutschlano eine gewisse wohlbe-<lb/>
messene Rücksicht beanspruchen, setzen mir das nationale Interesse überhaupt keines¬<lb/>
wegs außer Auge, sondern wir glauben es vielmehr so weitsichtig aufzufassen,<lb/>
wie es der Bildung und Weltstellung der deutschen Nation geziemt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Parlmnentsresorm in England.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 2.<lb/>
Brights Agitation, Stimmrecht und wliäoö unions.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1023" next="#ID_1024"> Es wird in Deutschland, jetzt dem Lande des allgemeinsten Wahlrechts, von<lb/>
Interesse sein, zu erfahren, wie die großen englischen Parteien zu dem Wahl¬<lb/>
recht stehen, das auch bei ihnen zur brennenden politischen Frage geworden ist.<lb/>
Wir beginnen mit den Radicalen. Die deutsche liberale Presse hat sich gewöhnt<lb/>
John Bright als einen Volkshelden zu feiern, der den großen Kampf gegen das<lb/>
Privilegium, welcher auf wirthschaftlichem Gebiet glücklich durchgeführt ist, nun¬<lb/>
mehr auf das politische verpflanzt, um auch hier den leidenden untern Classen<lb/>
zu ihrem Rechte zu verhelfen. Diese Auffassung scheint »us eine oberflächliche<lb/>
und falsche. Bright trat ins öffentliche Leben als Genosse und unter den<lb/>
Auspicien Cvbdens, als Mitglied des Bundes gegen die Korngeseue. und er<lb/>
hat als solcher durch die Energie seiner Ueberzeugung und Beredsamkeit wackere<lb/>
Dienste geleistet. Cobden war trotz seiner großen Verdienste durchaus einseitig<lb/>
der Freihandel war für ihn das Maß aller Dinge; aber er war ein prak¬<lb/>
tischer und weiser Mann und setzte, nachdem der Zweck der Ligue, die Abschaf-<lb/>
fung der Korngesetze, erreicht war, ihre Auslösung durch, während Bright sie<lb/>
erhalten und für politische Agitation brauchen wollte.  Sein Ansehen war bei</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0295] freimüthige Kundgebungen erfreulich hervorgethan. In keiner Beziehung haben wir uns ihrer zu schämen, oder Ursache, dieser besondern Art von Auswande¬ rung entgegenzuwirken. Jene rasche und vollständige Entfremdung, die man den auswärts lebenden Deutschen früher durchgängig nachsagte, gilt heutzutage wenigstens von dieser Kategorie derselben nicht mehr. Sie sind im Gegentheil fast sämmtlich ebenso feurige, einsichtige und opferwillige Patrioten, als sie auch in der Fremde noch nützliche Mitglieder der erwerbenden, verkehrtreibenden Ge¬ sellschaft bleiben. Indem wir daher auf ihre Verhältnisse seht bei der Erstreckung der allgemeinen Wehrpflicht über ganz Nordbeutschlano eine gewisse wohlbe- messene Rücksicht beanspruchen, setzen mir das nationale Interesse überhaupt keines¬ wegs außer Auge, sondern wir glauben es vielmehr so weitsichtig aufzufassen, wie es der Bildung und Weltstellung der deutschen Nation geziemt. Die Parlmnentsresorm in England. 2. Brights Agitation, Stimmrecht und wliäoö unions. Es wird in Deutschland, jetzt dem Lande des allgemeinsten Wahlrechts, von Interesse sein, zu erfahren, wie die großen englischen Parteien zu dem Wahl¬ recht stehen, das auch bei ihnen zur brennenden politischen Frage geworden ist. Wir beginnen mit den Radicalen. Die deutsche liberale Presse hat sich gewöhnt John Bright als einen Volkshelden zu feiern, der den großen Kampf gegen das Privilegium, welcher auf wirthschaftlichem Gebiet glücklich durchgeführt ist, nun¬ mehr auf das politische verpflanzt, um auch hier den leidenden untern Classen zu ihrem Rechte zu verhelfen. Diese Auffassung scheint »us eine oberflächliche und falsche. Bright trat ins öffentliche Leben als Genosse und unter den Auspicien Cvbdens, als Mitglied des Bundes gegen die Korngeseue. und er hat als solcher durch die Energie seiner Ueberzeugung und Beredsamkeit wackere Dienste geleistet. Cobden war trotz seiner großen Verdienste durchaus einseitig der Freihandel war für ihn das Maß aller Dinge; aber er war ein prak¬ tischer und weiser Mann und setzte, nachdem der Zweck der Ligue, die Abschaf- fung der Korngesetze, erreicht war, ihre Auslösung durch, während Bright sie erhalten und für politische Agitation brauchen wollte. Sein Ansehen war bei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/295
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/295>, abgerufen am 27.06.2024.