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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Der deutsche Buchhandel in den letzten Monaten.

Weihnachten erzeug eine Spnngflnth buchhändlerischer Thätigkeit. Zu der¬
selben Zeit, wo die Christbäume zur Stadt wandern und die Hausfrau sorglich
erwägt, ob sie wegen der schleckten Zeit weniger Weihnachtsgebäck machen soll
als sonst, pulsirt das Leben auf den Comptoiren und in den Packräumen des
Verlegers mit doppelter Schnelle, namentlich wenn er die Welt mit Kinder¬
büchern. Bildcrwerken oder Belletristik versieht. Dann überlegt er woll. ob
die gebundenen Porräthe seiner Miniaturpoeten nicht vorzeitig sich vergreifen
und er treibt seinen Buchbinder zu größerer Eile. Mit Vergnügen mustert er
die vielen kleinen Zettel, auf denen der Sortimenter seine Bestellungen gemacht,
zählt er die Telegramme, die einen seiner Klassiker mit directer Post verlangten.

Auch bei dem leipziger Commissionär ist die Thätigkeit hoch angespannt.
In den Packräumen hört die Arbeit kaum auf. Was der auswärtige Geschäfts¬
freund an Wcihnachtsncuigkeiten noch vor Thorschluß einsandte, wandert von
hier entweder in die Fächer der Sortimentshändler, die der Commissionär in
Leipzig vertritt, oder ans großen Karren weiter zu andern Commissionären.
Unaufhörlich sind die Laufburschen unterwegs, eilige Bestellungen einzuholen.
Hier gehen die Telegramme nie aus und der Märkhelfer seufzt unter der Last
der Packete, die er zur Post bringt. Das sind Dinge, deren Vorgang sich dem
Auge des gewöhnlichen Sterblichen entzieht. Aber dieser bemerkt mit Wohl¬
gefallen das Treiben des Sortimenters. Wenn der Ellenwaarenhändler im
Erker auslegt


"Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt",

dann räumt auch der Sortimenter sein Schaufenster aus und das Aschenbrödel
vertauscht das einfache Gewand der Wissenschaft mit dem stolzen Kleide eng¬
lischer Leinwand in grellen Farben, mit der dauerhaften Pracht feinsten Leders.
Und das Gold ist dabei vorn und hinten, sowie auf Schnitt und Rücken un¬
entbehrlich.

Man mag dieses Vergnügen vielen unserer Poeten gönnen. Ist ja doch
Weihnachten die Zeit, wo sie sich im Schaufenster des Sortimenters dürfen
bewundern lassen, um vielleicht auch einmal verkauft zu werden. Wie bald ist
das Glück vorüber, dann wandern so viele den dunklen Pfad, auf dem nur
selten Rückkehr ist, hinauf auf die düstern Ballenlager, um dort derer zu harren,
die sie im Schaufenster abzulösen so glücklich waren.

In jener Zeit des Lichterglanzes und Tannenduftes steht die Wissenschaft,


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Der deutsche Buchhandel in den letzten Monaten.

Weihnachten erzeug eine Spnngflnth buchhändlerischer Thätigkeit. Zu der¬
selben Zeit, wo die Christbäume zur Stadt wandern und die Hausfrau sorglich
erwägt, ob sie wegen der schleckten Zeit weniger Weihnachtsgebäck machen soll
als sonst, pulsirt das Leben auf den Comptoiren und in den Packräumen des
Verlegers mit doppelter Schnelle, namentlich wenn er die Welt mit Kinder¬
büchern. Bildcrwerken oder Belletristik versieht. Dann überlegt er woll. ob
die gebundenen Porräthe seiner Miniaturpoeten nicht vorzeitig sich vergreifen
und er treibt seinen Buchbinder zu größerer Eile. Mit Vergnügen mustert er
die vielen kleinen Zettel, auf denen der Sortimenter seine Bestellungen gemacht,
zählt er die Telegramme, die einen seiner Klassiker mit directer Post verlangten.

Auch bei dem leipziger Commissionär ist die Thätigkeit hoch angespannt.
In den Packräumen hört die Arbeit kaum auf. Was der auswärtige Geschäfts¬
freund an Wcihnachtsncuigkeiten noch vor Thorschluß einsandte, wandert von
hier entweder in die Fächer der Sortimentshändler, die der Commissionär in
Leipzig vertritt, oder ans großen Karren weiter zu andern Commissionären.
Unaufhörlich sind die Laufburschen unterwegs, eilige Bestellungen einzuholen.
Hier gehen die Telegramme nie aus und der Märkhelfer seufzt unter der Last
der Packete, die er zur Post bringt. Das sind Dinge, deren Vorgang sich dem
Auge des gewöhnlichen Sterblichen entzieht. Aber dieser bemerkt mit Wohl¬
gefallen das Treiben des Sortimenters. Wenn der Ellenwaarenhändler im
Erker auslegt


„Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt",

dann räumt auch der Sortimenter sein Schaufenster aus und das Aschenbrödel
vertauscht das einfache Gewand der Wissenschaft mit dem stolzen Kleide eng¬
lischer Leinwand in grellen Farben, mit der dauerhaften Pracht feinsten Leders.
Und das Gold ist dabei vorn und hinten, sowie auf Schnitt und Rücken un¬
entbehrlich.

Man mag dieses Vergnügen vielen unserer Poeten gönnen. Ist ja doch
Weihnachten die Zeit, wo sie sich im Schaufenster des Sortimenters dürfen
bewundern lassen, um vielleicht auch einmal verkauft zu werden. Wie bald ist
das Glück vorüber, dann wandern so viele den dunklen Pfad, auf dem nur
selten Rückkehr ist, hinauf auf die düstern Ballenlager, um dort derer zu harren,
die sie im Schaufenster abzulösen so glücklich waren.

In jener Zeit des Lichterglanzes und Tannenduftes steht die Wissenschaft,


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[0277] Der deutsche Buchhandel in den letzten Monaten. Weihnachten erzeug eine Spnngflnth buchhändlerischer Thätigkeit. Zu der¬ selben Zeit, wo die Christbäume zur Stadt wandern und die Hausfrau sorglich erwägt, ob sie wegen der schleckten Zeit weniger Weihnachtsgebäck machen soll als sonst, pulsirt das Leben auf den Comptoiren und in den Packräumen des Verlegers mit doppelter Schnelle, namentlich wenn er die Welt mit Kinder¬ büchern. Bildcrwerken oder Belletristik versieht. Dann überlegt er woll. ob die gebundenen Porräthe seiner Miniaturpoeten nicht vorzeitig sich vergreifen und er treibt seinen Buchbinder zu größerer Eile. Mit Vergnügen mustert er die vielen kleinen Zettel, auf denen der Sortimenter seine Bestellungen gemacht, zählt er die Telegramme, die einen seiner Klassiker mit directer Post verlangten. Auch bei dem leipziger Commissionär ist die Thätigkeit hoch angespannt. In den Packräumen hört die Arbeit kaum auf. Was der auswärtige Geschäfts¬ freund an Wcihnachtsncuigkeiten noch vor Thorschluß einsandte, wandert von hier entweder in die Fächer der Sortimentshändler, die der Commissionär in Leipzig vertritt, oder ans großen Karren weiter zu andern Commissionären. Unaufhörlich sind die Laufburschen unterwegs, eilige Bestellungen einzuholen. Hier gehen die Telegramme nie aus und der Märkhelfer seufzt unter der Last der Packete, die er zur Post bringt. Das sind Dinge, deren Vorgang sich dem Auge des gewöhnlichen Sterblichen entzieht. Aber dieser bemerkt mit Wohl¬ gefallen das Treiben des Sortimenters. Wenn der Ellenwaarenhändler im Erker auslegt „Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt", dann räumt auch der Sortimenter sein Schaufenster aus und das Aschenbrödel vertauscht das einfache Gewand der Wissenschaft mit dem stolzen Kleide eng¬ lischer Leinwand in grellen Farben, mit der dauerhaften Pracht feinsten Leders. Und das Gold ist dabei vorn und hinten, sowie auf Schnitt und Rücken un¬ entbehrlich. Man mag dieses Vergnügen vielen unserer Poeten gönnen. Ist ja doch Weihnachten die Zeit, wo sie sich im Schaufenster des Sortimenters dürfen bewundern lassen, um vielleicht auch einmal verkauft zu werden. Wie bald ist das Glück vorüber, dann wandern so viele den dunklen Pfad, auf dem nur selten Rückkehr ist, hinauf auf die düstern Ballenlager, um dort derer zu harren, die sie im Schaufenster abzulösen so glücklich waren. In jener Zeit des Lichterglanzes und Tannenduftes steht die Wissenschaft, 34*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/277>, abgerufen am 27.06.2024.